Gartenkralle

Ein Häuschen für die Erdgeister

Vor jedem Menschenhaus steht ein sogenanntes Geisterhaus.
Vor jedem Menschenhaus steht ein sogenanntes Geisterhaus.(c) Ute Woltron
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Die Frage, wem Land tatsächlich gehört, stellt man hierzulande nicht, anderswo schon.

Mit rund 150.000 Quadratmetern Bodenversiegelung pro Tag (Stand 2016) ist Österreich Europas gierigster Bodenverbraucher. Im Jahr 2002 hatte man sich zwar auf eine Reduktion dieser Fläche auf 2,5 Hektar geeinigt, passiert ist wenig. Aus diesem Grund laufen seit Ende vergangenen Jahres neu angefachte Gespräche mit Fachleuten, ein Bericht soll Anfang 2019 folgen, vielleicht gibt es danach sogar so etwas wie eine verbindliche Raumplanung, die diesen Namen auch verdient.

In Asien ist man zwar ebenfalls nicht zimperlich, was das Be- und Verbauen und somit Vernichten von Freiflächen anlangt, doch herrscht vor allem in den ruralen Gegenden zumindest ein anderer Zugang zum Boden, aber letztlich nicht nur dort. In Thailand etwa steht auch in Städten vor jedem Haus ein Geisterhaus. Das aufwendig geschnitzte und verzierte Häuschen hat die Aufgabe, die vormaligen Bewohner des Grundes zu beschwichtigen und mit einer neuen Heimat auszustatten. Das mag unsereiner übertrieben vorkommen, doch dokumentiert das tägliche Schmücken dieser Schreine der Erdgeister Phra Phum, den eigentlichen Besitzern des Platzes, die Hochachtung und Wertschätzung der Natur und damit jener Kräfte, denen wir alle letztlich untertan sind.

Girlanden für Geister

Die Geister werden mit Gaben bei Laune gehalten, mit Blumengirlanden, Kerzen, Räucherstäbchen, kleinen Erfrischungen und Mahlzeiten, auch von Leuten, die eigentlich weniger an Geister, als an die vor der Größe und Schönheit der Natur angebrachte Ehrerbietung glauben. Derlei Gedankengut könnte unsereiner nicht schaden, man könnte sogar behaupten, jeder gut bepflanzte Garten stelle eine Art Schrein dar, für die Naturgeister, die Vögel, die Insekten, denen wir ein Stückchen ihres Habitats weggenommen, doch in anderer Form teilweise zurückgegeben haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2018)

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