Gothic Lolitas als trachtige Blumenkinder

Edle Trachtenmode, ein üppiges Meer aus Plastikblumen und Anklänge an großstädtische Jugendkultur aus Japan vertragen sich bestens.

Der Bekanntheitsgrad des amerikanischen Musikfilms „The Sound of Music“ in Ländern wie den USA, China oder Japan ist legendär. Also hält sich auch das mitgelieferte Österreichbild samt naiv-freundlichem Dirndl-Derwischtanz und Julie Andrews glockenhellem Stimmchen dort dementsprechend hartnäckig. (In China schwebt Menschen, die an Österreich denken, angeblich eine Mischung aus sattem Berggrün und Goldenem Musikvereinssaal vor dem inneren Auge.) Es könnte, in diesem Sinne, als ein Versuch der imagologischen Schubumkehr gesehen werden, wenn gediegene Trachtenmode auf diesen Seiten mit der Mode einer Jugendkultur aus japanischen Metropolen gekreuzt wird.

Das „Schaufenster“ hat sich jedenfalls in Wien auf die Spuren der in Tokio, Kyoto und Osaka florierenden „Lolita Fashion“ begeben und sechs Expertinnen der markanten Stilrichtung vor die Kamera gebeten. Nana Evangel, Petra Gerstbauer, Lea Kerschbaumer, Dagmar Kubouschek, Martina Stadlbauer und Daniela Wilding pflegen in Wien die Stilrichtung, die um vieles harmloser angelegt ist, als die Anlehnung an Vladimir Nabokovs Romantitel nahelegt. Konkret hat die Jugendkultur mit Nabokovs Romanheldin so gut wie nichts gemein (Anm.: siehe Artikel auf der nächsten Seite). Die sechs ließen sich von einem Produktionsteam in Schale werfen. Trotz versuchter Wahrung des Lolita-Dresscodes dürfte das Ergebnis der Geburtsstunde einer alpinen Parallelgattung gleichkommen. „Dass die Outfits nicht allen Kriterien der ‚Lolita Fashion‘ entsprechen“, meint Lea Kerschbaumer jedoch gnädig, „macht gar nichts. Erstens nimmt die österreichische Community es ein bisschen weniger genau mit den Stilvorgaben als etwa die deutsche. Und außerdem haben wir alle ein Faible für Dirndln und Trachtenmode.“



Bedenkt man außerdem, dass das Dirndl seinen heutigen Erfolg dem Ursprung als Mitbringsel aus der Sommerfrische verdankt, mit dem Großstädterinnen das ländliche Lebensgefühl dekontextualisierten, ist ein weiterer Urbanisierungsvorstoß, der auf die Straßenfluchten asiatischer Global Cities abzielt, sozusagen nur die Weiterführung einer Entwicklung, die im 18. und 19. Jahrhundert ihren Ausgang nahm. 

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