Schlaganfall: Das Zeitfenster wird größer

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Das Zeitraum für die Entfernung eines Blutgerinnsels könnte für einen Teil der Patienten von den derzeit geltenden sechs auf 24 Stunden erweitert werden.

Fortschritte bei Diagnose- und Therapiemöglichkeiten, teilweise eklatante Versorgungslücken und Sorgen um einen zukünftigen Mangel an Know How bei Medizinern: In diesem Spannungsfeld bewegen sich die Vorträge beim 15. Jahreskongress der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN), der von Mittwoch bis Freitag in Linz stattfindet.

Von einem bevorstehenden Paradigmenwechsel sprechen Experten bei der Behandlung schwerer Schlaganfälle. Das Zeitfenster für die Entfernung eines großen Blutgerinnsels könnte für einen Teil der Patienten von den derzeit geltenden sechs auf 24 Stunden erweitert werden. Dafür sprechen zwei US-Studien, und in den USA seien die entsprechenden Guidelines bereits angepasst worden, in Europa noch nicht, sagte ÖGN-Präsidentin Elisabeth Ferstl am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Abzuklären gilt es dafür die Auswirkungen des Gefäßverschlusses durch Spezialisten neurologischer Intensivstationen mit Hilfe bildgebender Diagnostik. Geräte für solche Untersuchungen gibt es in den österreichischen Stroke Units, allerdings fehlt es teilweise an technischen und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen, solche Bilder auszutauschen. Vorderhand werden in Österreich nicht Bilder verschickt, sondern Patienten - notfalls per Hubschrauber.

Im Umbruch befindet sich die Neuroonkologie. Nicht mehr allein die histologische Klassifikation von Gehirntumoren ist ausschlaggebend für die Therapie. Zur Differenzierung der Tumore des zentralen Nervensystems werden auch deren molekulargenetische und immunhistochemische Eigenschaften berücksichtigt, wie Oberärztin Judith Wagner von der Klinik für Neurologie 1 am Kepler Universitätsklinikum in Linz erläuterte. Die Diagnose wird exakter, die Mittel der Therapie können besser auf den Patienten abgestellt werden.

Eklatante Lücken bei Epilepsiekranken

Eine der vier häufigsten neurologischen Erkrankungen ist die Epilepsie. In Österreich sind mehr als 60.000 Menschen davon betroffen. Sieben von zehn können durch entsprechende Medikamente ein Leben ohne Anfälle führen. Eine Operation als Behandlungsoption für jene, die auf Medikamente nicht ansprechen, werde in Österreich zu wenig genutzt, und wenn, dann zu spät, beklagte Tagungspräsident Tim von Oertzen, Vorstand der Klinik für Neurologie 1 in Linz. Eine Studie an der medizinischen Fakultät in Linz hat ergeben, dass die Betroffenen erst 16 Jahre nach der Erstdiagnose zur Operation kommen. "Diese eklatante Lücke in der Versorgung müssen wir dringend schließen und dafür sorgen, dass solche pharmakoresistente Patienten möglichst früh in ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden", sagte von Oertzen.

Elisabeth Fertl, Vorstand der Neurologie an der Wiener Rudolfstiftung, erneuerte ihre Kritik an der 2015 in Kraft getretenen Ärzteausbildungsordnung, mit der das Pflichtfach Neurologie in der Ausbildung für Allgemeinmediziner abgeschafft wurde. Die Neurologen sehen einen steigenden Bedarf an diesem Fach, zumal neurologische Erkrankungen überwiegend solche des Alters sind und die Menschen in Österreich immer länger leben. Der Kongress in Linz richtet sich daher ausdrücklich auch an Studenten, um ihnen das Fach nahezubringen. Längerfristig befürchtet Fertl auch ein Aus der spezialisierten Intensivstationen - solche gibt es in Wien und allen Landeshauptstädten mit Ausnahme von Bregenz und Eisenstadt. Grund dafür sei, dass in der Ärzteausbildungsordnung für die Zusatzausbildung "Neurointensivmedizin" kein Bedarf mehr gesehen werde.

>> Krankenhäuser mit Stroke-Unit in Österreich

(APA)

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