Gartenkralle

Die erste und letzte Blume

Die Schneerose ist in vielen Gärten auch im Winter anzutreffen.
Die Schneerose ist in vielen Gärten auch im Winter anzutreffen.(c) Ute Woltron
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Die Christrose, auch Schneerose oder Nieswurz genannt, blüht oft schon im Winter und ist der Beweis dafür, dass ein Garten selbst in frostigen Zeiten nicht ohne Blumen auskommen muss.

Es ist eine schöne alte Sitte, wenn sich Leute, die einander mögen, gegenseitig kleine Sträuße aus Schneerosen schenken. Traditionellerweise mit ein paar dunklen, harten Schneerosenblättern als befestigendem Trichter um die zarten weißen Blütensterne gewunden. Mit diesen Schneerosegebinden eilen die Menschen froh durch ihre verschneiten Gärten und klopfen an Nachbartüren. Oft passiert ein gegenseitiges Schneerosenaustauschen, gewissermaßen über die Zäune hinweg. Mit den Blumen wird nicht nur der Nachbar, sondern wird das Wunder des alljährlichen Neubeginns begrüßt, auch wenn das im Fall der Schneerosen mitten im Winter zu bestaunen ist.

Denn die Christ- oder Schneerosen sind die ersten und letzten Blüten des Jahres. Sie blühen so gut wie immer, wenn der Schnee liegt, in warmen Wintern oft schon im Dezember – und es ist ein eigenartiger und irgendwie berührender Anblick: Mitten in Eis und Frost treibt ein kleines Gewächs völlig unberührt von der Kälte wunderhübsche Blüten. Eine besonders frühe Sorte ist Helleborus niger praecox, die immer bereits lang vor Weihnachten ihre Blütensterne öffnet. Die Schneerose, Helleborus niger, hat mit den echten Rosen natürlich nichts zu tun. Sie ist vielmehr ein Hahnenfußgewächs, das nach der letzten Eiszeit vor etwa 20.000 Jahren den Weg aus ihrer Heimat Asien nach Europa gefunden hat. Die wilde Schneerose ist heute in der freien Wildbahn nur noch selten zu finden und gilt als geschützte Pflanze. In Kloster- und Bauerngärten wurde sie jahrhundertelang als besondere kleine Kostbarkeit gehegt und gepflegt.


Streng verboten.
Damals grub man sie in den Wäldern aus, was heute natürlich streng verboten ist. Doch seit einiger Zeit erlebt die kleine Schönheit eine Renaissance, sodass Sie sie bereits jetzt Anfang Dezember im Töpfchen und in vielen, zum Teil wirklich aufregenden Sorten zu sich nach Hause holen können, ohne mit Grabschaufel und Rucksack ausgerüstet das Gesetz brechen zu müssen. Die meisten Schneerosen blühen weiß bis cremefarben, es gibt sie aber auch in diversen Rosaschattierungen bis hin zum tiefen Dunkellila. Kombinationen machen sich immer am besten, Schneerosen sollten überhaupt in Horten gepflanzt werden. Die Pflanze ist langlebig und genügsam, sie breitet sich gemächlich aus, wird höchstens 30Zentimeter hoch und eignet sich mit ihrem immergrünen, ledrigen Laub ausgezeichnet als Unterpflanzung für Sträucher, wiewohl für alle Zonen mit lichtem Schatten. Dort kommen im Winter die dunklen Blätter sowie die Blüten voll zur Geltung. Im Sommer schützt das Laub der Sträucher die Pflanzen vor zu großer Hitze. Die Christrose mag es prinzipiell eher kühl und bevorzugt nahrhafte, kalkhaltige Böden, die keinesfalls staunass sein dürfen.

Auch Leute ohne Garten können sich an ihren winterlichen Blüten freuen, wenn sie die Pflanze im Topf ziehen. Dieser sollte jedoch eher groß und vor allem tief sein, denn die Christrose ist eine Tiefwurzlerin. Sie können sie auch für eine Weile im Innenraum im Topf aufs Fensterbrett stellen, so lang, bis sie abgeblüht ist. Je kühler sie steht, desto länger blüht sie, und sobald der Boden draußen nicht mehr gefroren ist, wird sie im Freien ausgepflanzt.


Wie es zu dem Namen kam.
Angesichts der ursprünglich weißen Blüte darf man sich fragen, wie es zur Namensgebung Helleborus niger kam. Das ist einfach erklärt: Die Wurzel der Schneerose ist schwarz und wurde in früheren Zeiten getrocknet und zermahlen als Niespulver verwendet, woher der ebenfalls noch gebräuchliche Name Nieswurz stammt. Im Gegensatz zu anderslautenden Informationen ist die Schneerose jedoch in allen Pflanzenteilen giftig, das Schneerosenwurzelpulverschnupfen ist also nicht unbedingt eine empfehlenswerte Variante der Nasensäuberung. Dennoch wurde die Schneerose lange Zeit als Arzneipflanze verwendet, denn „allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist“, wusste bereits Paracelsus. Zwischenzeitlich ist man davon aber abgekommen. Lang vor Paracelsus, behauptet die Legende, nutzte auch Solon, der alte Hellene, die stark abführende Wirkung der Nieswurz für ganz andere als heilende Zwecke.

Als er mit seinen Truppen im Jahr 600 v. Christi Geburt die Stadt Kirrha belagert hat, soll er das Bächlein, das die Stadtbewohner mit Trinkwasser versorgt hat, so lang mit Helleborus-Pulver gewürzt haben, bis die Belagerten allesamt von Durchfällen und anderen Zuständen so geschwächt waren, dass sie sich nicht nur über-, sondern auch ergeben mussten. Am besten also, sie erfreuen sich nur an ihrem Anblick, der im Winter heilsam genug ist.

Lexikon

Schneeweiß. Eine besonders schöne neuere Sorte ist beispielsweise Helada mit extragroßen schneeweißen Blüten und tiefgelben Staubgefäßen.

Rubinrot. Obwohl die meisten Schneerosen weiß, ins Hellrosa spielend, oder sehr dunkellila sind, gibt es noch eine ganz ausgefallene Sorte mit leuchtend rubinroten Blüten. Und diese Blüte heißt sehr treffend Rubra.

Rosa. Manche Züchtungen haben der Schneerose auch wie Rüschenröckchen gefüllte Blüten verpasst, wie etwa der rosa gefärbten und noch dazu mit Pünktchen verzierten Sorte namens Rock'n Roll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2017)

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