Während viele Menschen unvorsichtig werden, weil HIV seinen schlimmsten Schrecken verloren hat, bleibt die Krankheit ein Tabu. Wenige sprechen so offen wie Elisabeth über ihre Infektion.
Die Bauarbeiter wollen nicht nur Wasser, sondern Sirup. Jemand braucht einen Schlüssel. Ob sie jemanden auftreiben könne, der am Nachmittag das Akkreditierungsbüro besetzt? Elisabeth seufzt, als sie sich kurz zwischen zwei blauen Porr-Containern vor dem Wiener Rathaus niederlässt. Zehn Tage vor dem Life Ball braucht ständig jemand etwas von ihr, „und es wird von Tag zu Tag schlimmer“. Die 61-Jährige, blond, pinke Fingernägel, resolut im Ton, ist Obfrau des Selbsthilfevereins Positiver Dialog. Wie jedes Jahr koordiniert sie gut 40 Mitarbeiter aus ihrem Verein, die beim Life Ball helfen, „weil es im Sinn der Sache ist“. Sie sind Teil der Schar an „Life Ball-Engeln“, die im Hintergrund all die unglamourösen Dinge verrichten, ohne die das Großevent nicht denkbar wäre. Sie schneiden Teppiche zu, mit denen Sitzmöbel verkleidet werden. Basteln aus Planen Hussen für die Bierbänke. „Wo wir helfen können, helfen wir.“
Seit neun Jahren weiß Elisabeth, dass sie HIV-positiv ist. Nicht, dass sie von selbst auf die Idee gekommen wäre, sich testen zu lassen. Damals war sie Anfang fünfzig, lebte in der Dominikanischen Republik. Aus unerklärlichen Gründen wurde sie immer schwächer und schwächer, hatte ständig Schnupfen. Dann bekam sie Dengue-Fieber, „die schwerste Form, an der die Leute sterben“. Im Spital traf sie auf einen Freund, der sie fragte, ob sie schon einen HIV-Test gemacht habe. Elisabeth scheint bei der Erinnerung daran heute noch den Kopf zu schütteln. „Daran denkt man ja nicht.“ Als der Virus bei ihr diagnostiziert wurde, war Aids bei ihr bereits ausgebrochen.