Schüttelkrankheit: "Volltreffer, Sie haben Parkinson"

Schuettelkrankheit Volltreffer haben Parkinson
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20.000 Menschen leiden in Österreich an der sogenannten Schüttelkrankheit – Tendenz stark steigend. Der Münchner Gerhard Schumann versucht seit drei Jahren, mit Humor und Kreativität mit der Diagnose umzugehen.

Den ersten Verdacht schöpfte Gerhard Schumanns Frau. Sie stieß auf einen alten Zeitungsartikel über Michael J. Fox, der über den Verlauf seiner Krankheit sprach: Parkinson. „Das liest sich so, als ob der Gerhard von sich erzählen würde“, habe sie gesagt – und dann darauf bestanden, dass er sich von einem Facharzt untersuchen lasse. Dieser ließ ihn eine Schnecke zeichnen, beobachtete seine kleine Schrift. Und bestätigte dann die Befürchtungen: „Volltreffer, Sie haben Parkinson“, habe er zu ihm gesagt, erzählt der 45-Jährige.

Das war vor drei Jahren. Heute hat er gelernt, mit der Krankheit umzugehen – in seiner Familie gibt es schon einige Running Gags. „Sitzen wir bei Kaffee und Kuchen, sagt immer einer meiner Söhne: ,Papa, schlägst du die Sahne? Dich strengt das nicht an‘“, erzählt Schumann. Oder sie fragen ihn: „Warum zitterst du schon wieder? Es ist doch gar nicht kalt draußen.“ Humor habe ihm auch geholfen, die Diagnose zu verkraften. Auf die Botschaft seines Arztes habe er geantwortet: „Muss ich mir jetzt vorstellen, dass ich zappelnd wie der Papst im Rollstuhl sitze und vom Balkon winke – oder was sind meine Perspektiven?“

Seine Perspektiven waren: verlangsamte Bewegung, Zittern, Steifheit der Muskulatur – vor allem im Gesicht. Morbus Parkinson ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. Ausgelöst wird sie durch ein kontinuierliches Absterben von Dopamin produzierenden Nervenzellen im Gehirn. Es kommt zu einem Mangel am Botenstoff Dopamin, der die Feinabstimmung der Bewegungsabläufe steuert. Die Ursache dafür ist nicht bekannt. Und auch wenn die Krankheit mittlerweile gut behandelbar ist – heilbar ist sie nicht. Gut 20.000 Menschen leiden in Österreich daran, die Tendenz ist steigend. Meist tritt sie in den frühen 60ern der Betroffenen auf, zwischen Männern und Frauen ist sie etwa gleichmäßig verteilt.


„Du wirst Hilfe brauchen.“ Trotz all des Humors: Auch Schumann musste erst die Diagnose verkraften. „Sobald ich aus der Klinik raus bin, zurück bei meinem Auto auf dem Parkplatz – da habe ich mich erst mal hingestellt und geheult“, erzählt er. Denn er habe in seinem Leben immer gern alles alleine auf die Beine gestellt. „Und das war der erste Moment, in dem gewusst habe: Du wirst nicht mehr alles alleine schaffen. Du wirst irgendwann Hilfe brauchen.“ Dann habe er seine Frau angerufen und ihr die Diagnose mitgeteilt, die sie schon eine Zeit lang vermutet hatte.

Denn der Weg zur Klarheit über seine Krankheit war ein langer. Er war 42 Jahre alt, als er plötzlich kleinere Schritte machte und sein rechter Arm nicht mehr mitschwang. Dann kamen die Schmerzen im rechten Unterarm – und der erste Arztbesuch. Die erste Diagnose hieß Tennisarm, dann Kalkschulter. „Das ist typisch“, meint Schumann. „Ich hatte ganz viel mit Parkinson-Erkrankten zu tun. Und die erzählen alle, dass sie mindestens ein Jahr von Arzt zu Arzt liefen, bis irgendjemand Parkinson feststellte.“ Vor allem bei jungen Menschen würden Ärzte Parkinson ausschließen – und erstmal viele andere Krankheiten vermuten.

Verdrängen, verdrängen, verdrängen.Als dann schlussendlich feststand, dass Schumann an Parkinson erkrankt war, las sich seine Frau ein und recherchierte. „Ich habe im gleichen Atemzug die Krankheit einfach nur verdrängt, verdrängt verdrängt.“ Als Automobilverkäufer arbeitete er 60 Stunden die Woche, mit der Krankheit habe er sich nicht beschäftigt – und ernst genommen auch nicht. „Das war der ganz große Fehler.“ Denn etwa ein halbes Jahr danach kam der Zusammenbruch.
Zuerst gelähmt, dann hyperaktiv. Schumann war wie gelähmt, antriebslos. Er wurde in eine Klinik eingewiesen, bekam Medikamente. Die machten ihn wiederum hyperaktiv: Er lief von einer Party zur nächsten, war als Erster dort und als Letzter zu Hause. „Aber sowas hält der Körper auch nur eine gewisse Zeit aus – und eine Partnerin ebenso.“ Dann sei er auf andere Medikamente umgestiegen, mit weniger Nebenwirkungen. „Seitdem kann ich mich besser kontrollieren.“ In seiner hyperaktiven Phase habe er aber auch einen Kreativitätsschub bekommen. „Ich habe ein Buch geschrieben („Leben mit der Pechkrankheit“, Magic Buchverlag, 15,90 €) und mit der Fotokunst begonnen.“ Jetzt organisiert er Ausstellungen und hält auch Lesungen bei Selbsthilfegruppen. „Ich sehe es als meine zweite Lebensaufgabe, die Leute über Parkinson aufzuklären.“

Denn es sei eine Krankheit der tausend Gesichter: Der eine humpelt, der andere kann einen Arm nicht mehr bewegen. „Viele haben geglaubt, dass ich Alkoholiker bin – weil ich so seltsam gehe.“ Dann habe er begonnen, aktiv auf die Menschen zuzugehen und von seiner Krankheit zu erzählen – „egal, ob sie es hören wollten oder nicht“. Auch das ist eine Art der Therapie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2012)

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