Inspiration: Der Kuss der Onlinemuse

InspirationDer Kuss Onlinemuse
InspirationDer Kuss Onlinemuse(c) Illustration Nina Schuster
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Sie hießen Alma, Gala oder Marianne. Heute sind sie blinkende Kästchen auf dem Computer. Die Inspiration durch Musen kann schon längst durch Webtools nachgestellt werden.

Gala war eine, und zwar eine sehr erfolgreiche: Inspirierte sie doch gleich mehrere Männer zu künstlerischen Höchstleistungen – unter anderem ihre beiden Ehemänner Paul Éluard und den Maler Salvador Dalí. Auch Alma Mahler-Werfel galt als Quell der Inspiration. Zumindest für den Komponisten Gustav Mahler, für Oskar Kokoschka, den Architekten Walter Gropius und den Dichter Franz Werfel. Sängerin Marianne Faithfull soll Rolling Stone Mick Jagger (unter Einsatz von Drogen) gleich mehrmals zu Geniestreichen hingeküsst haben.

Seit der Antike werden Musen als Inspirationsquelle für Maler, Dichter, Denker, Schriftsteller und Bildhauer verehrt. Kein Wunder, glaubte man früher doch, dass sie die Kreativität – die damals noch als göttliche Eingebung galt – einem Menschen quasi eingeben konnten.

Doch das ist schon lange her. Heute gibt es kaum noch (bekannte) Musen, was wohl mit der modernen Gesellschaft als auch mit der Wissenschaft zu tun hat: Kreativität, so haben Forscher herausgefunden, ist überhaupt keine göttliche Eingebung, sondern eine Eigenschaft, die jeder Mensch von Geburt an besitzt. Anders gesprochen: Kreativität kann man lernen – und das auch ziemlich gut.


Ablenken inspiriert.
In den vergangenen Jahren hat etwa die Karl-Franzens-Universität Graz einige Studien zu dem Thema durchgeführt: Und ist zum Teil auf überraschende Ergebnisse gekommen. Kreativ ist ein Mensch, wenn verschiedene Gehirnareale gleichzeitig aktiviert sind. „Ist eine originelle Lösung gefragt, müssen Denkinhalte, die über den gesamten Inhalt unseres Gehirns vernetzt sind, gedanklich miteinander verbunden werden“, erklärt Reinhard Willfort, Geschäftsführer der Kreativplattform Neurovation GmbH und selbst als Universitätslektor im Kreativbereich tätig.

In der Praxis heißt das: Wer kreativ sein will und sich nur auf ein Thema konzentriert, wird nicht erfolgreich sein. Besser ist es, vom Schreibtisch aufzustehen und an etwas ganz anderes zu denken. Dieses Wissen haben sich Willfort und sein Team zunutze gemacht und in den vergangenen Jahren diverse Online-Kreativitätstools entwickelt, die zum Teil gratis im Netz zur Verfügung stehen.

Da gibt es etwa die „Inspiration Machine“, einen fast weißen Bildschirm, auf dem das Wort „Inspire me“ zu sehen ist. Gibt man ein Wort in das danebenliegende Feld ein, erscheinen verschiedene Assoziationen zu dem Begriff auf dem Bildschirm. Personen, Produkte, Videos, Texte, Audiofiles oder Bilder. Diese willkürlich zusammengewürfelten Ergebnisse sollen helfen, Kreative auf neue Gedanken zu bringen. Die Daten für die Inspiration Machine liefert das Internet, das mithilfe von Algorithmen durchsucht wird.

Auto oder doch ein Tier? Zufriedenstellend, sagt Willfort, der übrigens auch die erste Crowd-Investing-Plattform Österreichs ins Leben gerufen hat, sei der Output der Maschine freilich noch nicht. Weswegen sie derzeit auch überarbeitet wird. Mitte des Jahres wird die neue Version veröffentlicht. Dann soll sowohl eine personalisierte als auch eine semantische Websuche möglich sein. „Weil derzeit unterscheidet die Maschine bei einem Jaguar noch nicht, ob das ein Auto ist oder ein Tier“, sagt Willfort. Die neue Version soll dann auch als App erhältlich sein.

Ebenso wie andere Kreativitätswerkzeuge. Etwa das Mind-Monkey-Tool, das linke und rechte Gehirnhälfte verbindet, oder die Slot-Machine, die Querdenken anregen soll. Weiter ist da schon der Deutsche Nils Bäumer aus Stuttgart. Er hat Anfang Oktober 2012 die App „Kreativität41“ auf den (Apple)-Markt gebracht. Die App besteht aus vier Assoziationstechniken (ABC-Kino, Kopfkino, Reizwort und Brainstorming41), aus denen die Nutzer wählen können. Zwei der Techniken sind an Techniken der mittlerweile verstorbenen deutschen Managementtrainerin Vera F. Birkenbihl angelehnt.

Bei der Bildassoziation soll der Nutzer etwa ein zufällig ausgewähltes Bild mit dem Problem, an dem er gerade arbeitet, verbinden. Ähnliches fordert die „Reizwort“-Technik, nur sollen hier eben zufällig ausgewählte Wörter neue Impulse bringen.

Denken muss man selbst. Freilich, Wunder dürfe man sich nicht erwarten, sagt Bäumer. „Die App liefert einen Denkanstoß. Sie nimmt Ihnen aber nicht das Denken ab.“ Eher gehe es ihm darum, Kreativsein zu üben – und neue Ideen mobil besser zu verwalten. Ende des Jahres plant Bäumer, der als Kreativtrainer in Deutschland arbeitet, nun die Android-Version auf den Markt zu bringen. Als weiteren Schritt überlegt er, eine Funktion einzubauen, die die App-Nutzer vernetzt.

Das hat Reinhard Willfort mit einer anderen Applikation bereits umgesetzt. Mit dem „Neurovation Brainstormer“ auf Facebook können Freunde (oder alle freigegebenen Facebook-Nutzer) gemeinsam Ideen entwickeln. Diese Art von gemeinsamem Arbeiten heißt im Fachjargon Open Innovation. Und wird, so Willfort, gerade bei großen Firmen beliebter, in denen so über das Intranet gemeinsam an Ideen gearbeitet wird.

Eine Verbindung von den webbasierten Kreativitätstools zu den Musen der vorherigen Jahrhunderte will er daher durchaus ziehen. „Auch Musen haben die Künstler früher auf andere Gedanken gebracht“, mutmaßt er. Wissenschaftlich erwiesen sei das freilich nicht. Und eine Forschungsarbeit über den Zusammenhang von Erotik und Kreativität, die gibt es noch nicht.

Steckbrief

Reinhard Willfort(Bild) ist Geschäftsführer der Neurovation GmbH, die Tools für Ideenmanagement und Open Innovation entwickelt. Seit 2001 unterrichtet er an der Donau-Universität Krems.

Kreativitätstools: www.neurovation.at/services Fabry

Nils Bäumer
hält seit 15 Jahren Kreativtrainings und Vorträge zu dem Thema ab. Im Oktober 2012 brachte er die App „Kreativität41“ auf den Markt. Sie ist derzeit nur über iTunes beziehbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2013)

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