Dirndl auf Japanisch

Aus Früchten des Blumenhartriegels bereitet man in Asien Marmeladen, Gelees und Liköre.
Aus Früchten des Blumenhartriegels bereitet man in Asien Marmeladen, Gelees und Liköre.(c) Ute Woltron
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Die asiatischen Blumenhartriegel liefern Früchte, über deren Geschmacksqualitäten man wahrlich streiten kann – und an die sich bisher nur wenige Wagemutige herantrauen.

N.Suzuki hat es sich zu einer Zeit zum Ziel gesetzt, mir, seiner Nachbarin, die kulinarischen Spezialitäten seiner Heimat Japan näherzubringen, als es in Wien noch kein einziges Sushi-Lokal gab. Er wollte unbedingt eine japanische „Schweinerei“ finden, so drückte er es aus, die mein europäischer Gaumen verweigerte. Neben den üblichen Bohnenpasten, über Dampf gegarten Aalen und Seetanggerichten servierte er dann auch kompottartige Speisen aus Quallen und andere Absonderlichkeiten.

Ich aß alles. Sogar Seeigel aus der Dose. Was er allerdings niemals kredenzte, waren die Früchte der japanischen Variante des Hartriegels. Damit, das weiß ich seit gestern – er hingegen ist in den Weiten dieser Welt verschollen und wird es nie erfahren – hätte er mich in die Knie gezwungen.

Der japanische Blüten- oder Blumenhartriegel Cornus kousa ist ein großer Zierstrauch. Im Sommer bezaubert er mit einer Fülle wunderschöner Blüten, die wie Schmetterlinge auf den Zweigen wippen. Im Herbst entwickelt er daraus karmesinrote Früchte. Sie hängen wie Weihnachtskügelchen an langen Stielen am Strauch. Aus diesen, so ist in der Literatur nachzulesen, bereitet man in Asien Marmeladen, Gelees und Liköre zu.

Mit heurigem Jahr hat der Exot in meinem Garten endlich eine ansprechende Größe erreicht, er hat prächtig geblüht und steht nun im Herbst über und über mit besagten karmesinroten Kügelchen behängt da. Die Ernte belief sich immerhin auf ein halbes Kilo Früchte. Laut Rezeptur kochte ich sie mit einer entsprechend kleinen Menge ebenfalls frisch geernteter Äpfel, Zitronensaft und etwas Zucker ein.


Die Pracht verblasst schnell. Im Kochtopf verblasste die Prachtfarbe der Früchte sofort zu einem Graubraun, doch das beunruhigte mich noch nicht. Die Kugeln zerkochten rasch, der Fruchtbrei durfte im Dienste der Mazeration zwölf Stunden ruhen, damit sich die Pektine lösen und später für den Gelierprozess sorgen.

Nach der Rast wurde der Brei durch ein Sieb gestreift, nochmals aufgekocht und abgefüllt. Die Verkostung der Blumenhartriegelmarmelade, die graubraun mehrere Gläschen füllte, war möglicherweise der Moment der größten Niederlage meiner Einkochhistorie. Sie schmeckte widerlich. Bitter und ansonsten völlig frei jeglichen Aromas.

Suzuki hätte damit gewonnen, das steht fest. Doch Recherchen ergaben, dass die verschiedenen Sorten der Pflanze unterschiedliche Geschmäcker hervorbringen. Eindeutig wächst hier die falsche Sorte für die Kulinarik. Welche jedoch die richtige wäre, darüber herrscht zumindest unter europäischen Cornus-kousa-Testern Ratlosigkeit.

Die Schweizer Obst- und Beeren-Baumschule Lubera hat deshalb vor zwei Jahren via Internet einen Aufruf an alle experimentierfreudigen Blumenhartriegelköche gestartet. „Nennen Sie uns die am besten schmeckende Cornus-kousa-Frucht“, so die Aufforderung, der wenige Wagemutige nachgekommen sind. Eine Antwort lautet etwa: „Naja, essbar sind sie schon, die Früchte, aber ehrlich – würden Sie meilenweit dafür gehen? Ich nicht.“

Vielleicht werden Tester unter den Sorten der chinesischen Hartriegel-Variante Cornus kousa var. chinensis eher fündig. Ganz sicher jedoch erfüllt zumindest die europäische Hartriegel-Cousine Cornus mas, besser bekannt unter dem Namen Kornelkirsche oder Dirndl, alle Ansprüche verwöhnter Gaumen.

Die Dirndln befinden sich derzeit allerorten im Stadium optimaler Reife, die Saison ist fast schon vorbei, also hurtig an die Waldränder geeilt und Dirndln geerntet. Die kleinen ovalen Früchte sind bereits schwarzrot und fallen in Massen von den Sträuchern. Schnell ein Leintuch darunter aufgebreitet, die Äste gut abgeschüttelt und rein in den Marmeladekochtopf mit ihnen.

Mit ein wenig Vanille und Zitrone veredelt und durch die Flotte Lotte gedreht oder durch ein Sieb gedrückt schmeckt die Dirndlmarmelade köstlich, und es ist zumindest fraglich, ob auch die beste Cornus-kousa-Sorte hier je wird mithalten können. Doch vielleicht hat jemand von Ihnen andere Erfahrungen gemacht? Welcher unter den Blumenhartriegeln liefert die besten Früchte? Auf Ihre Erkenntnisse, Erfolge oder Niederlagen freut sich ute.woltron@diepresse.com.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2018)

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