Ein Zustellservice, das sich nun auch als Restaurant versucht - das kürzlich eröffnete Natraj in der Neustiftgasse ist ein passabler Low-Cost-Inder.
Wenn die Lust auf den Vietnamesen ums Eck damit endet, dass das Lokal nicht mehr geöffnet hat, ist das natürlich traurig. Vor allem, weil man das Viennas Vietnam in der Neustiftgasse durchaus liebgewonnen hat. Ein wenig gelindert wird der Schmerz, wenn die Räumlichkeiten trotzdem genutzt werden – und ein neuer Inder die entstandene Lücke füllt. Wobei die Einrichtung auf den ersten Blick nicht viel anders aussieht als zu Vietnam-Zeiten – nur dass jetzt eben Bilder mit indischen Motiven an der Wand hängen. Angenehmerweise verzichtet man aber auch im Natraj (Neustiftgasse 50, 1070 Wien, Di–So 11–14.30 und 18–22.30 Uhr; ✆01/522 34 08) auf Ethnokitsch. Dezent ist besser. Was im Fall des neuen Lokals auch eine gewisse Logik hat – schließlich ist das Restaurant so etwas wie ein erster Schritt vom Abhol- und Zustellservice hin zu stationärer Gastronomie – in der Marchettigasse in Mariahilf betreibt man bereits seit Längerem ein Zustellservice ohne Lokal.
Das Liefern dürfte auch weiterhin ein wichtiges Element bleiben – denn schon bei der Bestellung wird man darauf hingewiesen, dass man künftig bei Bedarf gerne auch von daheim telefonisch oder über das Internet ordern kann. Den Folder mit Speisekarte und Preisen gibt es gleich dazu. Immerhin – auch eine Karte für das Restaurant wird gereicht. Darauf finden sich die Klassiker der indischen Küche – von der Mulligatawny-Linsen-Shorba (2,50 Euro) über Samosa (3,90 Euro) bis zu diversen Currys, Basmati-Reis und verschiedenen Fladenbroten. Als Gruß aus der Küche – fast wie bei den Großen – gibt es zunächst aber Pappadam-Waffeln mit drei verschiedenen Dips, ehe die bestellten Speisen serviert werden. Die Sabzi-Ka-Shorba (2,50 Euro), eine Gemüsesuppe mit Kräutern, ist würzig. Die Samosa-Teigtaschen mit Gemüsefüllung durchaus okay. Und das Chili Chicken schmeckt so, wie man es sich erwartet. (Auch, wenn die versprochene Zubereitung „sehr scharf“ maximal als pikant durchgeht. Im Zweifelsfall nachwürzen.)
Geschmacklich ist es im Natraj durchaus in Ordnung, wenn auch ziemlich erwartbar. Was das Essen im Restaurant gegenüber dem Bestellen daheim hervorhebt, ist vor allem die Frische – man bekommt es auf dem Teller serviert und muss nicht Plastikdosen aus Zellophan wickeln. Und atmosphärisch ist es dann doch etwas anders als daheim auf der Couch – auch wenn im hinteren, durch einen Bogen abgetrennten Teil des Lokals noch alte Möbel und Küchengeräte stehen. (Sieht man aber kaum, wenn man nicht gezielt hinschaut.)
Ein Restauranterlebnis mit Pomp und Trara erwartet man sich in diesem kleinen Lokal ohnehin nicht. Als passabler Low-Cost-Inder, der sich nicht zu verstecken braucht, ist das Natraj aber in jedem Fall geeignet. Und ist man zu faul zum Aufstehen, kann man ja immer noch anrufen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2014)