Koloskopie: Fragen Sie den Arzt nach Zertifikat

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Am 6. November behandelt ein Symposium in Wien die Qualitätssicherung bei der Vorsorge-Koloskopie. In Österreich besitzen weniger als 50 Prozent aller durchführenden Ärzte ein Gütesiegel.

Angst ist es, die viele Österreicher vor einer Koloskopie zurückschrecken lässt – nur zwölf Prozent aus der Risikogruppe (Menschen über 50, jüngere Personen mit Darmkrebs in der Familie) lassen sich diese Vorsorgeuntersuchung machen. Die ist zum einen eine der effektivsten Präventivmaßnahmen gegen Dickdarmkrebs: In 90 Prozent der Fälle kann so verhindert werden, dass aus einem an und für sich harmlosen Polypen ein Karzinom entsteht. Mehr als 4600 Menschen erkranken jährlich in Österreich an Darmkrebs, für die Hälfte endet diese Erkrankung tödlich.

Sanft oder ohne Schlauch

Zum anderen ist die Darmspiegelung längst nicht mehr so unangenehm wie ihr Ruf. Erstens gibt es die „sanfte“, bei der der Betroffene fast nichts mitbekommt, und zweitens die virtuelle, bei der gar kein Schlauch mehr eingeführt wird.

Allerdings: Die „sanfte“ Koloskopie, bei der der Patient sediert wird, also während des Eingriffs in einer Art Halbschlaf selig schlummert, wird nicht flächendeckend in Österreich durchgeführt, und mitunter lässt auch die Qualität der Untersuchung zu wünschen übrig. „An unserem Projekt der qualitätsgesicherten Darmkrebsvorsorge nehmen nur 44 Prozent aller infrage kommenden Ärzte und Institutionen teil und eigentlich ist es logisch, dass da nur die besseren mitmachen“, vermerkt Monika Ferlitsch, Professorin an der Medizinischen Universität Wien und Mitglied der Arbeitsgruppe Qualitätssicherung der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH), die heute, 6. November, gemeinsam mit dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger zu einem internationalen Symposium zur Qualitätssicherung in der Darmkrebsvorsorge lädt (Anmeldung: ✆ 01/3194378).

Zur Qualität gehört unter anderem die Häufigkeit, mit der Polypen gefunden werden. Ferlitsch: „Internationalen Vorgaben zufolge müssten bei jedem Fünften Adenome, also Polypen mit Entartungsrisiko, gefunden werden. In Österreich werden auch tatsächlich bei 20 Prozent aller koloskopierten Patienten solche Gewächse aufgespürt, aber bei einem Drittel bis der Hälfte der Ärzte liegt die Rate darunter, bei den anderen, also den besseren, darüber.“

Verträge ohne Qualitätskriterien

Bei vier Prozent sind die Untersuchungsgeräte mit Keimen kontaminiert. „Bei 96 Prozent der Ärzte und Institutionen sind die Geräte also steril, aber das sind ja die, die an unserem Projekt teilnehmen, die sich also in die Karten schauen lassen. Aber wie ist das bei jenen 56 Prozent, die beim Projekt nicht mitmachen?“, fragt Ferlitsch. Und wie verhält es sich bei denen mit der Komplikationsrate? Die soll im Falle einer Perforation unter eins zu 1000 liegen, bei den teilnehmenden Ärzten liegt sie bei eins zu 9200 – bei einem von 9200 Patienten kommt es also bei einer Darmspiegelung zu einer Perforation des Darms, meist bei der Abtragung von Polypen. Wie oft aber kommt dies bei Medizinern vor, die keinerlei Meldung machen?

In Deutschland, so Ferlitsch, bekämen nur jene Ärzte eine Koloskopie von den Kassen bezahlt, die gewisse Qualitätskriterien erfüllen. Ferlitsch: „In Österreich werden Verträge ausgegeben, ohne dass auf Qualitätskriterien geachtet wird. Nur in Vorarlberg und im Burgenland ist es anders, da wird nur bezahlt, wenn auch die Qualität nachgewiesen wird.“

Dennoch hat der Patient auch hierzulande eine Möglichkeit, zu eruieren, ob sein Arzt ein guter ist. „Er soll fragen, ob er das Qualitätszertifikat Darmkrebsvorsorge besitzt. Wenn er keines besitzt, ist es überlegenswert, den Arzt zu wechseln“, rät die Expertin. Die von der virtuellen Koloskopie eher abrät: „Es gibt Strahlenbelastung, werden Polypen gefunden, muss erst recht herkömmlich koloskopiert werden. Außerdem werden nur größere Polypen gefunden.“

„Bei kleinen Veränderungen unter sechs Millimeter ist das CT methodisch wirklich nicht ganz so genau“, sekundiert Wolfgang Dock, Leiter des Instituts für Computertomografie an der Confraternität-Privatklinik Josefstadt. Hinsichtlich der diagnostischen Aussagekraft aber seien beide Methoden vergleichbar: „Man findet bei beiden rund 90 Prozent aller Dickdarmpolypen ab einer Größe von sechs Millimetern und etwa 96 Prozent aller bösartigen Dickdarmtumore“, meint Dock und zählt als weitere Vorteile der CT-Kolonografie auf: keine invasive Untersuchung, man ist danach gleich wieder voll da, noch geringere Komplikationsrate und vor allem, „die Leute haben viel weniger Angst davor, weil ja das Einführen des einen Zentimeter dicken und 1,80 Meter langen Rohrs wegfällt.“

Darmkrebs: Männer sind jünger

Und außerdem, ist sich Dock sicher, würde die virtuelle Koloskopie den Gastroenterologen keine Patienten wegnehmen: „Die, die sich jetzt schon eine endoskopische Untersuchung machen lassen, bleiben sicher dabei. Zu einer CT-Koloskopie werden in erster Linie jene kommen, die sich vor der herkömmlichen Untersuchung zu sehr fürchten. Und damit könnten wir wahrscheinlich sehr vielen Menschen Darmkrebs ersparen.“

Dieser Meinung schließt sich auch Monika Ferlitsch an, die Männern schon ab 45 zu einer Darmspiegelung rät: „Männer sind von Darmkrebs doppelt so häufig betroffen wie Frauen, sterben doppelt so häufig daran, und sie bekommen das Karzinom im Schnitt um zehn Jahre früher. Daher sollen sie schon mit 45 kommen, denn wir wollen ja nicht Darmkrebs finden, sondern die an und für sich harmlosen Polypen, aus denen im Laufe von zehn Jahren ein potenziell tödlicher Darmkrebs entstehen kann.“

Ärztefinder

Ärzte, die das Qualitätszertifikat Darmkrebsvorsorge besitzen, erfüllen bei der Durchführung einer Koloskopie bestimmte Kriterien hinsichtlich Qualität, Erfahrung und Patientenfreundlichkeit.

EineListe der zertifizierten Ärzte ist zu finden im Internet unter www.vorsorgekoloskopie.at beziehungsweise www.krebshilfe.net.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2012)

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