Kreative: "Per Du sind wir nur im Netz"

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Mit ihren Social-Media-Auftritten möchten sich Firmen als glaubwürdig, authentisch und lebensnah darstellen. Kreative werden oft als besonders sympathisch empfunden.

Größter Nutznießer der Social-Media-Manie der jüngeren Vergangenheit ist, das weiß man spätestens seit Ende letzter Woche, der Facebook-Gründer und darob Neomultimilliardär Mark Zuckerberg. Im Fahrwasser seiner Erfindung entstehen nun ständig neue Plattformen, und Firmen variierender Größe laborieren an ihrer Imagepflege, geben sich auf eigenen Fanpages kommunikativ, weltoffen und interaktionsbereit. Häufig geht es da um das Erzählen von Geschichten und, infolgedessen, die erhoffte „Vermenschlichung“ von Unternehmen und ihren Marken. Das wiederum liegt häufig den Kleinen mehr als den Großen – und besonders leicht tun sich die Kreativen mit ihren Bildern und Anekdoten. Wem nützt ein professioneller Social-Media-Auftritt aber wirklich, und wie genau kann er wirken?

Echt und ungeschönt. Anita Posch, die mit ihrer Partnerin Martina Gruber die auf Social Web und E-Commerce-Consulting spezialisierte Agentur Querform betreibt, ist überzeugt, dass für einen zeitgemäßen Markenauftritt mittelfristig kein Weg um Social Media herumführt. Immer mehr Firmen würden sich dem Trend zur „Humanization“ ergeben, wobei in jedem Fall gut abzuwägen sei, auf welchen der verfügbaren Kanäle man setze. („Einem Maschinenbau-Unternehmen werde ich nicht raten, auf Pinterest aktiv zu werden.“) Für einen sinnvollen Social-Media-Auftritt hat Posch eine grundsätzliche Empfehlung parat: „Es ist immer besser, wenn eine Fanpage, ein Blog oder ein Twitter-Feed von einem Angestellten befüllt wird und nicht von einem Außenseiter. Kleinere Unternehmen haben den Startvorteil, dass sie als besonders authentisch wahrgenommen werden.“ Oberstes Ziel müsse dabei das „Überwinden der Online-Offline-Schwelle“ sein, also das Umleiten von kaufwilligen Kunden in Webshops oder Geschäftsniederlassungen.

In Sachen Online-Offline-Verschränkung sorgte zuletzt C&A in Brasilien für Aufsehen: In die Kleiderbügel ausgesuchter Läden wurde eine Anzeige integriert, die den Beliebtheitsgrad (die „Likes“) einzelner Modelle ausweist und so die Kaufentscheidung erleichtern soll. Etwas weniger umständlich funktioniert derweil die Anbindung an das echte Leben bei dem Social-Media-Auftritt des Wiener Modelabels „Use a Brand“ von Moritz Baier und Anna Rihl mit Shop im siebten Bezirk. Auch hier setzt man zwar auf das Abstimmungsprinzip, nämlich das Konzept von „usergenerierter Mode“.

So kann jeder über die Firmenhomepage Entwürfe einreichen, über die von der Online-Community abgestimmt wird. Es gibt auch eine Facebook-Fanpage, einen Blog und einen Twitter-Feed; die Nutzung von Social Media lag schließlich auf der Hand, hier werden Rihl und Baier von der Betriebswirtin Cornelia Bosch unterstützt. Ihre Erfahrungen zeigen, dass nicht immer das Ausgeklügeltste am besten aufgenommen wird. „Oberstes Gebot ist, keine Storys zu erfinden, sondern zu dokumentieren, was man ohnehin machen würde“, fasst Baier zusammen. Anna Rihl ergänzt: „Wir haben immer wieder gesehen, dass nicht unbedingt die Einträge, hinter denen der größte Aufwand steht, am besten aufgenommen werden.“ Ein Outfit, eine Schaufensterdeko, eine Lookbookseite, mit knappem Kommentar versehen, kommen gut an. „Sobald wir Kollektionsbilder gepostet haben“, meint Cornelia Bosch, „kommen Kunden in den Laden.“ Auf Webshop-Umsätze würde, meinen die drei, der Einfluss geringer ausfallen.

Freunde – nur im Netz.
Ausschließlich an Echtlebenskundenströmen interessiert sein muss freilich die Wiener Buchhändlerin Anna Jeller, die „aus dem Bauch heraus“ eine Facebook-Seite betreibt, wo sie – Literatur ist ein schönes Thema – Neuerscheinungen vorstellt oder den Prozess der Schaufensterdekoration begleitet. Frau Jeller sieht Facebook als Kommunikationsstütze und ein „Instrument der Kundenbindung“; auch berichtet sie von erstaunlichen Verhaltensmustern: „Es gibt Kunden, die mit mir auf Facebook per Du sind; und wenn sie ins Geschäft kommen, sind wir per Sie.“

Imagebildung steht bei einem anderen, branchenunüblichen Webauftritt mit Social-Media-Charakter im Vordergrund: So ist UrbanMining.at der Blog von Altmetalle Kranner mit angeschlossenem Twitter-Feed, das eben dem „Urban Mining“ (die Großstadt als Rohstofflieferant im Re- und Upcycling-Kontext begriffen) Reverenz erweist und aus diesem Umfeld berichtet. Für das Webdesign wie auch die Content-Erstellung arbeitet man mit einer Agentur zusammen; Geschäftsführerin Brigitte Kranner hat sich jedoch keineswegs aus Gründen einer persönlichen Web-Affinität zu diesem Vorstoß durchgerungen: „Mein Mann und ich gehören beide der Generation 50+ an und erachten privat Social-Media-Kanäle nicht als lebensnotwendig. Für meine Firma sehe ich das anders.“

Gut aufgepasst.
Konsumgüter mit hohem Wiedererkennungswert profitieren im Web von ihrem Bekanntheitsgrad. Ein Unternehmen wie der Süßwarenhersteller Pez hat wenig Mobilisationsprobleme auf Facebook. Die viel beschworene Authentizität erreiche man, so Marketingchefin Gabriele Hofinger, weil man nur eigene Mitarbeiter bemüht. „Die haben wir aber zu Seminaren geschickt, weil mir auch wichtig war, dass sie sich mit der rechtlichen Seite auskennen.“ Wichtig sei, meint Hofinger, auch aktives Überwachen von Social-Media-Kanälen, sogenanntes Monitoring. Tatsächlich führte dieses Verständnis ausgehend von einem Tweet der britischen Moderatorin Emma Freud (Sigmunds Urenkelin) zur Teilnahme von Pez an der Red-Nose-Day-Charity in Großbritannien. Da wird die Facebook-Fangemeinde wieder etwas zu „liken“ haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2012)

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