Wasserfall lindert Stress, stärkt Abwehrkraft

(c) Bilderbox
  • Drucken

Erstmals wurde bewiesen, dass ein Nationalpark gesundheitsfördernd sein kann. Der Aufenthalt bei einem Kärnter Wasserfall kann gegen Stress wirken, präventiv Burn-out verhindern und das Immunsystem stärken.

Ein Wasserfall gegen Asthma, ein anderer gegen Stress? Was auf den ersten Blick vielleicht ein wenig seltsam anmutet, ist weit von esoterischem Hokuspokus entfernt, beruht auf wissenschaftlich geprüften Daten, die völlig neue Gesundheitsaspekte eröffnen. So kann ein Aufenthalt beim Gartl-Wasserfall in der Kärntner Nationalparkgemeinde Großkirchheim im oberen Mölltal nachhaltig gegen Stress wirken, präventiv Burn-out verhindern und das Immunsystem stärken. Das haben zwei Studien der „Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg“ gezeigt.

Einfluss auf das Immunsystem

Arnulf Hartl, Studienleiter und Leiter des Labors für Translationale Immunforschung: „Wir wollten herausfinden, ob ein viertägiger Kurzurlaub oder ein Sieben-Tage-Aktivurlaub Einfluss auf Stressphysiologie und Immunsystem hat.“ In beiden randomisierten, kontrollierten Studien waren 160 stressbelastete Krankenschwestern aus der Allgemein- und Intensivpflege eingeschlossen. Eine Gruppe hielt sich jeweils eine Stunde pro Tag beim Gartl-Wasserfall auf, die Kontrollgruppe war zur selben Zeit in derselben Höhenlage, aber eben nicht beim Wasserfall. Beide Gruppen absolvierten ein mehr oder weniger intensives Wanderprogramm.

Auch Lungenfunktion verbessert

Wie zu erwarten: Der Urlaub hat sich bei allen Krankenschwestern stresslindernd ausgewirkt. Die Überraschung aber: Der Wasserfall hat alle positiven Effekte nochmals verstärkt. Hartl: „Bei der Wasserfallgruppe fanden wir im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikante Verbesserung psychologischer, physiologischer und medizinischer Stressparameter. Außerdem war die Lungenfunktion schon nach drei Tagen deutlich besser als bei den anderen. Zudem war die Immunsituation in den oberen Atemwegen signifikant verbessert, das heißt, die Wasserfallprobanden hatten mehr Abwehrstoffe in den oberen Atemwegen.“

Auf eine Choleraimpfung reagierte die Wasserfallgruppe mit einer weit höheren Immunantwort. „Das bedeutet, dass das Immunsystem insgesamt gestärkt wurde.“ Bei einer Nachkontrolle zwei Monate später waren alle Parameter noch immer deutlich verbessert. „Für Bekämpfung und Prävention von Burn-out sind allerdings vier Tage zu wenig, dazu müssen es mindestens sieben Tage sowie etwas später ein abermaliger kurzer Aufenthalt sein. Jedenfalls haben wir zum ersten Mal international bewiesen, dass ein Nationalpark stresslindernd und gesundheitsfördernd sein kann“, erwähnt Hartl, der bereits vor vier Jahren aufsehenerregende Studienergebnisse geliefert hat: Regelmäßige Aufenthalte beim Krimmler Wasserfall innerhalb von drei Wochen verringerten asthmatische Symptome bei Kindern deutlich und nachhaltig.

Eine Erklärung für die medizinische Wirkung: Alpine Wasserfälle produzieren im Nahbereich ihres Aufpralls ein fein verstäubtes, hoch konzentriertes Aerosol (allgemeiner Begriff für Luft mit Schwebeteilchen bestimmter Größe), das aus verschiedenen negativ geladenen Luftionen besteht und eingeatmet wird. Im Nahbereich von Wasserfällen lassen sich bis zu 20.000 dieser Ionen pro Kubikzentimeter Luft nachweisen (der Normalwert in freier Natur beträgt 200 bis 600 Ionen/cm3.).

Wasserfälle als Therapievariante

Hartl: „Weil sich die physikalischen Eigenschaften von Wasserfällen gravierend voneinander unterscheiden können, die Chemie der Wassertröpfchen von Fall zu Fall total anders sein kann, fallen auch die physiologischen und immunologischen Wirkungen unterschiedlich aus.“ Freilich will man die gewonnenen Erkenntnisse nun auch nützen: Zunächst soll das gesundheitstouristische Modell mit dem etwas befremdend klingenden Namen „Hohe Tauern Health“ mit dem Zentrum Krimmler Wasserfälle den Oberpinzgau als Allergie- und Asthma-Gesundheitsregion in Mitteleuropa etablieren und Wasserfälle als Therapievariante bekannt machen. Bislang haben sich bereits zehn Hotelbetriebe auf Allergiker und Asthmatiker spezialisiert und entsprechende Maßnahmen getroffen (z.B. geringe Allergenbelastung, bestimmte Küche).

Im oberen Mölltal wiederum soll in Kooperation der Gemeinde Großkirchheim, der Großglockner Hochalpenstraßen AG, des Nationalparks Hohe Tauern sowie der „Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg“ das komplett neue gesundheitstouristische Modell „Gesundheit Großglockner“ entstehen: Gästen, die unter chronischem Stress leiden, wird eine natürliche Heilressource geboten – unberührte Natur mit intaktem Wasserfall also –, die eine nachhaltige Verbesserung des Leidens sowie Prävention gegen Burn-out verspricht. Auch die Hotellerie wird da mitspielen und Zimmer einrichten, die möglichst stresslindernd und entspannend gestaltet sind, der Urlauber soll zudem von Ärzten und Psychologen betreut werden.

Urlaub als Medizin

Krimml und Großkirchheim sind Teil eines größeren Konzepts, das sich so „schön deutsch“ Trail for Health nennt und weitere Orte mit Gesundheitsnutzen impliziert. Darunter Bad Gastein mit Radontherapien (Rheuma), Bad Reichenhall mit Soletherapie (COPD), Bad Dürrnberg, ebenfalls mit Soletherapie, aber zur Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen mit Lungenerkrankungen, und der Klima-Heilstollen im Ahrntal (Lungenleiden).

„Es sollen gesundheitstouristische ,Leuchttürme‘ geschaffen werden, und zwar nach evidenzbasierten, medizinischen Kriterien und mit universitär zertifizierter Qualität“, erwähnt Hartl. Man wolle weg von „Soft-Wellness“ hin zu einem medizinischen und modernen Modell, das einen echten Gesundheitsurlaub nicht nur möglich macht, sondern auch wirklich und nachgewiesenermaßen gesundheitliche Vorteile bringt. Wobei Natur, Bewegung und Wohlfühlambiente die Hauptbestandteile sind, aus denen die nebenwirkungsfreie Urlaubsmedizin gemixt ist.

Auf einen Blick

Wasserfälle können zur Therapie eingesetzt werden. Das haben aufsehenerregende Studien bewiesen.

Gegen Stress und Burn-out helfen Aufenthalte beim Gartl-Wasserfall im Mölltal, regelmäßige Aufenthalte beim Krimmler-Wasserfall verringern asthmatische Symptome bei Kindern.

Projekte zur Wasserfalltherapie im Urlaub sind im Entstehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.