Von der Medizin zum sauren Würzmittel

Weinlese
Weinlese(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Verjus war einst auch hierzulande fixer Bestandteil der Küche. Seine Geschichte reicht bis in die griechische Antike zurück. Im 17. Jahrhundert wurde er allerdings verdrängt.

Die Zitrone ist schuld. Sie war es, die den Verjus ab dem 17. Jahrhundert aus den heimischen Küchen vertrieben hat. Denn Verjus, der Saft aus unreifen Trauben, hat in Europa, der Türkei, im Iran und in anderen Ländern lange Tradition. Bereits in der griechischen Antike wurde er verwendet, damals noch weniger zum Verfeinern von Speisen, sondern vielmehr aus medizinischen Gründen. Immerhin gilt der saure Saft als verdauungsfördernd und beruhigend für den Magen. Im Mittelalter war Verjus hierzulande aufgrund seiner Säure ein beliebtes Würzmittel. Damals kannte man den Saft allerdings eher unter dem Namen Agrest. Während er in Europa durch das Aufkommen der ersten Zitrusfrüchte verdrängt wurde, hielt er sich in der Türkei, im Iran, in Syrien, im Libanon und in anderen Ländern des Nahen Ostens bis heute als fester Bestandteil der jeweiligen Küche.

Alkohol- und histaminfrei. Dabei dürften auch religiöse Gründe mitgespielt haben. Denn während Speisen in Österreich vorwiegend mit Wein abgeschmeckt werden, wird andernorts der alkoholfreie Verjus geschätzt. Wobei hier wie dort die Haltbarkeit des Verjus stets ein Problem war, immerhin wurde die Pasteurisierung erst 1864 von dem französischen Chemiker Louis Pasteur entwickelt. Der persische Verjus namens Abe Gureh, der türkische Koruk Suyu und der arabische Hisrim werden deshalb – so wie früher der europäische Verjus – leicht gesalzen. Auch mit Öl wurde zum Zweck der Haltbarkeit experimentiert.

Fixer Bestandteil im Dijon-Senf. In Europa wurde Verjus großteils von Zitronensaft und günstigem, industriell hergestelltem Essig verdrängt. Lediglich in Frankreich wurde die Tradition aufrechterhalten. So wird etwa der aus dem Burgund stammende Dijon-Senf traditionell mit Verjus hergestellt.

Seit den 1980ern stellen französische Winzer verstärkt Verjus her, andere Länder wie Deutschland, Österreich, Italien, aber auch Kanada und die USA (allen voran das kalifornische Napa-Valley) zogen nach. Daran sind unter anderem auch die Gastronomen „schuld“, die einerseits immer gerne ein Auge auf Frankreich haben und andererseits eben auch auf der Suche nach etwas Neuem sind – auch wenn es sich bei Verjus eigentlich um etwas Altes handelt. Hierzulande haben neben der Kamptaler Winzerin Barbara Öhlzelt (siehe oben) auch andere Winzer den sauren Saft für sich entdeckt, etwa die beiden ebenfalls in Langenlois gelegenen Weingüter Fred Loimer und Bründlmayer (Letzterer vorwiegend für den Eigenbedarf in seinem Heurigenhof) oder der Grazer Markus Steinbäcker, der im Winter auch alkoholfreien Glühwein aus Verjus herstellt.

Verjus hat nicht nur den Vorteil einer sehr milden, fruchtigen Säure – im Gegensatz zu Essig kann man hier beim Kochen nicht zu viel erwischen. Da es sich um einen unvergorenen Saft handelt, ist er auch histaminfrei. Und er kommt auch im Gegensatz zum Essig dem begleitenden Wein geschmacklich nicht in die Quere. Auch als Aperitif, etwa mit Sekt, oder als Durstlöscher mit Wasser aufgespritzt, wird er gern getrunken. Einmal angebrochen ist die Flasche übrigens mehrere Wochen im Kühlschrank haltbar. Da kann eine angeschnittene Zitrone nicht mithalten.

Rezepte

  • Marinade zum Einlegen von Zucchini oder Kürbis

Zutaten: 500ml Verjus, 60g Zucker (oder Honig), 15g Salz, 1TL Senfkörner, 1TL Pfefferkörner schwarz, 1EL Dille gehackt, 1 Gewürznelke.

Zubereitung: Alles miteinander aufkochen, Zucchini/Kürbisse in Stücke schneiden, in Gläser füllen, mit der Marinade auffüllen, Gläser verschließen und im Dampf pasteurisieren (oder eine Stunde bei 120 Grad ins Backrohr stellen, danach aber im Rohr bei leicht geöffneter Tür auskühlen lassen).

  • Topfen-Verjus-Aufstrich

Zutaten: 500g Magertopfen passiert, 125g Sauerrahm, 4EL Verjus, 1EL Kren gerieben, ev. 1TL Zucker, eine Messerspitze Estragonsenf, Salz, weißer Pfeffer.

Zubereitung: Zutaten vermischen und glatt rühren. Nicht zu viel rühren, sonst wird der Aufstrich zu dünn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2014)

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