„Pink Viagra“ wirkt kaum

Symbolbild.
Symbolbild. (c) imago/CHROMORANGE (imago stock&people)
  • Drucken

Geschlechtsunterschiede gibt es auch in der Sexualität. Und bei Pillen gegen Sexualfunktionsstörungen.

Der kleine Unterschied zwischen Mann und Frau macht sich auch in der Sexualität bemerkbar. Meist stimmt, was über den libidogesteuerten Mann gesagt wird: „Sieht ein Mann eine spärlich bekleidete Frau, ist er schnell sexuell erregt“, bestätigt die Internistin und Endokrinologin Heidemarie Abrahamian. Frauen sind da viel wählerischer: Sie scannen den Mann erst, sehen, wie er sich gibt, was er sagt, er dann folgt sexuelle Lust. Oder auch nicht. Für die Frau ist ein wichtiger Schritt zum Sex die vorherige Entspannung. Beim Mann ist es umgekehrt: Sex entspannt ihn.

Die Lustlosigkeit hat bei Frauen in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Grund dafür ist vor allem vermehrter Stress, dem viele Frauen durch die Doppelbelastung von Familie und Beruf ausgesetzt sind. Auch die fehlende Zeit für das entspannte Miteinander mit dem Partner kann die Lust einschränken. Eine weitere Ursache könnte die Antibabypille sein, acht bis zehn Prozent der Konsumentinnen reagieren auf bestimmte Pillen mit Lustlosigkeit. Dasselbe gilt für Übergewicht, wobei das bei Frauen einen stärkeren Einfluss als bei Männern hat. „Sie sind mit ihrem Selbstbild viel mehr im Einklang.“ Ein dicker Mann wird sich eher schlank und muskulös fühlen als eine dicke Frau; sie nimmt das negative Selbstbild eher mit ins Bett. Generell jedoch, so Abrahamian, hätten fettleibige Menschen häufiger Sexualfunktionsstörungen als schlanke.

Derlei Störungen sind beim Mann übrigens relativ gut untersucht. Eine erektile Dysfunktion kann vaskuläre, neurogene, hormonelle oder psychische Ursachen haben und betrifft 20 bis 70 Prozent der Männer (je nach Grunderkrankung). Weibliche Sexualfunktionsstörungen wurden von der Wissenschaft lange Zeit eher stiefmütterlich behandelt, zumindest liegen deutlich weniger Studien vor. Man schätzt, 40 bis 60 Prozent der Frauen sind betroffen. Psychische Einflüsse und Stress dürften bei Frauen eine weitaus größere Rolle spielen als bei Männern.


„Pink Viagra“. Auch bezüglich Therapiemöglichkeiten sind Frauen benachteiligt. Für Männer stehen mit Viagra und anderen PDE-5-Hemmern gut evaluierte Medikamente zur Verfügung. Für Frauen gibt es nichts Gleichartiges auf dem Markt. Das einzige Medikament, das für weibliche Unlust zugelassen ist, ist in Österreich gar nicht erhältlich. „Pink Viagra“ hat aber noch einen weitaus größeren Nachteil: Es wirkt nicht wirklich. Für geschätzt 0,5 Geschlechtsakte mehr pro Monat müssten Frauen eine Reihe von Nebenwirkungen in Kauf nehmen, etwa Schwindel und Übelkeit. Mit dem Konsum von Alkohol steigt das Risiko von Ohnmachtsanfällen.

Mehr Hoffnung setzt man auf ein neues pflanzliches Arzneimittel, das jetzt in Evaluierung ist und einen günstigen Einfluss auf die Durchblutung der Genitalien haben dürfte. Untersucht wird auch Vitamin D: Bei niedrigen Vitamin-D-Spiegeln könnte die Gabe dieses Stoffes einen positiven Einfluss auf Sex und Libido haben. Abrahamian: „Aber dazu sind die Bücher noch nicht geschlossen.“ Ebenso nicht zu der These, dass sich Antibluthochdruckmittel günstig auf die Sexualität auswirken könnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.