Londoner Streetfood: Aus der Not geboren

(c) Bloomberg (Simon Dawson)
  • Drucken

Der Engpass an Immobilien hat viele Gastronomen in London auf die Straßen ausweichen lassen. Es gibt dort alles von Hummer bis Wraps.

Wo drei Londoner auf der Straße beisammen stehen, durfte man früher davon ausgehen, dass sie sich für den Bus anstellen. Heute konsumieren zwei von ihnen ein schmackhaftes Gericht, während der Dritte sie bedient.
Von einem Ort, an dem vor dem Verzehr lokaler Nahrung mit akuten Gesundheitswarnungen abgeraten wurde („Pfui, englisches Essen!“), hat sich die britische Hauptstadt längst zu einem wahren Mampf-Mekka verwandelt. Aber nicht nur Haubenköche und Trendsetter lassen den Kunden das Wasser im Mund zusammenrinnen. Auch das Geschäft mit den Streetfood boomt ohne Ende.

Um die hipsten Orte Londons zu erkunden, muss man dieser Tage nur der Nase nachgehen. Sei es im Osten der Stadt im Bezirk Shoreditch, im Norden im regenerierten Viertel um den Bahnhof King's Cross, im südlichen Stadtteil Brixton oder entlang des Südufers der Themse an der Southbank – überall finden sich Köstlichkeiten aus wahrhaft aller Welt, von Afghanistan bis Zypern. Die Gerichte finden bei Bewohnern und Besuchern reißenden Anklang. Auf bis zu 50 Prozent schätzt das Branchenmagazin „Big Hospitality“ die jährliche Wachstumsrate für Streetfood allein in den letzten beiden Jahren.

Dabei ist der jüngste Boom, wie so vieles in London, zumindest teilweise aus der Not geboren. Der akute Engpass an Immobilien und die horrenden Mietpreise zwingen viele Jungunternehmer buchstäblich auf die Straße. „Wir hatten schlicht kein Geld für ein Lokal“, erinnert sich Yianni Papoutsis, der 2009 aus einem umgebauten Lieferwagen Burger zu verkaufen begann. Gekocht wird auch an Marktständen, in Containern oder mit mobilen Geräten. Vielmehr als eine Feuerstelle und ein paar Pfannen scheinen nicht erforderlich zu sein.

Ebenso ist es wesentlich einfacher, billiger und unbürokratischer, auf der Straße sein Essen zu verkaufen als in einem traditionellen Restaurant, wo man von der Gewerbeberechtigung bis zur Gesundheitsamtsprüfung jede Menge Papierkram zu bewältigen hat. Dennoch hat auch auf der Straße langfristig nur Erfolg, wer sein Business professionell betreibt. Aus Liebe zur Sache allein kann man nicht überleben. Anna Mae von Mac N Cheese sagt: „Wir haben hunderte Dinge erst lernen müssen“, von der Wahl des Standorts bis zum richtigen Produkt und dem zielgerichteten Marketing.

Am wichtigsten aber: „Es ist unverzichtbar, ein solides Geschäft zu führen.“ Papoutsis, der mittlerweile fünf fixe Standorte hat, empfiehlt: „Du musst deine Zahlen wissen!“

Erlesenes am Stand

Von der beinharten Konkurrenz profitiert die Kundschaft. Lange vorbei ist die Zeit, wo Streetfood in London aus der Wahl zwischen klebrigen Glutamat-Asiaten am Camden Market oder fetttriefenden Hot Dogs nach einer durchgemachten Nacht bestand. Heute bekommt man erlesenste Köstlichkeiten von mexikanischen Mariscos (Meeresfrüchte) über amerikanisches BBQ bis zu koreanischen Bua Gao. Evergreens sind Burgers und Wraps, Lieblinge sind auch Hummer und Pulled Pork. Die Kunst des Slow Cooking in eigenen Bratvorrichtungen („smoked pork“) hat dem Schwein zu einem glänzenden Comeback verholfen.

Es wäre nicht das ultrakompetitive London, würden sich die besten Straßenköche nicht längst miteinander im Wettstreit messen. Einmal im Jahr werden die Street Food Awards nach zweitägigem Wettkochen vergeben. Mit einem durchschnittlichen Preis von rund sechs Pfund ist eine Mahlzeit auf der Straße deutlich billiger als ein Lokalbesuch, wenngleich teurer als das klassische Sandwich aus dem Supermarkt oder einer Imbiss-Kette.

Streetfood in London ist aber primär sowieso keine Frage des Preises, sondern des Geschmacks. Und Geschmack hat nicht nur mit Essen selbst zu tun: Kaum irgendwo sonst wird man so viele schöne, trendige und selbstverliebte Menschen antreffen wie beim Anstellen um das hipste gefüllte Weckerl der Stadt. Immerhin: Das mit dem Anstellen funktioniert immer noch.

Streetfood

Auf bis zu 50 Prozent wird die jährliche Wachstumsrate von Streetfood in London geschätzt.

In Deutschland gibt es über 1500 Wurstsorten, die auch in Imbissständen oder Bauchläden verkauft werden – ganz besonders in Berlin.

Die Wiener Wirtschaftskammer zählt aktuell über 1000 Imbissstände in der Stadt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Weltjournal

Deutsche Currywurst eint West und Ost

Der legendäre Berliner Imbiss Konnopke's hat die Westberliner Curry-Erfindung in den Osten gebracht. Noch heute steht man hier, in Prenzlauer Berg, Schlange.
Themenbild
Weltjournal

Historie: Vom Würstelstand zu Street-Food-Märkten

Street Food gab's in Wien schon in der Monarchie – nur hieß es damals einfach Würstelstand. Nun sind viele junge Anbieter dazugekommen, die den Begriff weiter auslegen und sich mit Slow Food verbunden fühlen.
Weltjournal

Deutsche Currywurst eint West und Ost

Der legendäre Berliner Imbiss Konnopke's hat die Westberliner Curry-Erfindung in den Osten gebracht. Noch heute steht man hier, in Prenzlauer Berg, Schlange.
Streetfood in Bangkok
Weltjournal

Bangkok: Welthauptstadt der Straßenlokale

Sie gehören in Bangkok zum Alltag, und einige von ihnen sind stadtweit bekannt: Straßenlokale. Essen hat in Thailand einen enorm hohen Stellenwert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.