Gartenkralle

Koexistenz mit Pelzen

Viele Zimmerpflanzen können für Katzen giftig sein.
Viele Zimmerpflanzen können für Katzen giftig sein.(c) Ute Woltron
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Von giftigen und ungiftigen Zimmerpflanzen und dem fast, aber nicht immer friedvollen Zusammenleben von Mensch und dem schnurrenden unter den Pelztieren.

Selbst bei gründlicher Überlegung fällt mir kein einziger Moment ein, in dem auf diesem Grundstück nicht zumindest ein Tier als bedeutendes Mitglied des hiesigen Clans erachtet wurde. Legendäre Hunde und diverse Katzenpersönlichkeiten haben ihre Pfotenspuren in der kollektiven familiären Erinnerung hinterlassen, und selbst unter den Wellensittichen und Kanarienvögeln gab es so eigenwillige Vertreter, dass man ihrer auch Jahrzehnte nach ihrem Ableben noch mit warmer Zuneigung gedenkt.

Neben den sogenannten Haustieren bevölkerte die übliche ländliche Nutztierriege das Areal: Hühner, Forellen, Bienen. Kurzum, die Koexistenz mit Tieren, fast immer gleich mit mehreren, war zeitlebens eine Selbstverständlichkeit, und auch die wilden gehörten dazu. Ringelnattern, Igel. Singvögel sowieso. Vor allem aber die Hunde und die Katzen waren wichtig, denn sie brachten uns viel bei.

Jeder kleine Mensch kann sich glücklich schätzen, der durch diese Schule der Demut gehen darf. Tiere sind kein Spielzeug, sondern anspruchsvolle Spielkameraden im Pelz. Jede Aktion, das lernten wir quasi schon als Krabbelkinder, zieht eine unmittelbare Reaktion nach sich, und wenn man mit einem Hund oder einer Katze wirklich auf Du und Du befreundet sein will, muss man ihre Sprache sprechen und sich um diese Freundschaft über lange Zeit hinweg aktiv bemühen.

Hunde zu erziehen ist viel Arbeit, aber einfach. Katzen hingegen sind ausgemachte Individualisten. Den Samtpfoten ihre diversen Unarten abzugewöhnen, wie etwa das beliebte Krallenschärfen an empfindlichen Polstermöbeln, ist mit Konsequenz letztlich aber auch kein Problem.

Auch die derzeit hier wohnende Pelztiertruppe ist wohlerzogen und würde sich niemals erfrechen, auf Tische zu springen oder drinnen Krallen zu wetzen. Vor vier Jahren saßen sie in der nebeligen kalten Halloweennacht mitten auf der Landstraße, ausgesetzt im Niemandsland. Zwei kleine Kätzchen im Scheinwerferlicht. Wahrscheinlich war der dicke Nebel ihre Rettung, denn langsam gefahren ward rechtzeitig abgebremst.

Die beiden Passagierinnen erwiesen sich als gelehriger Glücksgriff und familiäre Bereicherung. Doch nun, vier Jahre später und in die Phase erwachsener Seniorität eingetreten, glaubt eine von ihnen, sich mehr erlauben zu können, als ihr zusteht. In Zeiten des matschigen Gartenbodens – widerlich für samtige Pfoten und nachgerade unzumutbar – sind herinnen die großformatigen unter den Blumentöpfen mit ihrer herrlich weichen Blumenerde verlockende Alternativen, wenn die Natur ruft.

Niemals würde sie sich in meiner Anwesenheit solchermaßen versündigen. Doch wenn ich Maus aus dem Haus bin, geht die Katze nicht durch die Klappe ins Freie, sondern unternimmt ein verbotenes Tänzchen gleich drinnen. Da nur sofortige Maßregelung nach einer derartigen Entgleisung wirkt, bin ich erzieherisch chancenlos. Mit einer derartigen Sauerei kann der Mensch natürlich nicht leben, und deshalb verhindern nun Alufolie und Hasengitter auf den Töpfen, dass wir beide uns entzweien.

Apropos Pflanzen: Freigängerkatzen wie meine zwei werden selten bis nie an den Zimmerpflanzen naschen, weil sie zehnmal lieber draußen zarte Gräserspitzen kauen, wenn sie zu viel Pelz im Bauch haben und die beim Putzen geschluckten Haare via Katzenvomitorium loswerden müssen. Reine Wohnungskatzen hingegen sind auf das im Topf kultivierte oder dekorativ in die Vase gesteckte Grünzeug zurückgeworfen, und in ihrem Fall ist tatsächlich Vorsicht geboten.

Viele Zimmerpflanzen sind erstaunlich giftig – übrigens auch für Menschen, was an dieser Stelle demnächst genauer expliziert wird. Doch für Katzen sind manche tödlich. An erster Stelle der von Veterinärmedizinern regelmäßig veröffentlichten Statistik der Katzenvergiftungen rangiert stets die Lilie. Die schöne Schnittblume ist für die Pelze so giftig, dass selbst Körperkontakt mit den Staubgefäßen lebensgefährlich ist, wenn die Katze anschließend beim Putzen den Blütenstaub mitschleckt.

Auch das Wasser in der Lilienvase ist wenig bekömmlich – kurzum, im Revier von Wohnungskatzen sollte man von Lilienbouquets Abstand nehmen. Im Frühling, wenn die Majestäten das Pelzkleid wechseln, steigt ihr Bedürfnis nach Grünem, und wer jetzt schon Katzengras – oder eigentlich besser Katzengrünzeug – ansät, macht ihnen in ein paar Wochen damit große Freude. Am einfachsten und schnellsten funktioniert das mit Gerste, Roggen, Weizen, Hirse, Hafer, Sesam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2018)

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