Analog ist besser – auch gedruckt

Analog besser ndash auch
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Nicht nur in der Musikbranche wird gerne mit alten Techniken gearbeitet. Das Grafik-Kollektiv Soybot verwendet eine Druckmaschine aus den 1990ern: den Risograph.

Es sieht aus wie ein großer, sperriger, alter Kopierer. So einer, wie er in den 1990er-Jahren in jeder Schule und in jedem Büro stand. Einer der ewig brauchte, bis etwas kopiert war, aber dann doch wertvolle Dienste leistete. Genau so ein Ding steht in einem Atelier in einer Altbauwohnung in Wien Brigittenau. Und ja, kopiert wird damit auch. Allerdings weder Mitteilungen noch Pfarrblätter oder sonst irgendwelche Texte, bei denen die Information im Vordergrund steht. Dafür dürfte es wohl früher, also in den 1990er-Jahren, verwendet worden sein. „Das Ding“ ist übrigens ein Schablonendrucker der japanischen Firma Riso, die Maschine und Technik auch gleich einen Namen gab: Risograph beziehungsweise die Risographie.

Heute ist zumindest für diese Zwecke die Technik dann doch etwas veraltet. Dafür hat der Risograph eine neue Verwendung gefunden. Etwa in jenem besagten Atelier des Kollektivs Soybot, das als eine Art Mikroverlag Hefte, Kunstbücher, Fanzines und Poster herausgibt. Denn seit ein paar Jahren entdecken immer mehr Grafikbüros oder Ateliers die Vorzüge des Risographen und anderer alter Druckmaschinen und greifen, ähnlich wie in der Musikbranche, bevorzugt zu älteren, analogen Techniken. „Es gibt einen großen Trend in die Richtung. Seit ein paar Jahren gibt es fast in jeder größeren Stadt eine Gruppierung wie unsere, die sich damit beschäftigt“, sagt Bernhard Fuchs von Soybot.

Am Risographen schätzen er und seine fünf Kollegen, dass damit recht rasch und günstig in einer – für solche Zwecke – höheren Auflage (etwa ein paar hundert bis tausend Stück) in Farbe gedruckt werden kann. Aufträge, für die man in der Druckerei viel Geld zahlen müsste. Und natürlich die Optik und Haptik: Denn immerhin ist der Risograph nicht einfach ein Drucker, sondern ein Gerät, bei dem eine Schablone eingescannt (der einzig digitale Vorgang) und dann über eine Farbtrommel gespannt wird. „Das funktioniert dann wie beim Siebdruck“, erklärt Marie Fegerl. Sechs unterschiedliche Farben haben die jungen Grafiker dafür zur Auswahl. Etwa 120 Stück pro Minute können so gedruckt werden. „Die Maschine macht aber auch oft Probleme, vor allem, wenn man unter Zeitdruck ist“, so Fegerl.


Siebdruck im Schnellverfahren. Genau das aber – diese speziellen, nennen wir es Bedürfnisse einer analogen Maschine – dürfte auch den Reiz ausmachen. Immerhin hat es doch etwas Handwerkliches, wenn man die Maschine bedient – man muss sich gedulden, bis die Farbe getrocknet ist, tauscht Farbtrommeln aus und spannt neue Vorlagen ein. Dazwischen wird gewartet, gearbeitet oder geplaudert. „Das Faszinierende ist, dass man prompt etwas machen kann, dass man gleich ein Ergebnis in der Hand hat und das recht schnell. Wenn man das im klassischen Siebdruckverfahren machen würde, wäre das ein irrer Aufwand“, sagt Lena Goldsteiner.

Produziert werden künstlerische Grafiken, Illustrationen und Fanzines zu den verschiedensten Themen. So hat etwa Gerhard Jordan ein Heft mit dem Titel „Komm, gib mir deine Hand“ produziert. Darin ist der Text des Beatles-Songs in das Lorm-Alphabet, also jenes für Taubblinde, das mittels Berührungen auf den Handinnenflächen funktioniert, übersetzt. Den Großteil der Arbeiten macht Soybot in Eigenregie. Es kommen aber auch immer wieder Auftragsarbeiten für Ausstellungen hinzu. Im Vorjahr gab es eine Kooperation mit der Vienna Design Week. Heuer sind die sechs Grafiker, die Großteils auf der Angewandten studiert haben, zu Gast bei „The Millionaire's Club“, einem Independent-Festival für Comics, Zines und Poster im Rahmen der Leipziger Buchmesse.

Dass das Interesse an den Druckwerken, die mit alten Techniken produziert werden, steigt, wird auch dadurch deutlich, dass sich die Verkaufsstellen für solche Werke mehren. So hat etwa das 21er Haus vor zwei Jahren einen Großteil der Werke vom „Salon für Kunstbuch“ aufgekauft und vertreibt nun zeitgenössische Wiener Grafiken und Kunstbücher. Auch die Bar Transporter im fünften Bezirk plant einen Verkauf von Indie-Publikationen.

„Natürlich bleibt es etwas für Spezialisten und eine Nische. Aber es ist eine ständige Bewegung, es wird immer mit verschiedenen Techniken gearbeitet. Da geht es nicht um Masse, sondern um Exklusivität“, sagt Bernhard Cella, Initiator des Salons für Kunstbuch in der Mondscheingasse. Auch er berichtet stolz, dass er in seinem Atelier eine „alte Heidelberg“ stehen hat. Die Druckmaschinen des deutschen Herstellers, der seit 1850 tätig ist, zählen zu den ganz besonderen Stücken in einer antiken Sammlung.


Sojaöl im Tank.
Während die Heidelberg, wenn man so will, die Schallplatte oder das Grammofon der Druckmaschinen ist, so ist der Risograph der Kassettenrekorder. Allerdings einer, der in einem Punkt schon seiner Zeit voraus war. Auch wenn in den 1990ern Umweltschutz nicht so eine wichtige Rolle wie heute spielte, hat man damals schon mit Naturmaterialien gearbeitet. So befindet sich in der Farbtrommel keine Chemie, sondern Sojaöl. Gar nicht so retro eigentlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2013)

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