Bäderdesign: Kein Bad von der Stange

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Ein Schwimmbecken ist zu wenig. Modernes Bäderdesign muss mehr bieten als einen Ort, an dem Sportler ihre Längen absolvieren können. Gefragt sind Erlebnis und emotionales Empfinden.

Ein Schwimmbad ist ein Schwimmbad ist ein Schwimmbad. Hauptsache, es ist Wasser drin, und man kann seine Runden drehen. Eine Vorstellung, die sich beim Blick auf die städtischen Wiener Bäder der späten 70er- und frühen 80er-Jahre geradezu aufdrängt. Ob Hietzing, Simmering, Döbling oder Donaustadt, Brigittenau und Großfeldsiedlung – sechsmal die mehr oder weniger gleiche Schwimmhalle mit 25-Meter-Becken, Lehrschwimmbecken und Kinderbecken.

Das „Bad von der Stange“ ist ein Konzept, das der 2007 verstorbene Architekt Friedrich Florian Grünberger umsetzte. Jener Mann, der als „Bäderpapst von Wien“ auch in Deutschland zahlreiche Bäder baute, reagierte damit auf den Plan der Stadt Wien, möglichst schnell erreichbar und kostensparend Schwimmgelegenheiten für die Bevölkerung zur Verfügung zu stellen.

Kein Schlachthof. Ein Konzept, das bei Bädern jüngerer Bauart allerdings längst nicht mehr greift. Ein Schwimmbecken allein ist zu wenig, und die klassische Innenausstattung ist ebenfalls längst passé: „Einen weißen, schlachthofmäßigen Kachelraum – das finden Sie heute nicht mehr“, sagt Edmund Friedl, Geschäftsführer der derzeit in Bau befindlichen Therme Wien (ehemals Therme Oberlaa), die von Vamed Vitality World gemanagt wird.

Nach Plänen des Stuttgarter Büros 4a Architekten wird ein neuer Thermenkomplex errichtet – wie der derzeitige Gestaltungstrend es will: leicht und lichtdurchflutet („Man baut keine Bunker mehr“, so Friedl). Außerdem werden im neuen Gebäude, das Ende 2010 eröffnet werden soll, das Kurmittelhaus und die Therme unter einem Dach vereint. Da Besucher mehr Wert auf ihr „emotionales Empfinden“ beim Besuch der Therme legten, werde ein Ausflug „immer mehr zu einem Gesamterlebnis“, sagt Friedl, der die Therme Wien als Tagestherme für eine breite Zielgruppe positioniert. Daher verzichte man bewusst auf ein verbindliches Thema bei der Innengestaltung.

Thementhermen. Wobei genau die Schwerpunktsetzung für Thermenbetreiber (zumindest außerhalb des Monopolstandorts Wiens) immer wichtiger wird. Denn gerade Thermen machten in jüngerer Zeit einen großen Teil des Wachstums am Bädersektor aus – die Konkurrenz ist groß. Vor allem im Süden Österreichs schossen in den letzten Jahren unzählige dieser Heißwasserbäder aus dem Boden. Mit unterschiedlichsten architektonischen Ansätzen.

Holz, das zu Beginn des Thermenbooms, etwa im steirischen Bad Radkersburg, als besonders attraktiv galt, verliert zunehmend an Bedeutung. Beton und Glas sind im Vormarsch, etwa bei der 2004 in Köflach errichteten Therme Nova. „Mehrgeschoßig kann man mit Holz nicht so einfach arbeiten“, sagt Architekt Herbert Missoni vom Team A. Und dass ein Dach für die Saunagäste benutzbar gemacht wird, das sei bei einem Holzdach ebenfalls nicht möglich.

Eine Therme, die stark auf ein Thema setzt, ist das im Sommer 2008 eröffnete Linsberg Asia Spa. Wobei der Asienbezug – neben dem ziemlich eindeutigen Interieur – auch bei der Gebäudeplanung umgesetzt wurde: Feng- Shui-Prinzipien wurden bei der Raumplanung berücksichtigt.

Die Außenfassade gibt sich klar und zurückhaltend, im Inneren der Anlage wurden Höfe und Atrien zum Zurückziehen eingeplant. Asienkitsch ist nicht gefragt. „Von Pavillons oder Schnitzereien haben wir bewusst Abstand genommen“, sagt der Hollabrunner Architekt Ernst Maurer. Mehr noch als in Linsberg – dort öffnet sich die Anlage auf der Rückseite zu einer „Gartenbucht“ (Maurer) –, spielt die Natur beim Bad Gleichenberger Life Medicine Resort eine Rolle. „Bei der Errichtung wurde Hauptaugenmerk darauf gelegt, dass das Gebäude in den denkmalgeschützten Park aus dem 19. Jahrhundert integriert wird und nicht umgekehrt“, sagt Sprecherin Claudia Resch.

Aber es muss nicht unbedingt eine Therme sein. Die Wiener Architekten Marie-Theres Harnoncourt und Ernst Fuchs (the next ENTERprise) bauten das Seebad im Südtiroler Kaltern – ein Schwimmbecken als schwebende Betonskulptur, die nur an wenigen Stellen im Boden verankert ist. Durch zwei Glasöffnungen im Boden kann ein Blick ins Wasser geworfen werden – von unten. Ein mutiges Projekt, das im innovativen Schwimmbadbau gern als Referenz herangezogen wird.

Ein ähnlich spannendes Bad wurde 2008 in Le Havre in Betrieb genommen: Der französische Stararchitekt Jean Nouvel schuf hier eine Badestätte, die äußerlich als schwarzer Betonblock zwar wenig verspricht, dafür innen umso mehr hält – klare, kantige und strahlend weiße Formen bilden ein Labyrinth mit Becken verschiedenster Dimensionen, die einzigen Farbtupfer sind die Einrichtungen für Kinder, die in Rot, Orange oder Gelb in der Mitte der Anlage stehen.


Festung im Fels. Der Beweis, dass es keinen einheitlichen Kanon im Bäderbau gibt, ist die von Peter Zumthor errichtete Felsentherme im Schweizer Vals, die einer in den Berg geschlagenen Festung ähnelt – es werden also doch noch Bunker gebaut. Kompakt, geschlossen, aus rund 60.000 massiven Steinplatten aufgeschichtet, wurde es 1998, nur zwei Jahre nach der Errichtung, vom Kanton Graubünden unter Denkmalschutz gestellt. Ein spannend gestaltetes Schwimmbad ist eben mehr als nur ein Schwimmbad.

ALTE BÄDER

Amalienbad.
Das 1926 eröffnete Bad in Wien-Favoriten ist eines der architektonisch interessantesten Bäder des Landes. Ursprünglich hatte es ein Glasdach, das bei Schönwetter geöffnet werden konnte.

Jörgerbad.
Im Stil der Wiener Werkstätten wurde 1914 das Jörgerbad in Hernals unter Leitung des Architekten Friedrich Jäckel erbaut. Es ist das älteste bestehende Wiener Hallenbad.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2009)

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