Teheran auf dem Teller – oder: Die Suche nach Geheimrezepten

Parvin Razavi wurde erst auf Umwegen Köchin – und Kochbuchautorin.
Parvin Razavi wurde erst auf Umwegen Köchin – und Kochbuchautorin.(c) Clemens Fabry
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Die Wienerin Parvin Razavi hat viele Kultspeisen aus dem Iran zusammengetragen. Das setzte einen kleinen emanzipatorischen Prozess voraus.

Viele von den Attributen, die man gemeinhin mit Teheran verbindet, stören die Liebhaber der iranischen Metropole ungemein. Da wären die Bilder von den schwarz verschleierten Frauen, wütende Gesichter, Demonstrationen, Bilder, die allgemein ein Land in der Geiselhaft religiöser Machthaber zeigen. Nicht, dass das alles weit hergeholt wäre. Aber Parvin Razavi sagt: „Teheran ist die Stadt der Galerien, Museen und der Cafés. Pulsierend, traditionell, modern. Die Stadt bietet so viel.“

Was ihre Geburtsstadt aber eher nicht biete, erzählt Razavi weiter, sei eine lebendige Restaurantszene, die sei leider nicht sehr inspirierend. Suboptimal für eine Köchin, die wochenlang im Land unterwegs war, um der Teheraner und somit iranischen Küche auf den Grund zu gehen. Aber auch nicht elementar: Die besten Rezepte haben immer noch die Tanten, die traditionellen Bäckereien, die Konditoreien, die Kochnischen in den hinteren Ecken. „Es ist“, sagt Razavi, „das Land der geheimen Familienrezepte.“

Und ebendiese Zubereitungen hat die Wienerin mit persischen Wurzeln in ihrem Kochbuch „Teheran. Die Kultrezepte“ zusammengetragen. „Ich möchte Teheran in die Metropolen der Welt einreihen“, sagt sie rückblickend über ihr Projekt. In dieselbe Reihe wie New York, Tokio, Barcelona oder Istanbul, Städte, deren Kultrezepte schon, nun ja, Kult sind.

Als in Razavis Kopf die Idee für das Kochbuch reifte, erlebte der Iran nach dem in Wien abgeschlossenen Atomabkommen einen kleinen Frühling. Problemlos ging die Realisierung vor Ort dennoch nicht vonstatten: Sie und ihre Fotografin hätten viel um Verständnis werben müssen. Zwei Frauen, die alleine durchs Feld ziehen und einem kreativen Projekt nachgehen – das setzte einen kleinen emanzipatorischen Prozess voraus. Und dass ein Foto für ein aufwendiges Buchprojekt nicht mit ein, zwei Schnappschüssen erledigt ist, das hat Razavi auch des Öfteren erklären müssen. „Kreativität“, sagt sie, „wird nicht als Beruf empfunden. Viele Künstler haben erst einmal was anderes studiert.“

Sie selbst im Übrigen auch. Aufgewachsen in Döbling, hat sie sich nach der Matura für Soziologie inskribiert, ein paar Semester zumindest; denn von der Idee, eine Hotelfachschule zu besuchen, sind die Eltern nicht arg begeistert gewesen. Erst über Umwege machte Razavi ihre Herzensangelegenheit zum Beruf. Sie startete Koch- und Ernährungsblogs, landete in Funk und Fernsehen. „Vegan Oriental“ hieß ihre erste Rezeptsammlung. Derzeit arbeitet sie selbstständig – und holt ihre Kochlehre nach.

Die durchsichtige Trennlinie

Seit Mitte der 1980er-Jahre lebt die Familie von Parvin Razavi in Wien: „Ich bin das Kind politischer Flüchtlinge.“ Teheran bleibt sie aber tief verbunden, auch wenn seit ihrer Flucht bis zu ihrem nächsten Besuch – es war für das Kochbuch – zwei Jahrzehnte vergehen mussten. Ihr Ziel sei es, die Stadt in ihren vielen Facetten darzustellen, vielleicht auch von der durchsichtigen Trennlinie zu erzählen, zwischen dem traditionellen Süden und dem reichen, modernen Norden. „Der Süden ist das Moloch, das Tal, in dem sich alles fängt, das alte Teheran, traditionell, aber religiös.“ Und dennoch sei hier mehr Authentizität, mehr Geschichte zu finden als im Norden, wo die Luft besser und die Gebäude schicker sind.

Richtig lebendig und abwechslungsreich sei indessen die Küche am Kaspischen Meer, resümiert die Köchin; davon habe sie sich freilich auch inspirieren lassen. Und was die fade Lokalszene in Teheran betrifft: Da zeigt sich Razavi optimistisch, es entwickle sich langsam. Mit stetigen Einschränkungen, denn vom vorhin erwähnten iranischen Frühling ist kaum etwas übrig. Das Land kämpft gegen eine handfeste Wirtschaftskrise, Lebensmittel sind teurer geworden.

Razavi bedauert das, und auch, dass sich die Lokallandschaft mit der langsamen Modernisierung verwestliche – und auf das eigene, ursprüngliche vergessen würde. „Schmor- und Reisgerichte lassen sich nicht unbedingt fancy anrichten“, sagt sie. Dabei zeigt sie, dass genau das möglich ist.

ZUR PERSON

Parvin Razavi wurde 1978 in Teheran geboren, ihre Familie flüchtete nach der Islamischen Revolution nach Wien. Seit mehr als fünf Jahren widmet sich Razavi dem Kochen: Nach Blogs, Fernsehauftritten und Kochshows erschien 2015 ihre erste Rezeptesammlung „Vegan Oriental“. Heuer veröffentlichte sie: „Teheran. Die Kultrezepte.“ Christian Verlag. (272 Seiten, 29,99 Euro). Für das Buch reiste die Autorin nach 20 Jahren erstmals wieder in den Iran.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2018)

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