Was unser Körper in der Kälte braucht

Bewegung und Sport sind auch bei großer Kälte ratsam. Man sollte sich nur gut anziehen und vor Erfrierungen schützen.
Bewegung und Sport sind auch bei großer Kälte ratsam. Man sollte sich nur gut anziehen und vor Erfrierungen schützen.REUTERS
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Große Kälte bedeutet immer Stress für den Körper, weil er mehr tun muss, um warm zu bleiben. Wieso Sonnenschutzcreme vor Erfrierungen bewahren kann, was Piercingträger beachten sollten und andere Ratschläge zur aktuellen Kältewelle.

Zähneklappern und Zittern. So versucht unser Organismus, warm zu bleiben. „Wir Menschen sind homoiotherme Lebewesen, also Warmblütler“, sagt Wolfgang Marktl, Physiologe und Präsident der Wiener internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin. Wir müssen also eine Körpertemperatur von 35 bis 37 Grad aufrechterhalten. In der Kälte gelingt uns das mehr schlecht als recht. Beim Zittern werden hundert Prozent der Muskelaktivität in Wärme umgewandelt, deswegen ist es noch die effektivste Art, Wärme zu produzieren. Allerdings: Wenn eine echte Kaltfront mit Minusgraden im zweistelligen Bereich zuschlägt, hilft Zittern auch nicht mehr wirklich. „Vom physiologischen Standpunkt ist der Mensch gegenüber Kälte mehr oder weniger schutzlos, er hat keine gute Möglichkeit, Wärmeverlust zu verhindern. Daher müssen wir uns anziehen und heizen“, sagt Marktl.

Große Kälte bedeutet immer Stress für den Körper. Die Gefäße ziehen sich zusammen, der Blutdruck kann steigen, das Herz muss Mehrarbeit leisten. Vor allem für ältere Menschen oder Personen mit einem Herzleiden kann das Zusammenspiel von Kälte und körperlicher Anstrengung gefährlich werden: Die Kälte bewirkt eine Verengung der Herzkranzgefäße, die Anstrengung führt zu erhöhtem Bedarf an Sauerstoff, er kann aber aufgrund der verengten Gefäße nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung gestellt werden. Und dann passiert es. Die Lösung: Das Schneeschaufeln bei großer Kälte jüngeren Menschen überlassen oder einen Schneeräumdienst beauftragen.

Fett gegen die Kälte

Auch gesunde Menschen sollten sich vor der Kälte schützen. Wenn die oberen Schleimhäute zu sehr auskühlen, setzen sich Viren und Bakterien leichter fest. Ab minus fünf Grad sollte man Mund und Nase daher mit einem Schal schützen. Wer ein Piercing im Gesicht trägt, sollte es bei extremen Minustemperaturen entfernen – Piercings könnten einfrieren, Verletzungen und bleibende schwärzliche Verfärbungen die Folgen sein.

Kinder sollten immer eine Schicht mehr anhaben als Erwachsene, denn sie verlieren schneller und mehr Wärme. Gute, schützende Kleidung (Daunen), warme und nicht zu enge Schuhe, dicke Hauben und Handschuhe (am besten Fäustlinge) bewähren sich bei großer Kälte. Hilfreich gegen Erfrierungen können auch Fettcremen sein, die nicht wasser-, sondern eben fetthaltig sind. Es schadet nicht, wenn man auch die Wangen damit einschmiert. „Man kann sich auch mit einer Sonnencreme mit Schutzfaktor 50 helfen, sie ist meist auch sehr fetthaltig“, rät Christian Gäbler, Leiter des Zentrums für Sport- und Gelenkchirurgie am Privatkrankenhaus Josefstadt.

Freilich kann auch Bewegung wärmen. Aber: Soll man bei großer Kälte überhaupt sporteln, auch wenn man in der eisigen Zeit mehr Kalorien beim Sport verbrennt? „Wenn man bestimmte Maßnahmen beachtet, ist nichts dagegen einzuwenden“, meint der Sportarzt, auch medizinischer Direktor des Wiener-City-Marathons. Dass Minusgrade entsprechende Kleidung erfordern, ist selbsterklärend, also Funktionsunterwäsche, welche die Feuchtigkeit rasch nach außen abtransportiert, dann Wollpullover und schließlich Anorak und Hosen mit Windstoppereffekt. Das Zwiebelprinzip, also mehrere Schichten übereinander zu tragen, ist ratsam, Handschuhe und ordentliche Socken sind ein Muss, Thermoeinlagen eine gute Möglichkeit, die Füße warmzuhalten. Den Kopf schützt man mit einer Haube, beim Skifahren mit einem Helm, Nase und Wangen, richtig, mit Fettcreme. Eisläufer oder Rodler könnten sich mit einem sogenannten Buff schützen, einem nahtlosen, multifunktionellen Schlauchtuch. Gäbler: „Ab minus zehn, fünfzehn Grad sollte man auch an eine Kälteschutzmaske aus Baumwolle denken. Ist es noch kälter, rate ich zu Masken aus Neopren.“

Ein weiterer Expertenrat: bei hohen Minusgraden am besten nicht allein und nicht ohne Handy auf die Piste oder Loipe. Wer stürzt und nicht mehr von selbst aufstehen kann, dem drohen schnell Unterkühlung und Erfrierungen. „Außerdem kann und soll der Sportpartner stets darauf achten, ob beim anderen weiße Stellen im Gesicht auftreten.“ Das können Zeichen von Erfrierungen sein. Apropos: Bei Erfrierungen ersten Grades wird die Haut extrem blass, betroffene Körperstellen werden gefühllos. Falsch wäre es, nun gleich mit Wärme zu behandeln, besser und richtig ist es, betroffene Körperteile zunächst unter kaltes Wasser zu halten und die Temperatur ganz langsam zu steigern. Dasselbe gilt für Erfrierungen zweiten Grades, bei denen sich bereits Blasen bilden.

Bei Minusgraden ab 15 Grad sollte man Ausdauersportarten und Belastungen auf alle Fälle reduzieren. „Am besten ist eine Belastungsintensität, bei der man noch durch die Nase atmen kann“, rät Experte Gäbler. „So wird die kalte Außenluft angefeuchtet und aufgewärmt, so kann man Atemwegsprobleme weitgehend vermeiden. Denn gerade bei Ausdauersportarten kann es durch die kalte, trockene Luft zu einem Belastungsasthma kommen. „Das kann durchaus auch ein junger, gesunder Mensch entwickeln. Wir sehen es immer wieder bei Skilangläufern.“

Kälte kehrt wieder

Eine kurze Pause machte die große Kälte seit Mitte der Woche. Die Temperaturen um bis zu fünf Grad plus im Flachland ließen nach der Kältewelle zuvor beinah das Gefühl aufkommen, der Frühling sei nahe. Die Kälte kehrt allerdings ab Sonntag für eine längere Periode zurück, Mitte der Woche kann es im Raum Wien wieder bis zu minus zwölf Grad bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2017)

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