Buntes Laub im Hochsommer

Der Birnengitterrost macht sich auf Birnbäumen schon ab dem Frühjahr bemerkbar.
Der Birnengitterrost macht sich auf Birnbäumen schon ab dem Frühjahr bemerkbar.(c) Ute Woltron
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Dieses tragen häufig vom Birnengitterrost gequälte Birnbäume, doch keine Angst, der Rostpilz ist ein vergleichsweise kleines Übel.

Neulich erreichte mich ein digitaler Hilferuf von Florian K.: Sein jüngst gesetztes Birnbäumchen sei krank und er in Sorge. Der Baum zeige seltsame Verformungen auf den Unterseiten seiner Blätter, alienartige Auswüchse in Gelb und Rot. Ob er es etwa fällen müsse? „Auf keinen Fall!“, lautet die Antwort, denn in solchen Fällen handelt es sich um den sogenannten Birnengitterrost, und dieser ist zwar unerfreulich, doch meistens harmlos.

Das Adverb „meistens“ könnte Herrn K., der seinen Lebensunterhalt mit dem Verfassen von Investigativartikeln verdient und deshalb linguistischer Präzision anhängt, nun doch beunruhigen. Deshalb folgt hier eine in die Tiefe schürfende Erklärung. Der Birnengitterrost ist eine verbreitete Pilzerkrankung, die sich auf vielen Birnbäumen schon ab dem Frühjahr mit Blattflecken bemerkbar macht. Tatsächlich ist der Schädling ein hochinteressanter Fall eines wirtswechselnden Pilzes. Denn der Falott besiedelt wechselweise exotische Vertreter der Gattung Wacholder und Birnbäume. Seit chinesische Varianten des Juniperus, allen voran Juniperus sabina, der Sadebaum, und Juniperus media, der Pracht- oder Kriechwacholder, in den 1970er-Jahren in und seither leider nie wieder aus der Mode gekommen sind, ist der Birnengitterrost eine verbreitete Plage.

Denn er lebt erst im Wacholder, wo er im Frühjahr ab April wenig appetitliche Verdickungen im Geäst verursacht. Die befallenen Stellen quellen auf, verfärben sich von Braun zu Gelb und sondern bei hoher Luftfeuchtigkeit auch gallertige, mitunter mit Harz verwechselte Substanzen ab. Aus diesen eigenartigen Auswüchsen, die nichts anderes als die Sporenlager des Pilzes sind, entweichen schließlich die Pilzsporen und lassen sich vom Frühlingswind auf die Blätter der Birnen tragen.

Großer Radius

Wie groß der Flugradius der Sporen ist, darüber herrscht keine Einigkeit, doch einen halben Kilometer reisen sie mit Sicherheit durch die Lüfte, möglicherweise auch weiter, wenn es heftiger windet. Deshalb nützt es Herrn K. auch nichts, wenn er empört aufschreit, er habe doch gar keinen Wacholder, denn, wenn nicht er, dann hat einen solchen sicher ein Nachbar in weiterer Umgebung.

Sind die Sporen glücklich auf dem neuen Wirt, der Birne, gelandet, durchdringen sie die Blattoberseite und machen sich im Inneren breit. Ab der Blütezeit tauchen schon die ersten Anzeichen dafür auf, in Form besagter gelb-roter Flecken. Anfangs klein, können sie über den Sommer das ganze Blatt überziehen, sodass schwer befallene Birnbäume bereits im Spätsommer in absonderlichen gelb-roten vorherbstlichen Farbspielen leuchten.

Nun folgt, um der Neugier Genüge zu tun, auch noch die Erklärung für den Namen des Pilzes: Bis in den Herbst entwickelt er sich zu seinem zweiten Stadium, das sich in den Auswüchsen an den Blattunterseiten zeigt. Längliche, warzenähnliche Wucherungen bilden sich, und wiederum handelt es sich um die Sporenlager. Wenn diese schließlich reifen, aufreißen und die Sporen freigeben, erfolgt das in gitterförmigen Strukturen, was den Namen Birnengitterrost erklärt.

Der Wind trägt die Sporen sofort munter zum nächstgelegenen Wacholder, macht sich den Winter über in ihm breit, und das Spiel beginnt ab dem Frühjahr von Neuem. Wenn ein noch junger und zudem schwacher Birnbaum massiv befallen ist, kann er allerdings tatsächlich Schaden nehmen. Das ist jedoch selten und nur dann der Fall, wenn der Baum an einem ungeeigneten Platz gepflanzt oder durch andere widrige Umstände vorgeschädigt ist. Einem älteren Exemplar tut er, so sagen pomologisch Bewanderte, nicht wirklich weh, doch kann er die Birnenernte schmerzlich reduzieren.

Apropos schmerzlich: Gegen den Rost ist bislang kein Kraut gewachsen. Fungizide sind langfristig wirkungslos, das Einsammeln des befallenen Laubes im Herbst ebenso. Denn bis dahin hat sich der Pilz längst seinen neuen Wacholderwirt gesucht und wird im Frühjahr wieder aktiv werden. Die einzige Möglichkeit besteht in der Vernichtung aller befallenen exotischen Wacholder der Umgebung, und das dürfte doch eine empfindliche nachbarschaftliche Diskussion hervorrufen.

Strenge Schweizer

In der Schweiz geht man die Sache in einigen Kantonen seit einiger Zeit konkordanzdemokratisch an. Die Eidgenossen sind dazu aufgerufen, im Herbst vom Gitterrost befallene Birnbäume zu melden. In besonders arg gebeutelten Birnenrostgegenden ruft die Verwaltung private Wacholderbesitzer dazu auf, ihre Sträucher zu überprüfen und im Fall einer Infektion umzuschneiden.

Lexikon

Rostpilze. Die Pucciniales bilden innerhalb ihrer 13 Familien an die 7000 Arten, leben hauptsächlich in Blättern, gelegentlich auch Sprossen und befallen je nach Art neben Birnen etwa auch Getreide, Malven, Nadelhölzer.

Birnenkrankheiten. Birnen sind vergleichsweise empfindlich und auf passende Standorte angewiesen, um robust zu bleiben. Die gefährlichste Krankheit, die alle Kernobstarten befällt, ist der Feuerbrand.

Feuerbrand. Er wird nicht durch einen Pilz, sondern ein Bakterium verursacht, befällt Rosengewächse, wie eben Obstbäume und ist hoch ansteckend. Es besteht Meldepflicht! Wenn sich Blätter und Triebe braun oder schwarz verfärben, muss das dringend abgeklärt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2018)

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