3:2 in der Berliner Cordobar: Ein Freundschaftsspiel

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In vino unitas: Als Wirte werken zwei heimische Topsommeliers, ein deutscher Regiestar und ein Musikzampano. Und als Koch: Mraz junior.

Wie auch immer das Länderspiel am Freitagabend ausgegangen sein mag (man verzeihe bitte, der Redaktionsschluss): Cordoba bleibt unvergessen. War es pure Gehässigkeit der längst ausgeschiedenen Österreicher, die Deutschen bei der WM 1978 zur tränenreichen Heimfahrt zu zwingen? Sie hatten doch nur noch eine theoretische Chance. Also war unser 3:2-Sieg eine Heldentat, über die wir mangels weiterer Anlässe bis in alle Ewigkeit jubeln dürfen. Ihr Preußen, spült den letzten Ärger mit einem Glas Wein hinunter.

Lasst euch beraten, mit Kompetenz und Schmäh, von zwei unserer besten Sommeliers. Wir stellen euch dazu eine Weinbar hin, in eure Hauptstadt Berlin, mitten in Mitte. Aber lasst sie uns – so viel freundliche Frechheit muss sein – Cordobar nennen.

Auf diese muntere Idee kamen Gerhard Retter und Willi Schlögl am Lütjensee. Retter stammt aus der Wirtsfamilie im steirischen Pöllauberg, arbeitete bei Witzigmann und Giradet und wurde 2009 zum „besten Sommelier Österreichs“ geadelt. Nun schenkt er in der Fischerklause, dem Familienbetrieb seiner Frau, feinen Menschen aus Hamburgs Speckgürtel (Augsteins wohnen gegenüber) aus seinem legendären Keller ein.

Schlögl, ebenfalls Steirer, verdiente sich seine Sporen bei Wein&Co. in der Mariahilfer Straße. Das Projekt im Visier, vermittelte ihn Retter an eine frühere Arbeitsstätte: das Berliner Luxushotel Adlon, wo Schlögl zuletzt im Petit Felix den Maître und Sommelier gab. Er hat sich dem Wein mit Haut und Haar verschrieben – wörtlich, ziert doch eine riesige Rebstocktätowierung seinen Rücken und Arm. Na bitte, das passt doch nach Berlin.


Diese Woche öffnete die Cordobar ihre Pforten. Das Konzept: die besten Winzer beider Länder, 60 laufend wechselnde offene Weine, mit Einstiegspreisen, die „die Schwellenangst nehmen“, wie Retter erklärt. Jeder soll sich wohlfühlen, ob er etwas von Wein versteht oder nur genießt. Dazu ein monatlich überarbeitetes Buch von 80Seiten, das schwindelerregende Einblicke auch in Retters internationale Schatzkiste gewährt. Kalkuliert wird der Mitnahmepreis, für das Trinken vor Ort kommen neun Euro dazu. Das klingt verdammt nach Wein & Co. Wenn der heimische Platzhirsch tatsächlich den deutschen Markteinstieg plant: Da ist ihm jemand voraus. In der Cordobar stünde es zu solcher Halbzeit freilich 2:0 für Österreich. Für ein deutsch-österreichisches Freundschaftsprojekt mussten also noch zwei Piefke-Promis mit ins Boot. Keine Gastronomen, wohlgemerkt. Christof Ellinghaus kennt sich wenigstens mit Lambchop aus. Das ist der Name einer US-Band, die der Musikfreak bei seinem kultigen Label City Slang erscheinen lässt. Und schließlich: Jan-Ole Gerster, mit seinem Debüt „Oh Boy“ der Jungstar unter Deutschlands Kinoregisseuren. Von Nord/Süd-Humorbarrieren kann beim schönsten und lustigsten Berlin-Film der letzten Jahre keine Rede sein: Er gewann den deutschen Filmpreis ebenso wie die österreichische Romy. Für die Cordobar werden die beiden Deutschen glamouröse Gäste aus der Film- und Musikszene herbeischaffen. Also 2:2, womit jeder gut leben kann.

Doch halt! In der Nachspielzeit haben die Ösis noch einen Coup gelandet. In dem Laden werkte mit Stefan Dreier schon einmal ein Landsmann. Er holte einen Ferran-Adrià-Schüler an den Herd. Aus dieser Zeit stammt eine perfekt ausgerüstete Küche. „Es wäre ein Frevel, diesen Rolls-Royce nicht zu nutzen“, erkannte Retter – und schnappte sich Lukas Mraz.

Der 23-jährige Spross der Wiener Gastrodynastie von „Mraz und Sohn“ ist eines unserer kreativsten Kochtalente. Nach einer Ochsentour durch europäische Drei-Sterne-Häuser darf er jetzt ganz entspannt als Begleitung zu den edlen Weinen Kleines und Feines mit heimischem Touch fabrizieren. Womit es doch wieder 3:2 für Österreich steht – sorry, ihr Deutschen. Aber wir schenken euch gern nach.

Auf einen Blick

Die Cordobar ist eine Berliner Weinbar, die in dieser Woche eröffnet wurde. Sie liegt in der Großen Hamburger Straße32 in Mitte. Die Betreiber bilden ein illustres Quartett: Gerhard Retter und Willi Schlögl zählen zu den profundesten Weinkennern Österreichs. Der deutsche Regisseur Jan-Ole Gerster wurde für seinen Film „Oh Boy“ mit Preisen überhäuft. Christof Ellinghaus betreibt das Berliner Plattenlabel City Slang. Am Herd steht Lukas Mraz, der Nachwuchs vom Wiener Gourmetlokal „Mraz und Sohn“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2013)

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