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Insider-Newsletter und Apps verbreiten auch in Wien Stadtgeheimtipps, die bald keine mehr sind: Noch lässt sich kaum Geld damit verdienen, den Kreativstandort stärken sie allemal.

Sie sind jung, sehen gut aus und ihr Leben scheint sich um eine einzige Frage zu drehen: Wo geht man derzeit hin? Was einfach klingt, kann ganz schön anstrengend sein. Immerhin kann diese Frage immer nur kurzfristig beantwortet werden. Denn wenn die Masse oder – noch schlimmer – der Mainstream dort angelangt ist, ist die Location, egal ob Galerie, Shop oder Restaurant, für Insider längst uninteressant.

Wobei das heute mit dem Up-to- date-Sein schon wesentlich einfacher ist als noch vor ein paar Jahren. Natürlich sind das persönliche Netzwerk und die Mundpropaganda nach wie vor das wichtigste Werkzeug für jene urbanen Menschen, die stets am Puls der Zeit sind – oder zumindest sein wollen. Mittlerweile gibt es aber ein paar elektronische Gehilfen, die wenn auch nicht einen Überblick über das urbane und kreative Stadtleben so doch den ein oder anderen wertvollen Tipp geben können.


Aus Liebe zur Stadt.
„In meiner Studentenzeit hat es in der Stadt nicht viel gegeben. Heute tut sich aber so viel, da braucht es einfach ein paar Empfehlungen“, sagt dazu Irene Sagmeister. Sie ist Herausgeberin der Wiener Ausgabe des „Le Cool“-Newsletters, der einmal wöchentlich über Ausstellungen, Veranstaltungen, Shops oder Restaurants in der Stadt informiert. Vor neun Jahren wurde der Newsletter in Barcelona ins Leben gerufen, mittlerweile sind neun weitere Städte dazugekommen. Seit eineinhalb Jahren können sich auch die Wienerinnen und Wiener via „Le Cool“ über das Stadtleben informieren. Knapp 10.000 Menschen tun das derzeit mittels Newsletter oder Facebook. Zeitgenössische Kunst ist der Redaktion dabei ein besonderes Anliegen. Das Cover, also das erste Bild des Newsletters, wird stets von einem heimischen Künstler gestaltet.

Sagmeister geht es – wie den meisten der städtischen Newslettermacher – nicht nur darum, den Wienern und Touristen die interessanten Ecken der Stadt näher zu bringen. Die Marketingexpertin ist begeistert davon, dass sich „in den letzten Jahren in Wien endlich etwas tut.“ Sie will das auch stärken, die Szene untereinander vernetzen und damit auch den Gegentrend zur Globalisierung unterstützen. „Mittlerweile sieht jede Stadt gleich aus, überall gibt es einen H&M und Co. Da ist es gut, wenn sich ein paar Leute trauen, etwas anderes zu machen.“ Sagmeister arbeitet mit einem Team aus 15 bis 20 Autorinnen – Männer sind bei „Le Cool“ derzeit in der Minderheit –, die alle unentgeltlich schreiben. Lediglich Freikarten für die jeweilige Veranstaltung gibt es für die Texte. Chefredakteurin Annabella Khom nennt den Newsletter ein „Sprachrohr für Wienliebhaber“ und beteuert, dass die Autorinnen das aus Liebe und Begeisterung für die Stadt tun würden. „Wir schreiben über Dinge, die uns interessieren und die wir ohnehin besuchen.“

Hört man sich bei den anderen Newslettermachern um, taucht dieses Argument immer wieder auf. Da weder von den Abonnenten noch von den besprochenen Unternehmen Geld verlangt wird, ist man – wenn überhaupt – auf Werbeeinschaltungen angewiesen. Dass sich mit so einem Insider-Newsletter Geld verdienen lässt, können die meisten Herausgeber (noch) nicht von sich behaupten. Allerdings kann das ganze – je nach Hauptjob – auch das eigene Geschäft beflügeln. Immerhin wird durch diese Publikationen auch die Stadt als Kreativstandort gestärkt.


Täglich ein Geheimnis. Für Stergios Prapas ist das jedoch nicht relevant. „Der Newsletter ist mein kleines Baby, mein Geld verdiene ich woanders“, sagt der gebürtige Grieche, der seit eineinhalb Jahren den Newsletter „Vienna Daily Secret“ betreibt. Zum Geldverdienen hat er vor fünf Jahren das Unternehmen Agent24 gegründet, das Concierge-Dienstleistungen anbietet.

Ähnlich wie „Le Cool“ hat auch „Daily Secret“ seinen Ursprung in einer anderen Stadt. 2010 kamen ein paar Freunde von Prapas in Athen auf die Idee, gerade in Zeiten der Krise kleine Unternehmen und Start-ups zu fördern. Mittlerweile gibt es „Daily Secret“ in 14 Ländern mit insgesamt 340.000 Abonnenten. Den Wiener Newsletter, der von Montag bis Freitag einen Geheimtipp publiziert, lesen derzeit 11.200 Menschen. Keine schlechte Bilanz, wenn man bedenkt, dass Prapas alleine arbeitet. Wenn er die 15.000-Marke erreicht hat, will er mittels Werbeeinschaltungen ein kleines Team finanzieren. Auch eine App soll kommen.


Geschäftsmodell Shopping-App. Auf die wiederum setzen Phillip Sulke, Nora Woloszczuk und Oliver Metlewicz schon länger. Die drei Wiener, die ihren Lebensmittelpunkt nach New York verlegt haben, verdienen mit ihrem Projekt Shopikon gar ihr Geld. Der Shopping Guide in Form einer App soll Einheimischen und Touristen außergewöhnliche Shops in den diversen Städten näher bringen. Begonnen wurde mit Barcelona, mittlerweile gibt es die App auch für New York, London und Wien. „Wir haben eine sehr kritische Auswahl und besichtigen jeden Shop selbst“, sagt Sulke, der bereits an die 5000 Geschäfte besichtigt hat und mit freien Autoren zusammenarbeitet. Er will mit den Bewertungen den „independent retail stärken“. Finanziert wird Shopikon über Werbemittel und einen integrierten Online-Shop. Das Feedback ist positiv – von Seiten der Nutzer als auch der Unternehmen. Letztere fragen immer öfter bezüglich einer Vernetzung untereinander an. Spätestens dann tragen die Geheimtipp-Newsletter auch zur Belebung der Kreativszene bei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2012)

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