5000 Bewerber bei "Babylon Berlin"-Casting

Eine Statistenrolle in der deutschen Erfolgsserie "Babylon Berlin - den Traum hatten offenbar einige. Die dritte Staffel "Babylon Berlin" soll Ende 2019 bei Sky zu sehen sein.

Einmal im 20er-Jahre-Kostüm durch das glamouröse Berlin tanzen - den Traum hatten offenbar viele. Ein Casting für die Serie "Babylon Berlin" ist am Samstag in Bonn auf großes Interesse gestoßen. Kandidaten für eine Statistenrolle bildeten eine mehrere hundert Meter lange Schlange. Insgesamt seien sicher 5.000 Bewerber gekommen, 2.500 wurden letztlich registriert, schätzte Agenturchef Gregor Weber. Den Rest habe man wieder nach Hause geschickt. "Sowas haben wir noch nie erlebt", sagte Weber.

Gesucht wurden für die dritte Staffel der Krimiserie 500 Komparsen und 40 Kleindarsteller. Die Kandidaten mussten Fragebögen ausfüllen, sich fotografieren lassen und erklären, ob sie etwa bereit sind, sich die Haare schneiden zu lassen. "Wir sind sehr, sehr zufrieden", sagte Weber. Diejenigen, die nicht drangekommen seien, hätten noch eine weitere Chance bei einem Casting am nächsten Samstag in Düren bei Aachen.

Am vergangenen Sonntag startete der ORF mit der Ausstrahlung von „Babylon Berlin“ - und landete damit einen unerwarteten Publikumserfolg. Die Zuschauerzahlen waren so gut, dass der Öffentlich-Rechtliche nun sein Hauptabendprogramm am Donnerstag umschichtet und die Serie vorzieht. Falls Sie die ersten drei Folgen von „Babylon Berlin“ verpasst haben, gilt es, sie schnell nachzuholen. (In der ORF-TVthek sind diese noch verfügbar, allerdings nur in der Zeit zwischen 20:00 und 06:00 Uhr). Denn „Babylon Berlin“ zählt zu den besten Serien, die heuer im FreeTV zu sehen sein werden. „Die Presse“ liefert dafür neun Gründe: Text: Heide Rampetzreiter (c) ORF (X Filme Creative Pool Entertainm)

Kommissar Gereon Rath ermittelt in „Babylon Berlin“gegen einen Pornoring – und zwar Ende der 1920er Jahre. Das ist eine Abwechlsung zur filmisch fast schon übermäßig aufgearbeitete Hitler-Diktatur. Hier wird das „coole“, freie Deutschland vor der "Nazidämmerung" gezeigt – und auch Schattenseiten der Weimarer Republik wie der „Blutmai in Berlin“. Ein Stück Geschichte, das man hierzulande kaum kennt, das man aber als Bruchstelle für die damals junge Demokratie verstehen kann. (c) ORF (X Filme Creative Pool Entertainm)

Wie historisch korrekt ist die Serie? Das lässt sich schwer sagen. In mancher Hinsicht könnte die Serie auch in der Gegenwart spielen. Der legendäre Berliner Nachtclub Moka Efti, in dem Charlotte Ritter Geld verdient, erinnert an Berlins gefeierte Clubs wie dem Berghain. Nur die Musik wäre wohl schneller – und lauter. Überhaupt: Die Darstellung Berlins als als exzessive Partyhochburg wirkt ein wenig so, als hätte die deutsche Hauptstadt nach der Wende wieder zu ihrem alten Ich gefunden. Man bekommt einen Eindruck davon, wie viel Kultur und Leben von den Nazis in dieser Stadt ausgelöscht wurde. (c) ORF (X Filme Creative Pool Entertainm)

Bis in die Nebenrollen hinein ist die Serie hervorragend besetzt, man weiß kaum, wen man hervorheben sollte: Liv Lisa Fries als arme Stenotypistin Charlotte Ritter, zerrissen zwischen Selbstverwirklichung und familiärer Verantwortung. Volker Bruch als Kommissar Gereon Rath, traumatisisert von seiner Kriegsvergangenheit. Karl Markovics als schmieriger Journalist. Peter Kurth als korrupter, subtil brutaler Kommissar Bruno Wolter. Oder die inzwischen verstorbene Marie Gruber in ihrer letzten Rolle als Wolters unglückliche Ehefrau. Es ist ein Genuss, ihnen beim Spiel zuzusehen. (c) ORF (X Filme Creative Pool Entertainm)

Das ist der Vorteil von Krimiserien: Als Zuschauer will man wissen, wer hinter dem Verbrechen steckt. Oder hinter den Verbrechen, denn in „Babylon Berlin“ sind es gleich mehrere. Hängen sie zusammen? Das erfährt man freilich erst ganz am Ende der 16 Folgen. (c) ORF (X Filme Creative Pool Entertainm)

„Zu Asche, zu Staub ...“ intoniert die im Exil lebende russische Gräfin Swetlana Sorokina als ihr Alter Ego Nikoros auf der Bühne des Nachtclubs Moka Efti. Das düstere Lied ist ein unwahrscheinlicher Ohrwurm – und erobert aktuell sogar die Charts. Designer Tom Ford hatte den sich hypnotisch steigernden Song bei seiner Modeschau auf der der Fashion Week in New York spielen lassen. Die Komposition von Nikko Weidemann, Mario Kamien und Tom Tykwer ist der perfekte Soundtrack für den Tanz auf den Vulkan. Wie heißt es am Schluss: „Du bist dem Tod so nah, und doch dein Blick so klar, erkenne mich, ich bin bereit, und such mir die Unsterblichkeit.“ (c) ORF (X Filme Creative Pool Entertainm)

Das Drehbuch stammt von den drei Regisseuren Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten und es hebt sich gekonnt von der Vorlage ab: Volker Kutschers Krimi „Der nasse Fisch", der im Berlin der Weimarer Republik spielt, ist braver und weniger schmutzig und brutal als die Adaption für das Fernsehen. (c) ORF (X Filme Creative Pool Entertainm)

Die Serie ist die bislang teuerste deutsche TV-Produktion. Fast 40 Millionen Euro hat sie gekostet, gut 5000 Komparsen wurden engagiert, 190 Tage lang wurde an 280 verschiedenen Orten gedreht. Ein Aufwand, der sich auch finanziell gelohnt hat: In 80 Länder wurde „Babylon Berlin“ bereits verkauft. In den USA hat sich Netflix die Serie gesichert. (c) ORF (X Filme Creative Pool Entertainm)

Freilich, es gibt derzeit (zu) viele gute Serien. Aber deutschsprachige erstklassige Ware ist Mangelware. Seit Dominik Grafs Budget-sprengender Kriminalserie „Im Angesicht des Verbrechens“ und David Schalkos herrlicher Satire „Braunschlag“ sind schon ein paar Jahre vergangen. Die DDR-Spionage-Story „Deutschland 83“ schwächelte nach starkem Start leider (Staffel zwei ist ab 19. Oktober 2018 auf Amazon zu sehen). Die Netflix-Produktion „Dark“ war kein durchschlagender Erfolg und Amazons deutsches Prestiegeprojekt „You Are Wanted“ mit Matthias Schweighöfer wirkte halbfertig und unausgegoren. „Babylon Berlin“ hat sich glücklicherweise mehr Zeit gelassen. (c) ORF (X Filme Creative Pool Entertainm)

Die Produzenten X Filme Creative Pool, ARD Degeto, Sky und Beta Film haben es bereits im Juli bekannt gegeben: „Babylon Berlin“ bekommt eine weitere Staffel. Und das war noch vor der Free-TV-Ausstrahlung. Genau genommen ist es dann die dritte Staffel, denn die Serie ist schon bisher in zwei Staffeln mit je acht Folgen unterteilt. Diese sind fast zeitgleich herausgekommen und hängen auch so stark zusammen, dass man den Eindruck hat, es handle sich nur um eine. Die Fortsetzung wird auf dem Volker Kutscher-Roman "Der stumme Tod" basieren. Wann sie zu sehen sein wird, ist noch offen. (c) ORF (X Filme Creative Pool Entertainm)

Die Resonanz auf den Castingaufruf war schon in den Tagen zuvor groß gewesen. Eventuell lag das auch an den speziellen Rollen, die man für das in der Weimarer Republik spielende Epos zu vergeben hatte. Gesucht wurde nach Gangstern, Polizisten, Henkern, Kneipengängern und Offizieren, aber auch nach einem kleinwüchsigen Mann, Kellnern, Priestern und Tischlern - in diesen Fällen idealerweise mit Berufserfahrung. Für eine spezielle Szene wurden Männer und Frauen gesucht, die bereit sind, sich leidenschaftlich zu küssen. Im Aufruf hieß es, dass "sowohl normalere als auch vom Leben gezeichnete Gesichter und Körper" erwünscht seien - zum Beispiel auch Einarmige. Auch von denen seien zwei oder drei da gewesen, sagte Weber.

Die dritte Staffel "Babylon Berlin" soll Ende 2019 bei Sky und ab Herbst 2020 in der ARD zu sehen sein. Drehorte sind Berlin, Potsdam-Babelsberg und in Nordrhein-Westfalen Köln, Bonn, Düren, Solingen und Krefeld. In der neuen Geschichte ermittelt Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) an einem Filmset, an dem eine berühmte Schauspielerin gestorben ist.

(APA/dpa)