Nicole Kidman: "Ich bin wie Ebbe und Flut"

Nicole Kidman Ebbe Flut
Nicole Kidman Ebbe Flut(c) REUTERS (CARLO ALLEGRI)
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Die Schauspielerin Nicole Kidman feiert derzeit ein Comeback, in dem sie ihr ganzes Können zeigt: Als Kriegsreporterin Martha Gellhorn, als Geliebte eines Mörders und als Grace Kelly. Ein "Presse"-Interview.

Spätestens seit sie die Kurtisane Satine in „Moulin Rouge“ spielte, ist die Australierin Nicole Kidman ein Weltstar. Für ihre Rolle als Virginia Woolf in „The Hours“ erhielt sie den Oscar. Zuletzt spielte sie Martha Gellhorn, Kriegsreporterin und Frau Ernest Hemingways. Demnächst steht Kidman als Grace Kelly vor der Kamera. Zum Interview in Cannes kommt Nicole Kidman barfuß. Was erst spät auffällt, da sie auch ohne High Heels 1,80 Meter groß ist.

Sind Sie auch so mutig und kämpferisch wie Martha Gellhorn, die Sie spielen?

Nicole Kidman: Es wäre toll, wenn ich nur ein Zehntel ihres Abenteurergeistes hätte, und von ihrer Leidenschaft, sich von nichts abbringen zu lassen. Mir hat imponiert, dass Martha ihrem Herzen und ihren Idealen bis zum Ende ihres Lebens treu geblieben ist. Sie erinnert mich an die US-Journalistin Marie Colvin, die in Syrien ums Leben gekommen ist – was nur in einer kurzen Pressemeldung erwähnt wurde. Ich würde mich freuen, wenn ich dazu beitragen könnte, dass auch Colvin für ihren Einsatz Anerkennung findet.

Wie würden Sie gern mit 80 sein?

In dem Punkt unterscheide ich mich völlig von Martha. Denn ich würde dann gern mit meinem Mann zusammen unsere Liebe genießen. Ich würde gern in seine alt gewordenen Augen schauen. Ich habe Keith (Urban, Anm. der Red.) erklärt, dass ich kein Problem damit haben werde, so eine Omi zu werden, die sich um nichts anderes als um ihre Enkelkinder kümmert.

Wie bewältigen Sie Ihren Alltag? Einerseits Filme zu drehen, die viel Intensität, Aufmerksamkeit und Zeit erfordern, und gleichzeitig einem Mann und zwei Kindern gerecht zu werden?

Ich spreche mich mit Keith genau ab. Ich organisiere meine Drehs um seinen Terminkalender herum. Wenn ich meine Filme dazwischen schieben kann, mache ich das. Sonst lasse ich es lieber bleiben, weil ich unsere Familie nicht auseinanderreißen möchte.

Sie definieren sich stark über Ihr Muttersein. Fällt es Ihnen schwer, Frauen zu verkörpern, die sich über ihre Arbeit definieren?

Jedem ist ein Weg vorbestimmt: Manche werden Mütter, manche werden Väter, andere eben nicht. Richtig oder falsch ist weder das eine noch das andere. Martha Gellhorn war eigentlich mit allen Menschen dieser Welt verheiratet, die Tragödien und Grausamkeiten durchlebten. Ihnen wollte sie eine Stimme geben. Darin bestand ihre Arbeit, ihr Lebenswerk. Das ist genauso wertvoll wie die Arbeit von jemandem, der ein Kind oder sechs Kinder großzieht.

Nach Ihren zwei Kindern haben Sie jetzt eine Art Comeback. Sie sind auch in „The Paperboy“ von Lee Daniels zu sehen.

Ich bin wie Ebbe und Flut. Entweder ich habe geradezu kreative Anfälle oder ich möchte einfach nur zu Hause sein. Das Einzige, was sicher ist, ist, dass ich als Nächstes Grace Kelly spiele. Danach werde ich für eine Weile wieder eine Pause einlegen. Meine Leidenschaft entflammt nur noch punktuell, aber dann von null auf hundert!

Was hat Sie denn so dafür entflammt, Grace Kelly zu spielen?

Das Drehbuch! Das ist hervorragend und erzählt eine Phase ihres Lebens, von der ich nichts wusste – die Zeit, in der sie erst zwei Kinder hat, also vor Stéphanies Geburt. Der Film erzählt nicht ihr ganzes Leben, aber – so viel sei verraten – es ist wirklich eine tolle Geschichte!

In „The Paperboy“ spielen Sie eine Frau, die sich in einen Mörder verliebt. Wie haben Sie Zugang zu dieser fast ordinären, aber herzensguten Über-Barbie bekommen?

Der Regisseur sagte mir, dass wir kein Budget für Make-up und Haare hätten und dass ich alles selbst machen müsste. Also ging ich ins Bad, trug Selbstbräuner auf, klebte mir falsche Wimpern an und steckte mir ein Haarteil auf. Dann fotografierte ich mich in provokativen Posen und schickte die Fotos an Lee. Seine Antwort: „Das haut hin!“

Sie sind in der Rolle in extrem gewagten Szenen zu sehen, z. B. bei der Selbstbefriedigung im vollen Besucherraum des Gefängnisses. Fiel es Ihnen schwer, so schamlos zu wirken?

Auf so eine Rolle wartet man doch. Darum bin ich Schauspielerin geworden: um mich an andere Orte, in andere Menschen, in andere Seelen zu begeben. Ich will nicht hören: „Das kannst du nicht spielen!“ Lieber bin ich bereit, mal grandios zu scheitern. Aber ich möchte es zumindest versucht haben.

Nicole Kidman
wurde 1967 in Honolulu auf Hawaii geboren. Kidman wurde in Australien zum Star ehe Hollywood sie entdeckte.

Mit Tom Cruise bildete Kidman lange Zeit eines der wichtigsten Power-Paare der Filmindustrie. Nach ihrer Trennung startete sie als Schauspielerin allerdings erst richtig durch, unter anderem in „Moulin Rouge“ und „Unterwegs nach Cold Mountain“.

2003 erhielt sie den Oscar für ihre Rolle der englischen Schriftstellerin Virginia Woolf in „The Hours“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2012)

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