Bitte warten, das Filet muss noch wachsen

Familie Baumgartner umringt von ihren Tieren auf der Weide.
Familie Baumgartner umringt von ihren Tieren auf der Weide.Clemens Fabry
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Im Waldviertel züchtet Familie Baumgartner Bisons. Verkauft ist das Fleisch schon lang, bevor es geschlachtet wird. Die Nachfrage ist groß, die Herde klein. Ein Rundgang.

Der Kopf vom alten Billy hängt schon an der Wand, sein Fell klebt am Plafond der Bison-Ranch. Und es ist wolliger als der äußere Eindruck. Knapp über der Haut ist es wie ein dichtes Netz verwoben, damit im Winter kein Schnee durchkommt. Für den interessierten Teppichkäufer kostet das Fell rund 1000 Euro (ohne Gerben), für das lebende Tier ist es die Wintergarnitur. Bisons bleiben ganzjährig auf der Weide, seit sieben Jahren auch im Waldviertler Stampfleiten in 3921 Langschlag (nicht zu verwechseln mit 3912 Langschlag, das liegt 40 Minuten entfernt, und dort gibt es keine Bisons). Postleitzahlen lassen Tatonka (wie der Karl-May-Fan die Tiere ruft) aber sicher kalt, so wie auch winterliche Temperaturtiefs. „Bis minus 40 Grad hält das Tier alles aus“, erzählt Thomas Baumgartner, der die Bisons zusammen mit seiner Frau, Gerlinde, züchtet.

Für die Langschlager Ortsbewohner war die kleine Herde, die anfangs sechs und mittlerweile 38 Tiere stark ist, ein bisschen exotisch. Die Frage, „was passiert, wenn sie auskommen und uns niederrennen?“, ist über dem Ort geschwebt. Bisher konnte nur ein ausgefuchstes Kalb ausreißen. Nichts ist passiert. Den wilden Bison – dessen nächster Verwandter der Wisent ist – sollte man trotzdem nicht unterschätzen. „Diese Tiere kann man zu nichts zwingen, sie müssen alles freiwillig tun“, erzählt Baumgartner.

Währenddessen wälzt sich ein großes Exemplar ganz freiwillig in seinem selbst gescharrten Sandloch, um allfälliges Ungeziefer abzuwerfen. „So sind sie ja ruhig, aber wenn ich eines fangen muss, zum Ohrmarkenzwicken beispielsweise, dann geht es rund.“ Gefangen werden Baumgartners Bisons via Radlader und Lasso, das hat sich Baumgartner selbst beigebracht. „Die Tiere sind für ihre Größe pfeilschnell, 50 km/h sind kein Problem, außerdem können sie aus dem Stand zwei Meter nach oben springen“, der Zaun ist ungefähr 1,70 Meter hoch – ehrfürchtig tritt man zurück. „Den streift er nicht einmal“, sagt Baumgartner und grinst.

Das Risiko, dass ein Bison tatsächlich über den Zaun hechtet, ist aber vernachlässigbar, dazu müsste es nämlich kein Futter mehr finden, und davon gibt es genug, weil die Weide ständig erweitert und alle zwei Tage zugefüttert wird. Was würde aber passieren, wenn man sich als Bison-Fremdling auf die Weide verirrt? „Naja, sie attackieren dich nicht, aber alle 38 werden zu dir kommen, weil du interessant bist. Und da muss man ruhig bleiben.“ Rennen sei ganz schlecht, da würden sich die Bisons anschließen und unfair überholen. Baumgartners haben sich vor sieben Jahren für die Zucht entschieden, weil sie keinen neuen Stall für ihre Milchkühe bauen wollten. Sind die Bisons ein besseres Geschäft? „Noch nicht, weil wir jedes Jahr nur zwei aus der Herde nehmen.“ Die Nachfrage sei aber groß. „Vom Fleisch haben wir immer zu wenig.“

Von der Nase bis zum Schwanz

Verwerten kann man vom Bison alles. Hörner, Klauen und Felle locken Künstler und – ja, ja – Indianerklubs an. Das Fleisch selbst ist sehr mager, enthält viel Selen und Eisen. Der Geschmack liegt zwischen Rind und Wild. Neben privaten Foodies würden sich auch immer wieder Restaurants bei der Bisonzucht melden. Diese könne man aber noch nicht beliefern. Die Herde muss wachsen. „Wer ein Filet will, sollte sich ein Jahr vorher anmelden.“ Beiried, Rostbraten, Hüftsteak – alles was kurzbratig zubereitet wird, sei auch begehrt, so Baumgartner. Rohschinken, Salami und Würste lassen sie von einem Profi in der Region machen. Einen Schinken hätte er selbst versucht zu machen, „ist gar nicht schlecht geworden“. Beim angebundenen Heurigen kann man die veredelten Produkte kosten, Frischfleisch gibt es nur auf Anfrage. „Das ganze Fleisch ist eigentlich schon weg, bevor wir schlachten.“ Und das kommt nicht so oft vor. Die Tiere werden mindestens drei Jahre alt, bevor sie getötet werden.

Ein herkömmlicher Maststier muss zum Vergleich mit 18 Monaten ausgewachsen sein. Wenn man ihn mit Mais und Wachstumsförderern bearbeitet, hat er am Ende 400 Kilo Fleisch. Wenn das Bison nach drei Jahren 300 Kilo Fleisch hat, ist das viel. Außerdem läuft die Schlachtung anders ab als beim Hausrind. Bisons dürfen auf der Weide geschossen werden, wo sie auch ausbluten. In der industriellen Fleischproduktion müssen Schlachttiere häufig weite Wege zum Schlachthof zurücklegen, bevor sie der Betäubungsbolzen – hoffentlich an der richtigen Stelle – trifft. „Der Bison hat überhaupt keinen Stress bei der Schlachtung. Ihn haut es auf der Weide plötzlich um. Das ist auch wichtig für die Fleischqualität.“ Den Abzug drückt Baumgartner selbst. „Spaß macht das keinen, zuerst ziehst du die Viecher auf, dann musst du sie umbringen. Das ist eine harte Partie.“ Schießt man sie nicht, werden Bisons bis zu 27 Jahre alt. Das älteste Tier in der Herde ist 22. Der erste Stier, Billy, wacht ausgestopft über dem Heurigen. An das erste Kalb kann sich Baumgartner noch gut erinnern: als Lindsey One zur Welt kam, hat er sich vor lauter Aufregung die Stoßstange seines Jeeps verbogen. „Das war mir aber wurscht.“

Wissenswertes

Bison-Ranch. Familie Baumgartner züchtet in 3921 Langschlag Bisons. Die veredelten Produkte bekommt man beim Heurigen, das Fleisch muss vorab bestellt werden. Auf ein Filetstück wartet man bis zu einem Jahr.

Heuriger. Die Gaststätte der Bison-Ranch hat bis Oktober ausgesteckt. Die Öffnungszeiten sind Fr. ab 19 Uhr, Sa., So. und Feiertag ab 14 Uhr.www.bison-ranch.at, 0664/5237227

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2015)

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