Mutter Gottes Gläschen

(c) Ute Woltron
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Die weniger beliebten Windengewächse sind die heimischen Acker- und Zaun-Winden.

Zwei Verwandte der oben beschriebenen Prunkwinden sind hierzulande heimisch, und obwohl beide eigentlich recht hübsch anzuschauen sind, sorgen sie im Stauden- und Gemüsegarten als alles überwucherndes und umschlingendes Un- oder Beikraut eher für Verdruss. Landläufig werden die Windengewächse „Windling“ genannt, doch nicht jeder weiß, dass es sich um unterschiedliche Pflanzen handelt.

Die kleinere Variante der beiden nennt sich Acker-Winde, Convulvus arvensis. Sie trägt spitzere Blätter und blüht zart rosa, mitunter auch bläulich und leicht gestreift in adretter Trichterform. Wie auch die deutlich größere Variante, die Zaun-Winde, Calystegia sepium, die ihrerseits weiß und mit größeren Trichtern blüht, ist der Acker-Winde nur sehr schwer beizukommen. Beide wurzeln bis zu 60 Zentimeter tief, durchdringen auch hartes, trockenes Erdreich bis in jede Ritze und können demzufolge niemals gründlich wurzeltief ausgerissen werden. Sie treiben auch aus geteilten Wurzelstücken fröhlich wieder aus und sind noch dazu winterhart. Die einzige Methode, ihrer Herr zu werden, besteht darin, die oberirdischen Teile möglichst häufig bodennah auszurupfen, um die Pflanze zu schwächen und mit Glück zur Strecke zu bringen. Auf keinen Fall darf sie blühen und Samen werfen, will man nicht im Windling untergehen.

Im Volksmund heißen die Pflanzen mitunter auch „Mutter Gottes Gläschen“, was auf eine Kinderlegende der Gebrüder Grimm zurückzuführen ist. Darin bleibt ein Fuhrmann mit seinem Weinkarren im Schlamm stecken. Die Mutter Gottes kommt vorbei, sieht die Malaise und bietet ihre Hilfe an, wenn sie dafür ein Gläschen Wein bekommt. Mangels Becher befüllt der Fuhrmann die Kelchblüte einer Ackerwinde, die Mutter Gottes lässt es sich schmecken und befreit zum Dank den Karren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2018)

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