Pflanzlich und bewusst: Von der Bank ins eigene Deli

Pflanzlich und bewusst: Von der Bank ins eigene Deli
Pflanzlich und bewusst: Von der Bank ins eigene DeliClemens Fabry (Die Presse)
  • Drucken

Andrea Vaz-König wuchs mit Fertiggerichten auf. Dann legte sie ihre Bankenkarriere ad acta, um im Deli Bluem in der Josefstadt pflanzlich zu kochen.

Der Cappuccino verrät's: „Mit Soja- oder Cashewmilch“, fragt die Damen hinter der Theke und gibt so die Natur des Lokals zu erkennen: Pflanzlich geht es hier zu – das Wort vegan fällt auf Speisekarte und Website nirgends. Vielleicht hat sich deshalb die Restauranttester-Karawane schon hergetraut und das Angebot für gut befunden.

„Wir wollen das gar nicht an die große Glocke hängen“, sagt Andrea Vaz-König am großen Tisch im Hinterraum ihres Deli Bluem am Hamerlingplatz seitlich der Josefstädter Straße. „Wir bieten einfach frisch gekochtes, natürliches Essen, das satt macht.“ (Und ein bisschen Milch bekommt man auf Wunsch auch). Wobei, die Cashewmilch sei genial, auch zum Kochen. „Sie hat eine schlagobersartige Fetthaltigkeit, die Soja nicht so hat – und in Sojasahne sind dann ja doch immer Verdickungsmittel drinnen.“

Viele solcher Tricks habe sie auf Lager, sagt die 43-jährige Neo-Gastronomin, damit pflanzlich nicht „industrialisiertes Ersatzprodukt“ bedeutet. „Das ist auch der Grund, warum ich mir ein ganzes Jahr gegeben habe, um Lokale anzuschauen und Blogs und Bücher zu studieren.“ Zwei Monate lang hat sie in einem Londoner und einem Berliner Lokal gearbeitet. In Letzterem war das bestgehende Produkt die Tofuwurst. „Ein paniertes Stück Soja, das in der Plastikverpackung aus Asien kam. Ich bin dort an der Fritteuse gestanden und hab mir gedacht, das kann es nicht sein.“

Fast zwei Jahrzehnte hatte die Tochter eines spanischen UNO-Diplomaten davor in der Bankbranche Unternehmen bei der Finanzierung beraten. Als Sparring Partner habe sie sich verstanden, der Fragen stellt: Warum soll das funktionieren? „Eine total schöne Aufgabe“, sagt sie. Deswegen wurden aus geplanten drei am Ende 18 Jahre. „Aber ich wusste trotzdem immer, dass ich irgendwann etwas Eigenes will.“

Daneben habe sie immer gern gut gegessen, wenngleich nicht gekocht. Das war in ihrer Familie nie ein Thema; ihre eigene Mutter war berufstätig, der Kühlschrank gut gefüllt mit Fertigkost. In der Schwangerschaft begann Vaz-König sich bewusster mit dem Thema zu beschäftigen. „Ich wollte meinem Kind kein Pulver ins Flascherl geben. Das hatte für mich zu viel von Labor.“ Also fütterte sie beide Kinder nach dem Stillen mit Reiscongee, asiatischem Reisbrei. „Die Leute“, erinnert sie sich, „haben mich angeschaut, als ob ich frisch vom Mond gekommen wäre. Aber was haben die Kinder hier vor 50 Jahren denn gegessen? Auch Getreidebrei.“

Zum 40er habe sie schließlich von ihren Freundinnen einen „Tritt in den Hintern“ bekommen. „Sie wussten, dass mich das Thema Ernährung interessiert, dass ich als Managerin aber nie Zeit für einen Kurs hatte.“ Den absolvierte sie also, „und da habe ich eine ganz neue Welt entdeckt“. Zu Weihnachten 2011 ernährte sie sich zum ersten Mal rein pflanzlich. „Es war ein Gefühl, als würde mir jemand Mehlsäcke von den Schultern nehmen.“

Ein Bank- und ein Lebenszeitkonto

Nur ein Café oder Bistro, das fehlte ihr. Zur gleichen Zeit kam es zu Veränderungen in der Bank, die sie nicht mittragen wollte. Also entschied sie sich „gegen den bequemen Sessel und das viele Geld. Ich will mir nicht mit 80 denken, ich hätte es ausprobieren sollen. Es gibt ein Bankkonto, aber auch ein Lebenszeitkonto. Das wird einem oft erst viel zu spät bewusst.“

So schneidet sie jetzt Gemüse und hat das Gefühl, im „richtigen Leben“ angekommen zu sein. Bank brauchte Vaz-König dafür übrigens keine. „Ich habe mich nur so weit rausgelehnt, wie ich selbst finanzieren konnte, weil ich weiß, dass die Gastronomie das härteste Pflaster ist“, sagt sie. „Aber wir liegen vom Start weg über den errechneten Break-Even-Umsätzen.“

Zur Person

Andrea Vaz-König (43) wurde als Tochter eines UNO-Diplomaten in Südamerika geboren und wuchs großteils in Wien auf. 18 Jahre arbeitete sie in der Unternehmensfinanzierung, seit Anfang März betreibt sie das Café-Bistro und Take-Away Deli Bluem. Verarbeitet werden „Nahrungsmittel so, wie sie aus der Erde kommen und vom Baum hängen“. Alle Mitarbeiter können sämtliche Gerichte kochen, leben aber selbst nicht alle vegan. Auch Vaz-Königs Kinder entscheiden selbst. Hamerlingplatz 2, 1080 Wien. Kleiner Teller 6,50 Euro, großer Teller 10,50 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.