Mehr als Papier: Die neue Liebe zur Oberfläche

Mehr Papier neue Liebe
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Grafikdesigner, Hersteller und Künstler setzen sich intensiv mit Papier auseinander. Denn das Material vermag viel mehr, als geduldig darauf zu warten, endlich bedruckt zu werden.

Papier ist vor allem Träger. Von Information, von Gestaltung, von Zeichen, von Buchstaben. Ein Medium, das Botschaften transportiert. Und Papier bestimmt mit, wie sich diese anfühlen. Rau, glatt, edel, billig. Doch das Material verdient mehr, als bloß bedruckt zu werden. Vor allem größere Wertschätzung und Aufmerksamkeit in der Welt der Gestaltung, meinen Designer.

„Papier ist ein Kulturträger mit besonderer Wertigkeit“, sagt Beatrix Mapalagama, die in Wien ihre „Werkstatt für PapiermacherInnen und PapierkünstlerInnen“ gegründet hat. Für viele sei es ein kurzlebiges, selbstverständliches Produkt geworden, meint die Künstlerin. Das noch dazu in der Ära der „Dematerialisierung“ und „Digitalisierung“ überhaupt droht, seine Existenzberechtigung einzubüßen. Doch andererseits schlagen dem Papier gerade von Designerseite tiefe Sympathien entgegen. Wie etwa von Grafikdesignerin Christine Zmölnig, die fast ins Schwärmen gerät, wenn sie über Papierarten und ihre Verarbeitung spricht. „Papier ist ein irrsinnig robustes, stabiles und vielseitiges Material, weil es viele verschiedene optische und haptische Qualitäten hat. In der Rolle kann es sehr viel Gewicht aushalten, sodass auch Sitzmöbel wie in den 60er-Jahren oder 3D-Objekte entstehen können“, sagt Zmölnig. In ihrem Designbüro Sensomatic in Wien-Leopoldstadt zeugt auch ein Hirsch von Zmölnigs Leidenschaft. Dieser entstand für einen Optiker in Traiskirchen. Insgesamt faltete das Team zwei Exemplare als Shop-Installation für die Wintermonate. Mittels der japanischen Software „Pepakura“ konnten die dreidimensional gestalteten Hirsch-Grafiken in Faltmuster umgerechnet werden. Nicht leicht zu finden war hingegen das passende Papier, da riesige Rollen für große Formate benötigt wurden.

Bei Sensomatic, zu dessen Team auch Designer Florian Koch gehört, entstehen auch Webdesigns und Illustrationen. Die Leidenschaft gehört jedoch dem Papier. Bei klassischen Drucksorten wie Katalogen, Büchern oder Foldern fällt die Papierwahl meist schwer. Denn: „Über das verwendete Papier lässt sich ja sehr viel wahrnehmen“, erklärt Zmölnig. Die Dicke, die Biegsamkeit, die Oberfläche, Rauheit, Glattheit, die Veredelung. Mittlerweile stapeln sich bei Sensomatic unzählige Papiermuster unterschiedlicher Hersteller, Formate und Strukturen, die auf ihren Einsatz warten. Für Kataloge oder Magazine greift Zmölnig gerne zu Naturpapier, das nicht wie Hochglanzbände mit Leim versiegelt ist, sondern offen und dadurch einen deutlich stärkeren haptischen Eindruck hinterlässt, ähnlich jenem von Schulheften. Naturpapiere liegen insbesondere bei Designbüchern im Trend. Viele Grafikdesigner arbeiten auch mit Volumenpapieren, die sich zwar dick anfühlen, aber sehr leicht sind.


Mehr als Papier. Der Großteil des Papiers, das Designer verwenden, stammt von großen Papierherstellern in Europa, etwa aus dem skandinavischen Raum oder aus Italien. Etwa Fredrigoni, dessen Papiermacher-Tradition bis ins Jahr 1717 zurückreicht und der über 20 Kollektionen mit mehr als 3000 verschiedenen Papieren im Sortiment hat. „Es gibt technische Papiere für technische Produkte, hochglänzende Papiere, Papiere mit Filzmarkierung oder moderne, bunte und ausgefallene Papiere“, erklärt Annette Tauschl, Marketingleiterin von Fedrigoni für Deutschland und Österreich. Auch Sicherheits- und Wertpapiere, selbstklebende Papiere sowie veredelte Kartone werden in unterschiedlichen Farben, Grammaturen und Formaten hergestellt. „Beim Druck spielen die Papierqualität sowie die Oberfläche eine wichtige Rolle.

Besonders bei veredelten Oberflächen müssen bestimmte Druckfarben und Trocknungszeiten beachtet werden – je nach Papiersorte wirken Druckbrillanz und Farbe unterschiedlich“, erklärt Tauschl. Für die Kollektion „Materica“, eine farbige Naturpapierserie mit 15 Prozent Baumwollanteil und speziellen Zellulosefasern für Volumen und Stärke, wurde Fedrigoni mit dem Red Dot Design Award 2012 ausgezeichnet. Seit April 2011 kann ein Großteil des Sortiments im Wiener Showroom unweit des Museumsquartiers getestet werden, der sich heuer auch für die Vienna Design Week öffnet.

Beatrix Mapalagama versucht, das alte Handwerk des Papierschöpfens zu pflegen. Neben ihrer eigenen künstlerischen Tätigkeit – sie gestaltet etwa Installationen und Lichtobjekte aus Papier – bietet sie mit der Werkstatt ganzjährig Raum für zahlreiche Workshops rund um die handwerkliche Papierproduktion sowie die Verwirklichung unterschiedlicher Papierprojekte. „Bei Papier geht es immer um die Langlebigkeit von Zellstoffen. Wir verwenden etwa alte Stoffe von zellstoffführenden Pflanzen, wobei die Kriterien meist optische sind, etwa die Oberflächenstruktur oder die Farbe“, erzählt Mapalagama. Aus einer alten Jeans können etwa nach der Faseraufbereitung mit entsprechenden Maschinen, wie sie auch vor drei Jahrhunderten verwendet wurden, rund 30 A4-Blätter geschöpft werden.

Papier- Kunst

Sensomatic arbeitet seit 2002 als Designstudio im Bereich Interface-, Grafik- und Corporate Design. www.sensomatic.com

Papierwerkstatt
Die Künstlerin Beatrix Mapalagama bietet zahlreiche Workshops rund um die Papierkunst an.
www.papierwespe.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2012)

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