Ein Tag ist nicht genug: Heirate lieber ungewöhnlich

In der gehobenen Mittelschicht ist es schon länger schick, kostspielige Hochzeitsgalas für mehrere hundert Gäste auszurichten.

Eine Fotoecke mit skurrilen Utensilien für die Gäste des Brautpaars gehört aktuell zur Minimalausstattung einer modernen Hochzeit. Bunte Brillen, Perücken oder Sprechblasen, in die man Glückwünsche für das Paar schreiben kann, bringen alle zum Lachen – und am Ende eines langen Tages Leichtigkeit in eine Sache, die monatelang generalstabsmäßig geplant wurde.

Kutschenfahrt, berühmte Sänger, supergeschmackvoll dekorierte Galatische, mitternächtlicher Hotdog-Stand– die eigene Hochzeit wird in der gehobenen Mittelschicht gern als teures Großevent inszeniert, das schnell 20.000 bis 40.000Euro kostet. Das Schmalspurprogramm „Standesamt, Kirche, Wirt ums Eck“ ist schon lang mehr Ausnahme als Regel. Brautpaare wollen heute nicht nur einfach vor Zeugen Ja sagen. Vielleicht, weil sie sich im Durchschnitt länger Zeit lassen mit dem Heiraten – und wenn es so weit ist, mit Ende 20, Anfang 30, will man dem bis dahin durch Studium, Auslandsaufenthalte und erste Berufsjahre ordentlich angewachsenen Freundes- und Bekanntenkreis nicht nur zeigen, wie gern man einander hat, sondern dass man verdammt noch mal eine wirklich fette Party feiern kann.

Wer schon in der Traumwohnung wohnt, am Anfang einer vielversprechenden Karriere steht und sich die gewünschten Autos, Reisen und/oder Hobbys dank Einkommen und/oder dem entsprechenden familiären Background leisten kann, der muss nur noch in der letzten Disziplin namens „Super-Wedding“ reüssieren. Also wird entweder wirklich groß in Palais, Schlössern oder (wenn auch in Österreich eher seltener) auf dem Privatgrundstück gefeiert. Oder besonders individuell, in Südfrankreich oder Italien oder an ganz speziellen Locations. Das Haus im See der Familie Eselböck etwa lebt in den Sommermonaten gut von Hochzeiten.

Wenn ein oder beide Teile des Brautpaars eine Zeit im Ausland studiert oder gelebt haben oder nicht an ihrem Wohnort feiern, wird die Hochzeitsfeier schnell zum Dreitagesfest mit striktem Dresscode: Tracht bei der Soirée am Vorabend. Cut in der Kirche am Nachmittag. White Tie (bodenlanges Ballkleid für sie, schwarzer Frack für ihn) beim abendlichen Gala-Dinner. Sportlich-leger und mit Sonnenbrille beim Brunch am Tag danach. Dass Gäste für Outfits und Hotelzimmer bezahlen, ist dabei selbstverständlich.

Dass Hochzeiten von Kindern aus bürgerlichen oder aristokratischen Familien heute in der Regel größer sind, als die ihrer Eltern vor 30 Jahren, lässt sich erklären. Weil Freundeskreise dank Studium, sozialer Netzwerke und Berufe beider Partner noch einmal größer sind als früher – und wenn man Glück hat, der Wohlstand in einer Generation sich gesteigert hat. Den Rest hat die US-Eventkultur erledigt. Wer regelmäßig die Wedding-Seiten der Wochenendausgabe der „New York Times“ liest, erfährt fast nur von Hochzeiten der Upper- oder Middleclass in der eben beschriebenen Dimension.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

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