Leoparden in der U-Bahn: Monica Reyes auf Solotrip

(c) Julie Brass
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Monica Reyes, Schauspielerin und Teil der Schwesternband Sawoff Shotgun, hat mit "Schmusen" ein eindrucksvolles Debütalbum aufgenommen. Darin vertieft sie ihre Beobachtungen der Generation der heute 30-Jährigen.

„In Wien hab ich meine Heimat gefunden“, sagt Monica Reyes. Und das Wienerische liebt sie, obwohl sich ihre Zunge nicht ganz so lax bewegt, wie es das hiesige Idiom verlangt. Kein Wunder, Monica Reyes ist halb Spanierin, halb Australierin, wuchs in einem Dorf in der Steiermark auf und lebt heute in Berlin und Wien. Auf „Sachertorte“, ihrem FM4-Hit von vor zwei Jahren, versuchte sie sich gar darin, ein eigenes Wienerlied zu schreiben. Es wurde eine hinreißende Hommage an all die guten zucker- oder alkoholhaltigen Beziehungssurrogate.

Für ihr eben erschienenes erstes Album „Schmusen“ vertiefte sie ihre Beobachtungen der Generation der heute 30-Jährigen. Da sind die gut Ausgebildeten, beruflich Integrierten, aber dennoch ewig Unzufriedenen, deren halbherziges Aufbegehren Reyes mit punktgenauer Häme in „Revolution in der Disco“ beschreibt. „Ich habe es so satt, tagein, tagaus zu funktionieren, nur Ja und Amen sagen und nicht zu protestieren“, singt sie mit kunstvoll leidender Stimme, ehe sie einen überraschenden Vorschlag lanciert: „Komm lass uns auf keine Zukunft bauen – Revolution; lass sie uns doch einfach gleich versauen – in der Disco.“ Zu immer kühneren Losungen fiepsen da die sanft groovenden Synthiebässe.

„Das Problem ist“, sagt Reyes, „dass die Leute bei uns nie unglücklich genug sind, um irgendwas gegen ihr Unbehagen zu unternehmen. Im Vergleich zu Ägypten, wo ich kürzlich aufgetreten bin und die Menschen meines Alters politisch total aktiv sind, herrscht bei uns doch sehr das Klagen auf hohem Niveau vor.“ Mit ihren lakonischen Texten schließt Reyes an berühmte Kollegen wie Element Of Crime, Blumfeld und Gisbert Zu Knyphausen an.

Dass ihr das Wort so wichtig ist, liegt auch an ihrem Hauptberuf. „Der Schauspielerei liegt genauso wie dem Singen die Auseinandersetzung mit einem Text zugrunde.“ Mit dem Unterschied, dass sie bei ihren Liedern völlig selbstbestimmt ist. Mit den Rollen, die sie angeboten bekommt, ist sie nicht immer zufrieden. „Beim Film muss man schon Sachen annehmen, die einen intellektuell nicht extrem fordern. Da gilt es dann, das Beste daraus zu machen. Beim Theater hat man bessere Wahlmöglichkeiten. Dort gilt, es gibt nichts Gutes im Schlechten.“

Zweierbeziehungen sind da schon anders gebaut. Mit gnadenloser Offenheit singt Reyes über falsche Kompromisse und im Nachhinein geschönte Debakel. Ist Schmusen nicht etwas, wofür sich die Herzen der Damen mehr erwärmen als die der Herren? Reyes verneint. „Auch Männer haben Sehnsucht nach Zärtlichkeit. Schmusen war ein großes Thema, als wir vierzehn waren und wie ich erstaunt bemerke, ist es das zwischen dreißig und vierzig noch immer.“


In ihren abwechslungsreichen Songs denkt Reyes auch mit reichlich Sarkasmus über Exfreunde, zu ehrgeizige Jungmütter und soziale Medien nach. „Facebook ist ein gutes Medium und Marketingtool, trotzdem habe ich den Eindruck, dass die Leute, die da dabei sind, in Gefahr sind, zu vereinsamen.“ Selbst liest sie lieber richtige Bücher, keine E-Books. Statt Songs aus dem Internet runterzuladen legt sie sich lieber eine Schallplatte auf. Reyes lacht: „Es sieht ganz danach aus, als wäre ich im analogen Zeitalter stecken geblieben. Meine CD ist der beste Beweis für meine Rückwärtsgewandtheit.“ Während sie in ihren Liedtexten den Klischees großräumig ausweicht, hat sie für das Artwork ihres Albums auf die beliebte Analogie „Frau = Raubkatze“ zurückgegriffen.

Wie kam es, dass sie sich so politisch unkorrekt mit einem ausgestopften Leoparden auf den Laken räkelt? „Zunächst wollte ich ein viel extremeres Tier, nämlich einen Eisbären. Als ich den mit meinen 49 Kilo und ohne Auto in einem Berlin Fundus abholen wollte, haben die Leute dort einen Lachkrampf bekommen. Der war viel zu schwer für mich. Zufällig bekamen sie gerade ein Raubkätzchen rein. Mit ihm war U-Bahn-Fahren möglich.“

Auf einen Blick

Monica Reyes (32) wurde in Graz geboren und studierte in Wien und Sydney. Mit ihren Schwestern bildet sie die Band Sawoff Shotgun, als Schauspielerin spielte sie u. a. in „Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott“. Sie ist mit Physikerenkel Emanuel Heisenberg verheiratet. Aktuelles Album: „Schmusen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2013)

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