Norbert Niederkofler: Südtirols Dreisternekoch

Bergküche. Norbert Niederkofler kocht heute unter dem Motto „Cook the Mountain“.
Bergküche. Norbert Niederkofler kocht heute unter dem Motto „Cook the Mountain“.(c) Daniel Töchterle
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Über einfliegende Gäste, Köche in T-Shirts und irreführende Curricula.

"Die Situation ist durchaus angenehm", findet Norbert Niederkofler. „Die meisten Künstler werden bekannt, wenn sie tot sind. Dass ich das Glück hatte, mir einen Lebenstraum lebendig zu erfüllen, ist toll.“ Sein Lebenstraum: der dritte „Michelin“-Stern. Im November 2017 war es so weit. Das St. Hubertus im Luxushotel Rosa Alpina im Dolomitenort St. Kassian ist seither Südtirols erstes und einziges Dreisternerestaurant. „Und ich glaube“, so der 56-Jährige, „ich bin der älteste neue Dreisternekoch der Welt.“

Dass der „Guide Michelin“, dessen Auszeichnungen für die meisten Köche ungeachtet aller Listen und anderer Preise die härteste Währung sind, seine Küchenlinie derart würdigt, findet Niederkofler ebenso bemerkenswert wie zukunftsträchtig: „Ich verwende kein einziges französisches Produkt. Sie haben kapiert, dass man andere Wege gehen sollte. Das war schon eine gewichtige Message. Es gab keinen besseren Zeitpunkt.“ Worauf er anspielt: Im Jahr 2012 hatte er, der davor mit Gänseleber, Steinbutt und argentinischem Rindfleisch hantiert hatte, sein Küchenkonzept radikal geändert. Seither beschränkt er sich auf Zutaten aus den umliegenden Bergen und Tälern, verwendet weder Meeresfisch noch Olivenöl oder Zitrusfrüchte, deren Säure von Fermentiertem abgelöst wurde. „Cook the Mountain“ nennt Niederkofler diesen Weg. „Damit bist du nicht mehr austauschbar. Den dritten Stern hätte ich mit dem vorigen Konzept nie bekommen.“ Seine Gerichte heute: Reinankentatar mit knusprigen Schuppen, Terlaner Weinsuppe und Dillöl. Schweinskopfsandwich. Graukäserisotto. Forelle mit Waldfrüchten, schwarzem Knoblauch und Enzian.

Radikal regional. Reinankentatar mit Knusperschuppen, Terlaner Weinsuppe und Dillöl.
Radikal regional. Reinankentatar mit Knusperschuppen, Terlaner Weinsuppe und Dillöl. (c) Anna Burghardt

Gäste verloren, Gäste gewonnen. Die Umstellung 2012 war nicht leicht: Statt lediglich den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und beim Spitzengastronomie-Versorger Rungis Express eine Bestellung durchzugeben, musste Niederkofler erst einmal in seine Gummistiefel steigen und Südtiroler Bauern besuchen. Musste sie überzeugen, eigens für ihn vergessene Gemüsesorten anzubauen, Lämmer jünger zu schlachten als bisher, Hühner anders zu füttern. Sein Küchenteam musste auf den neuen Weg eingeschworen werden – schließlich arbeitet es sich mit einem grätenreichen Hecht deutlich anders als mit dem Bequemfisch Seezunge. Und auch die Gäste des St.  Hubertus, an eine internationale Luxusküche gewohnt, mussten erst überzeugt werden. „Wir haben Gäste verloren und Gäste gewonnen. So wie wir durch die Umstellung Zutaten verloren und neue gewonnen haben.“ Mit dem dritten Stern sollte sich übrigens die Gästestruktur schlagartig ändern: „Am Tag nach der Verkündung hatten wir über 400 Reservierungsanfragen aus der ganzen Welt, hauptsächlich aus Amerika und Asien, die ja weit fliegen müssen. Ein Gast ist aus New York hergeflogen, hat bei mir gegessen und ist wieder zurückgeflogen.“ Ein Sternesammler.

Eines der Argumente der „Michelin“-Juroren war, so erfuhr Niederkofler, dass nicht wenige seiner Schüler heute selbst Sterneköche sind. „Das ist mir dann erst richtig bewusst geworden. Und es ist ein gutes Gefühl, dass das, was ich den Jungen vorgelebt habe – mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben, sich selber stetig anzuzweifeln – auf fruchtbaren Boden gefallen ist.“ Von „seinen“ jungen Köchen und Köchinnen fordert er einiges, „ich lasse sie nicht nur im Keller Kräuter zupfen“ (was man als Anspielung auf so manches weltberühmte Lokal verstehen darf). „Du kriegst heute Curricula, angesichts derer man beim ersten Hinschauen sagen müsste: Nimm du den Schlüssel der Küche, ich kann da nicht mithalten. In Wirklichkeit sind es aber zwar zwei Monate Noma, drei Monate Amass, zwei Monate Central (Toplokale in Dänemark bzw. Peru, Anm. d. Red.) – aber: von Kochen keine Ahnung. Das ist ein Problem.“ Dass junge Köche im T-Shirt am Herd stehen, weil Kochsein als sexy gilt, findet Niederkofler nicht gut. „Man darf die Kochtradition nicht mit Füßen treten.“ Und er gibt zu bedenken: „Fernsehkoch und Koch sind zwei unterschiedliche Berufe.“

Radius. Alle Zutaten für das Restaurant ­St. Hubertus kommen aus dem nahen Umkreis.
Radius. Alle Zutaten für das Restaurant ­St. Hubertus kommen aus dem nahen Umkreis.(c) Daniel Töchterle

Durch die Welt. Norbert Niederkofler selbst, im Ahrntal, Italiens nördlichstem Tal, aufgewachsen, ist in jungen Jahren viel in der Welt herumgekommen. „Ich habe dafür einfach den Kochberuf genützt.“ Zurück in den Bergen Südtirols, fehlten ihm irgendwann seine auf der ganzen Welt verstreuten Kochfreunde. Um sie wiederzusehen, begründete Niederkofler die Veranstaltungsreihe „Chef’s Cup“, die freilich irgendwann zu groß werden sollte. „Da haben dann dauernd Leute an meinem Ärmel gezupft, die ich noch nie gesehen habe. Und ich wollte Inhalte machen.“ Gemeinsam mit Paolo Feretti rief er „Care’s – The Ethical Chef Days“ ins Leben. Vortragende aus der ganzen Welt, etwa Massimo Botturas Frau Lara Gilmore, diskutieren in diesem Rahmen, so etwa im heurigen Jänner in Alta Badia, über Themen wie Food Waste. Was sagt Norbert Niederkofler eigentlich heute über Care’s? „Ich möchte es wieder schrumpfen.“

Die Reise nach Südtirol wurde von Care‘s The Ethical Chefs Days ermöglicht.

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