Vollpension

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Die Vollpension ist sesshaft geworden und lebt nun alle Oma-Klischees hemmungslos in der Schleifmühlgasse aus. Bis auf jenes mit der besten Köchin.

Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit, sangen einst Tocotronic. In diesem Fall gilt allerdings vielmehr: Die Idee ist gut und die Welt schon längst bereit. Es geht um die Vollpension, ein Projekt zweier umtriebiger Ex-Werber, die in der Stadt nicht nur mit ihrer Jeansmaßschneiderei Gebrüder Stitch bekannt sind. Mike Lanner und Moriz Piffl haben offenbar ein Händchen für den Zeitgeist, wie auch ihr Bioheuriger Zum Gschupftn Ferdl nahe der Mariahilfer Straße beweist.

2012 folgte dann, vorerst im Rahmen der Vienna Design Week, die erste Vollpension. Ein generationenübergreifendes Pop-up-Projekt, bei dem ältere Frauen Kuchen backen und diese in sehr hippem, retrolastigem Ambiente an junge Menschen verkaufen. Ganz ohne Scheu, das Oma-Klischee inklusive Spitzendeckerl, Eierlikör und Häferlkaffee ordentlich zu strapazieren. Nun ist die Vollpension also sesshaft geworden und hat sich in einem Ecklokal in der Schleifmühlgasse niedergelassen.

Erstaunlich, wie freundlich so ein im Tiefparterre gelegenes Lokal auf einmal wirkt, wenn man die Fenster von jeglicher Verdunkelungsmöglichkeit und die Wände vom Putz befreit, sodass die Ziegel freigelegt sind. Und wie gemütlich es wird, wenn man von den Möbeln bis zu Accessoires (Franzbrandwein!) auf den Oma-Look setzt. Das Klischee wird auch hier gefeiert. Das dürfte funktionieren. Das Lokal ist gut gefüllt. Das Service besteht aus Vertreterinnen der Oma- und Enkelgeneration. Es herrscht Selbstbedienung, wobei warme Speisen serviert werden. Neben einem umfassenden Kuchenangebot gibt es Salate, Brote und täglich drei warme Speisen. Der Schweinsbraten mit Knödel und Sauerkraut (11,40 Euro) ist ganz passabel: mageres und dennoch saftiges Fleisch, die Wurzelgemüsesauce (dazu ?) ist aber leider verwürzt und hat etwas viel Salz abbekommen. Die Krautfleckerln (8,70 Euro) sind gar fett und könnten ein bisschen mehr Würze vertragen. Richtig gut sind aber die Kuchen, zum Beispiel Rhabarber-Baiser-Torte (2,80 Euro) – allerdings für Oma-Verhältnisse sehr klein portioniert. Dennoch: eine gute Idee, die wohl auch im richtigen Moment umgesetzt wurde.


Vollpension: Schleifmühlg. 16, 1040 Wien, Di, Mi 9–24, Do–Sa 9–2, So 9–20 Uhr, ✆ 01/58 504 64 Glassner

diepresse.com/essen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2015)

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