LED-Weihnachtsdeko: Wer staunt, kauft länger ein

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staunt kauft laenger(c) MK Illumination
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Kitschige Weihnachtsdeko, beinhartes Marketingtool: Millionen LED-Lämpchen überschwemmen Städte, Einkaufszentren und -straßen. Vor allem zwei Unternehmen produzieren diese Flut.

Vier Lkw brachten die Fracht zum neuen Shoppingcenter Eurovea in Bratislava. Eine recht unscheinbare Ladung – solange sie nicht ans Stromnetz angeschlossen ist und erstrahlt. Denn dann erfüllt sie ihren eigentlichen Zweck: Imponieren sollen die zigtausend LED-Lämpchen, und zwar so sehr, dass den Konsumenten die Kinnladen reihenweise runterfallen. Erst recht, nachdem die Lampen von geschulten Händen zu allerlei Figuren und Motiven montiert wurden und wenn möglich noch schöner glitzern als in den Computervisualisierungen der Dekorationsdesigner.

Die Schneekönigin persönlich hätte das frostige Weiß für den Vorplatz nicht schöner zaubern können. Konzipiert, produziert und geliefert hat die artifizielle weiße Pracht ein österreichisches Unternehmen mit Sitz in Innsbruck: „MK Illumination“, das mit dem französischen Konzern „Blachère Illumination“ um die europäische Marktführerschaft rittert. Und das in einem Bereich, der nur ein paar Wochen im Jahr sprichwörtlich ins Auge sticht: jenem der Weihnachtsbeleuchtung.

Inzwischen überzieht MK Illumination in der Vorweihnachtszeit große Teile Europas mit Millionen LED-Lämpchen, verbunden zu gigantischen Lichtervorhängen, kilometerlangen glitzernden Leuchtgirlanden, Schneebällen, die mächtig sind wie Rodelhügel. Oder leuchtenden Rentieren, größer als Giraffen. Und wenn es die Kunden auch mal konservativ-traditionell wünschen, auch gern mit tausenden goldenen Engerln samt Trompeten. Oder mit Sternen, inklusive obligatorischen Schweifs. „In Deutschland sind wir in beinahe 1000 Städten vertreten“, berichtet Klaus Mark, Geschäftsführer von MK Illumination. Doch die Entwürfe, Konzepte und Produkte finden sich in Wels genauso wie in Johannesburg am Nelson Mandela Square, in Manchester oder St.Petersburg. „Wir haben in 21 Ländern Niederlassungen“, sagt Mark. Weihnachten ist ein europaweites Anliegen. Und ein Geschäft ohne Grenzen.


Effekthascherei. Im Advent kann man am besten mit Zahlen beeindrucken. Vor allem mit jenen, die den Umsatz beziffern. Oder auch die Menge der Lichtpunkte, aus denen sich der Christbaum im Shoppingcenter zusammensetzt. „24.000 sind es beim Baum im Europark in Salzburg“, erzählt Mark. Und fast eine Million Kristalle, fügt er hinzu, haben gemeinsam mit den Mikrolämpchen den Flughafen Zürich im Vorjahr zum Glänzen gebracht.

Die Manager der Einkaufszentren, die Einkaufsstraßen oder Adventmärkte bestellen die mit Millionen Lämpchen beladenen Lkw nicht aus einer akuten Weihnachtsmelancholie heraus. Das Licht für die dekorative Stadtinszenierung ist ein beinhartes Marketingtool. Seitdem die Raumdramaturgen und Shoppingcenter-Architekten die Geschäftszonen zum „Wohnzimmer“ der Konsumenten erklärt haben, ist der Dekorations- und Imponierdruck noch größer. Wer nicht glitzert, verliert: hauptsächlich Aufmerksamkeit, Kunden, Umsatz.

Lichteffekte sind Werbeeffekte. Und lösen vor allem eines aus: eine längere „Verweildauer“ – das magische Wort, um das herum Einkaufsstraßen und -center ihre Konzepte bauen. Die Mittel für die winterliche Lichtinszenierung haben sich in den letzten Jahren drastisch verändert. „Als ich vor 16 Jahren begonnen habe, war noch das grüne Flachbandkabel mit Glühbirnen der Standard“, erzählt Mark. Mühsam versuchte man daraus Sterne mit Schweifen zu formen oder sie dann und wann um einen Weihnachtsbaum zu schlingen. Heute können die neuesten LED-Lampen optisch fast schon so etwas wie Wärme ausstrahlen. Und besonders auch alle möglichen Farben.

Das freut die Gestalter und ebenso die Besucher, etwa auf dem größten Weihnachtsmarkt Deutschlands vor dem Kölner Dom, wie Robert Karrer, Geschäftsführer von Blachère Illumination Österreich, erzählt: „Dort haben wir ein 1000 Quadratmeter großes Dach umspannt.“ Mit RGB-Lampen, die verschiedenste Lichtfarben aus-strahlen können. Und gemeinsam fast wie ein riesiger Screen funktionieren.

Den Wiener Designer Adam Wehsely-Swiczinsky vom AWS Designteam freut es, dass sich das Repertoire der Stadtdekoration ständig erweitert. „Es hat – etwa durch die roten Bälle in der Rotenturmstraße – fast schon eine architektonische Dimension bekommen“, meint er. Dazu habe auch die Initiative „Light up“ der Wirtschaftskammer Wien maßgeblich beigetragen: „Dadurch ist eine kitschige Dekorwelt zu einer künstlerisch-anspruchsvollen geworden“, so Adam Wehsely-Swiczinsky.
Design der Entschleunigung. Im Rahmen der „Light up“-Initiative wurde AWS Design heuer damit beauftragt, auf der Hernalser Hauptstraße in Wien durch die Weihnachtsbeleuchtung das Tempo ein wenig zu drosseln. Weihnachtsatmosphäre, überkonfessionell gedacht – das wollte Wehsely-Swiczinsky inszenieren. „Schließlich wohnt dort im Grätzel auch eine sehr heterogene Bevölkerung.“

Design transportiere immer Gefühle, meint er. „Und diesmal sollte es einfach ein Weihnachtsgefühl sein.“ Um das zu vermitteln, schlingen sich Lichtgirlanden um die bestehenden Beleuchtungskörper, als wären sie eingefrorene Lichtstrahlen, magentafarben und weiß. Als „Objekt gewordene Langzeitbelichtung“ beschreibt es der Designer selbst. Der Zweck: Die Menschen sollen innehalten. Womöglich vor den Auslagen. Oder noch besser: in den Geschäften selbst.


Kreativarbeit. MK Illumination und Blanchère Illumination sind Mitbewerber; und beide wollen mehr sein als bloß Produzenten von Weihnachtsbeleuchtung, die weltweit Konsumzonen ausstaffieren. „Wir haben 16 Designer“, erzählt Klaus Mark. Man arbeite laufend an neuen Produkten, Entwürfen und Technologien. Auch der französische Mitbewerber plant neue „Kollektionen“. Geschäftsführer Karrer erzählt: „Wir haben Gestalter im Haus und arbeiten auch mit Bildhauern, Künstlern und Designern zusammen.“ Etwa mit dem österreichischen Designer Rainer Mutsch, der für Blachère im nächsten Jahr eine komplett neue, dreidimensionale „Winterbeleuchtung“ entwirft, wie Karrer berichtet. Die Zusammenarbeit von Blachère und Mutsch hat bereits die „Crystallights“ in der Wiener Kärntner Straße hervorgebracht.

MK Illumination

Unternehmen: Hauptsitz in Innsbruck, Produktionsstätten in der Slowakei, Logistikzentrum in Ungarn und 21 Niederlassungen europaweit.

Projekte Inland (Auswahl):
Europark Salzburg, Innenstadt Innsbruck, Obkirchergasse Wien, Stadt Wels, Schloss Belvedere.

Blachère Illumination

Unternehmen: Hauptsitz in Apt, Frankreich. Österreich-Zentrale in Wels.

Projekte Inland (Auswahl):
Kärntner Straße, Graben, Rotenturmstraße in Wien, Kirchturm Villach, Stadt Wörgl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2010)

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