Architektur: Planen für den Papierkorb?

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Arbeitszeit im Wert von 70 Millionen Euro wird in Österreich jährlich in Architekturwettbewerbe investiert. Trotzdem sind diese für junge Büros eine wichtige Chance.

Eine klare europäische Ausrichtung ist die erklärte Vorgabe von „Wonderland“, einer Architekturplattform mit Sitz in Wien. In ihrer laufenden Ausstellung „Deadline Today!“ widmet sie sich nun Beispielen europäischer Wettbewerbserfahrungen. Es sind Erfolgsgeschichten. Wie die der irischen Architektinnen Roisin Heneghan und Shih-Fu Peng, die die Ausschreibung für das Ägyptische Museum, Kairo, für sich entschieden. Oder die des österreichischen Büros Querkraft, das die Adidas-Zentrale, das Adi Dessler Brand Center im deutschen Herzogenaurach, realisierte.

„Das ist ganz bestimmt gut für Stimmung und Perspektive“, sagt Georg Pendl, Präsident der Bundeskammer der Architekten, „bedeutet aber nur einen Ausschnitt der europäischen Wettbewerbsrealität.“ Die sieht, glaubt man Pendl, nämlich eher düster aus. Denn: Für Bauprojekte über 200.000 Euro gelten zwar europäische Regelungen – eine EU-weite Ausschreibung ist Pflicht –, aber: „Die meisten Länder wollen das gar nicht. Deswegen gibt es ganz einfach kaum englischsprachige Ausschreibungen. Da sind, nur als Beispiel, etwa die Finnen fein raus. Die schreiben vielleicht brav aus, aber eben auf Finnisch. Und keiner versteht's, niemand reicht ein.“ Genau an diesem Punkt will auch die rein englischsprachige Plattform Wonderland ansetzen. Weil: „Ein Gewinn kann über Nacht aus einem Architekturbüro eine Erfolgsstory machen“, sagt Silvia Forlati, Architektin (Share architects) und Wonderland-Vorsitzende. Und weiter: „Einen Wettbewerb zu gewinnen bedeutet nicht nur, einen neuen Auftrag zu bekommen. Es ist die Chance, binnen einem Tag um ein Vielfaches zu wachsen.“ Was wohl auch der Grund dafür ist, dass – gerade junge – Architekturbüros jede Menge in Bewerbe investieren.

Rechenspiele. Ein paar Zahlen: 5000 Arbeitsstunden investieren heimische Architekturbüros jährlich in die Teilnahme von etwa zehn Wettbewerben. Oder andersrum: 120 Bewerbe werden in Österreich jedes Jahr ausgeschrieben. Etwa 25 Büros nehmen pro Wettbewerb teil, beschäftigen pro Projekt im Schnitt drei Mitarbeiter für vier Wochen. Macht insgesamt 70 Millionen Euro Arbeitszeitwert im Jahr, hat Pendl ausgerechnet. Dabei kommt es für die Büros etwa bei jeder zehnten Einreichung auch zur Realisierung des Projekts. Und hier fangen die Probleme manchmal erst so richtig an. „In der Vergangenheit gab es einen gewissen Wildwuchs an Wald- und Wiesenverfahren“, sagt Pendl. „Soll heißen, es wurden vage Vorgaben gemacht, angekündigte Budgets nicht eingehalten.“ Hier hat sich mittlerweile die Bundeskammer eingeschaltet, mit der Seite www.architekturwettbewerb.at will man eine Art Gütesiegel für Bewerbe etablieren.

Bleibt nur die Frage, wie das Wettbewerbssystem effektiver gestaltet werden könnte. Pendl macht sich hier für ein zweistufiges offenes System stark: „Ein offener Aufruf lässt junge Büros, die über keine Referenzen verfügen, nicht außen vor, in einer zweiten Phase sollten aber bloß zehn, vielleicht fünfzehn Büros für eine Planung verpflichtet werden. Und die müssten dann auch bezahlt werden.“ Den Wettbewerb abschaffen will offensichtlich niemand. Pendl: „Da geht's ja nicht nur ums Gewinnen. Ein Wettbewerb ist immer auch eine persönliche Benchmark, zeigt den Architekten, wo er steht und wohin er will.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2009)

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