VDW: Die Wiener Design-Festwoche

Wiener DesignFestwoche
Wiener DesignFestwoche(c) Clemens Fabry
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Vom 30. September bis 9. Oktober findet in Wien die Vienna Design Week statt. Ein Rundgang durch die Highlights eines Festivals, das die kreative Szene und die Stadt in Zukunft noch nachhaltiger prägen will.

Nachdenken zahlt sich immer aus. Wer das nicht glauben mag, sollte dieser Tag einen Rundgang durch die zahlreichen Schauplätze der Vienna Design Week (VDW) starten. Dort sind nämlich an den verschiedensten Ecken und Enden der Stadt die Ergebnisse dieser Nachdenkprozesse der Designer – oft in Kooperation mit traditionellen Produktionsstätten – zu sehen. Um sich bei den über 100 Projekten und Veranstaltungen zurechtzufinden, muss nur Ausschau nach einem roten Stuhl gehalten werden. Überall dort, wo das Erkennungszeichen des Designfestivals angebracht ist, verbirgt sich sich nämlich ein Teil der Design Week.

Und die hat sich heuer traditionell nicht nur auf die Wiener Innenstadt konzentriert, sondern auch einen Schwerpunktbezirk ausgewählt. Gut, dass sich ausgerechnet im zweiten Wiener Gemeindebezirk derzeit auch ohne VDW einiges tut, ist bekannt. Allerdings nicht gerade in den Ecken zwischen Taborstraße und Volkertmarkt, die heuer ausgewählt wurden. Ein besonders schönes Beispiel, das die Intention der Vienna Design Week auf den Punkt bringt, findet sich in einem kleinen Atelier in der Großen Pfarrgasse. Die Werkstatt, die vor ein paar Wochen noch eher an eine überfüllte Rumpelkammer erinnert hat, wurde für die Design-Gäste ordentlich herausgeputzt. Tapessier Philippe Telliez hat sich auf eine Zusammenarbeit mit Beza Projekt eingelassen. Dahinter stecken die beiden Warschauer Designerinnen Anna Łoskiewicz und Zofia Strumiłło-Sukiennik – Polen ist das diesjährige Gastland. Herausgekommen ist ein Möbelstück namens „Swinging“, das eine Mischung aus Schaukel und Objekt ist.

Telliez, der die Bezeichnung Tapezierer strickt ablehnt, ist von den beiden Designerinnen durchaus angetan. „Ich bin seit 30 Jahren in der Branche, war lange als Wandergeselle tätig und restauriere normalerweise alte Schlösser“, sagt der gebürtige Franzose. Genauer gesagt fertigt er textile Wandbespannungen oder Vorhänge an und restauriert antique Polstermöbel. „Ich fand die Idee, mich von jungen Designerinnen führen zu lassen, lustig“, sagt er. Die beweglichen Sitzmöbel, die dabei entstanden sind, will der Tapessier durchaus verkaufen und bei Bedarf in einer größeren Stückzahl herstellen.

Der Verkauf des Produkts ist auch bei der Zusammenarbeit zwischen dem Designer Uli Budde und A.E. Köchert Juweliere geplant – beziehungsweise war er aufgrund des teuren Ausgangsmaterials, 18-karätigem Gold, vom Juwelier gewünscht. „Es sollte schon ein tragbares Schmuckstück entstehen, ansonsten hatte ich aber sehr viele Freiheiten“, sagt Budde. Er hat sich für die Entwicklung seines ersten Schmuckstückes den Brillantschliff als Thema ausgesucht. „Ein Diamant gilt als besonders wertvoll und unzerstörbar. Ich wollte ihn von diesen Mythen befreien.“ Das tat er, indem er versuchte, den Brillanten aufzubrechen. Wenn auch nicht das Ausgangsmaterial selbst, sondern in Form eines Anhängers aus Gold der einem aufgebrochenen Brillanten ähnelt.


Hochstand im vertikalen Garten.
Neue Produktentwicklungen sind bei der Design Week zwar durchaus erwünscht, aber keinesfalls Bedingung. Das macht etwa der Hochstand, den der Designer Konstantin Schmölzer vor den vertikalen Garten im Jean-Nouvel-Bau platziert hat, deutlich. Oder das temporäre Café Sonja, bei dem die Wiener Küche aus dem Café Drechsler am Naschmarkt und die Bestuhlung von PostlerFerguson aus London – transportiert in Reisekoffern – kommt. Oder aber die Installation des Kanadiers Philippe Malouin, der für J. & L. Lobmeyr nicht nur neue, kleine Sanduhren entworfen hat. Eine überdimensionale rotierende Maschine projiziert auf den Boden des Traditionshauses ein Muster aus Sand, das an einen Zen-Garten erinnert. Der Designer will damit auf die Zeit anspielen, die der Traditionsbetrieb braucht, um ein neues Stück Glas herzustellen.

Und Zeit ist auch ein Faktor, der für die Design Week nicht ganz unwesentlich ist. Immerhin wollen die Veranstalterinnen nicht, dass der ganze Zauber nach dem letzten Tag der VDW, dem 9.Oktober, vorbei ist. „Es geht uns bei dem Festival auch um Nachhaltigkeit in Form von Folgeaufträgen“, sagt Lilli Hollein, die gemeinsam mit Tulga Beyerle für das Festival verantwortlich ist. Und: Man möchte sich auch unterm Jahr als Anlaufstelle für österreichisches Design positionieren. Deshalb wird in Zukunft verstärkt Wert auf internationale Gäste gelegt. Dass die VDW dem deutschen „Spiegel“ einen größeren Artikel wert war, freut die Veranstalterinnen daher besonders.


Raus aus der Nische. „,Der Spiegel‘ ist kein Nischenmedium, das gilt auch für Design“, sagt Hollein. Um das auch einem Publikum abseits der Designszene zu vermitteln, haben Besucher etwa beim Projekt „Labor“ im Stilwerk die Möglichkeit, Grafik- und Produktdesignern bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen.

Zumindest bei jenen Unternehmen, die über die Passionswege mit Design (erstmals) in Berührung kamen, hat sich der Zugang zur Materie bereits geändert. Design wird weniger als etwas Abstraktes, Künstlerisches verstanden, denn als ein Werkzeug, das dazu dienen kann, die unternehmerische Identität zu transportieren. So gaben in einer aktuellen Umfrage der VDW 56 Prozent der Unternehmen an, dass sich durch die Teilnahme ihr Design-Verständnis geändert hat. 72 Prozent wollen dadurch gar neue Kunden gewonnen haben. Keine schlechten Ergebnisse für einen Nachdenkprozess.

Experten-Speed-Dating
Am 5. 10. lädt Departure zum flotten Wissenstransfer mit Branchenkennern (PR, Management, Rechtsberatung) ein. Ab 16 Uhr im Stilwerk, Praterstraße 1. Anmeldung ab 15.30 Uhr.

Von der Idee zur ausgereiften Lösung
Auch AWS Impulse lädt zum Talk: Insider berichten am 5. 10. von ihren Erfahrungen. Ab 18.30 Uhr im Designforum MQ, Anmeldung bis 3. 10. via impulse@awsg.at

»Die Presse«-Diskussionsrunde: Marke Österreich
Am 4. 10. ab 18.30 Uhr im Décor im Augarten, Anmeldung via leservorteile@diepresse.com

Vienna Design Week:

Wann?
Vom 30. September bis 9. Oktober findet in Wien die Vienna Design Week statt.

Wo?
An 52 Standorten im ersten und zweiten Wiener Bezirk werden Projekte präsentiert sowie Diskussionen und Veranstaltungen geboten. Der Infopoint befindet sich im Stilwerk im Jean-Nouvel-Tower am Donaukanal.

Was?
Mehr als 100 Projekte und Veranstaltungen zum Thema Design. Polen ist das heurige Gastland. Zusätzlich gibt es einen Social-Design-Schwerpunkt. Programm unter viennadesignweek.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2011)

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