Ein Himmel voller Bäume

Die Deutzie wird auch Maiblumen- strauch genannt.
Die Deutzie wird auch Maiblumen- strauch genannt.(c) Ute Woltron
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Es freut uns Gärtner, wenn alles herrlich wuchert wie in diesem Frühjahr. Manchmal wird es zu viel des Guten, und man träumt schon im Juni vom herbstlichen Befreiungsschlag.

Neulich saß die engere Nachbarschaft wieder einmal gegen sechs Uhr früh um den Kaffeetisch. Das gärtnernde Volk steht bekanntlich gern zeitig auf, sonst wird der Tag zu kurz, auch wenn er im Juni lang ist. Die morgendliche Besprechung huschte wie üblich nur flüchtig über das Politgeschehen, welches sogleich als zu verdrießlich für den Einstieg in einen solchen Prachttag erachtet wurde, und landete dort, wo es immer landet, egal, zu welcher Jahreszeit, beim Kompost.

Der untere Nachbar – berühmt für seine Aversion, die zahlreichen Komposthaufen seines Latifundiums umzusetzen und durchzuwerfen – gab bekannt, er habe eben die besten aller Kompostcontainer erworben und gedenke, diese heute aufzustellen. Sie seien unverwüstlich, präzise gearbeitet, leicht zusammenzustecken – und vor allem erfreulich voluminös. Ein leerer Kompostcontainer ist etwas Herrliches, und in großen Gärten, in denen ununterbrochen massenhaft Biomasse anfällt, ist er sehr, sehr selten.

Langsam wird es eng

Wir anderen schauten uns verstohlen an, schließlich traute sich der andere Nachbar, ein berüchtigt konsequenter Kompostdurchwerfer, über die eigentlich wesentliche Frage, was denn mit dem Inhalt der alten Container passiert wäre. Nichts, bekannte der untere Nachbar nach einer fast unmerklichen Pause, die würden wohlgefüllt vor sich hin kompostieren. In der Zwischenzeit stelle er die neuen einfach daneben auf. Im Herbst sei immer noch Zeit für die Drecksarbeit. Wir scheiterten zwar am Versuch, die Anzahl seiner bestehenden Komposthaufen zu errechnen, hatten aber Spaß an der Vorstellung, wie das Nachbargrundstück in ein paar Jahren ausschauen könnte, wenn das mit den aneinandergereihten Containern so weitergeht.

Die oberen Nachbarn haben andere Sorgen. Sie sehen den Himmel nicht mehr. Vor lauter Bäumen natürlich, und nach diesem grandiosen, feuchten und dem Wachstum so dienlichen Frühling ist die Vegetation unglaublich in die Höhe und Breite geschossen. Der Nachbar bekannte, er habe bereits Träume, in denen er, in jeder Hand eine Kettensäge schwingend, lustvoll für Durchlichtung sorge. Wer einen Blick in Richtung Wetterseite tun will, muss mittlerweile zu mir herüberkommen. Doch auch hier wird es langsam eng und schattig.

Während jedoch die früh blühenden Sträucher jetzt nicht nur zurückgeschnitten werden können, sondern sogar unbedingt gestutzt werden sollten, damit sie im nächsten Jahr wieder reichlich Blüten treiben, muss der radikalere Befreiungsrückschnitt der zu hoch gewordenen Bäume und spätblühenden Sträucher bis zum Herbst warten. Die anfallenden Biomassen wären niemals zu bewältigen, wohingegen entlaubte Äste, fein gehäckselt, einen hervorragenden Mulch spenden.

Apropos Blütensträucher

Eine vor etwa acht Jahren als Kolkwitzie erworbene Pflanze – ewig kümmerlich und blütenlos, obwohl jährlich sorgfältig zurechtgestutzt – blüht heuer erstmals in anmutigem Reichtum. Rosaweiß und porzellanzart. Sehr schön. Bei näherer Betrachtung erwies sich jedoch, dass es sich nicht um eine Kolkwitzie, sondern wieder einmal um ein von einem Gartencenter falsch beschriftetes Gewächs handelt. Die Kolkwitzia ist tatsächlich eine Deutzie, auch Sternchen- und Maiblumenstrauch genannt.

Das erklärt auch, warum sie so lang nicht gedieh. Deutzien brauchen viel Licht, ja volle Sonne und einen nicht zu trockenen Boden, um Blüten zu entwickeln. Die Feuchtigkeit hat sie heuer dank des vielen Regens ausnahmsweise gekriegt, die volle Sonne wird ihr erst nächsten Frühling nach dem Rückschnitt der Umgebung zuteil. Und die Deutzie selbst will, so die Fachliteratur, eigentlich gar nicht oder nur notfalls gestutzt werden.

Die aparte Vertreterin der Familie der Hortensien wächst langsam, und sie trägt ihre Blüten am mehrjährigen Holz. Meine aufmunternden und nur vermeintlich wachstumsfördernden Schnitte waren also komplett daneben. Maiblumensträucher bleiben eher niedrig, was sie für kleine Gärten zum idealen Ziergehölz macht. Sie blühen von Mai bis Juni in atemberaubender Fülle, meist weiß, doch gibt es auch rosa bis dunkelrosa Sorten.

Überhaupt – Blütensträucher, wie praktisch sind die! Wer sich die viele Arbeit des Staudenbeetanlegens und -pflegens nicht antun will oder zu wenig Zeit dafür hat, kann in diesem Pflanzenreich aus dem Vollen schöpfen und ein Gärtchen anlegen, in dem, mit ein wenig Planung und Überlegung fast rund ums Jahr irgendwo irgendetwas blüht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2017)

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