Die "heilige" Familie kommt im Heute an

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Im Vatikan hat die katholische Kirchenspitze am Samstag eine neue Ära eingeläutet. Zaghaft, aber doch. Homosexuelle in Partnerschaft könnten künftig genauso wenig verurteilt werden wie Geschiedene in einer neuen Ehe.

Maria, Josef, Jesus: So sieht das Urbild der katholischen Familie aus, die Heilige Familie, der laut römischem Kalender in der Liturgie des ersten Sonntags nach Weihnachten sogar eine spezielle Verehrung zukommt. Dieses Bild hat sich seit dem einschlägigen Betreiben durch Papst Leo XIII. an der Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert tief eingeprägt – nicht nur, aber besonders in das katholische Verständnis von Familie. Mutter, Vater, Kind. Die klassische Kleinfamilie also. Wie sie historisch gesehen eben erst seit längstens 150 Jahren dominiert.

Einer der Nachfolger Leos sah 1968 die Zeit gekommen, angesichts dessen, was als sexuelle Revolution sogar in Schulbücher Eingang fand, dieses Bild zu verteidigen. Paul VI. warb im Lehrschreiben Humanae vitae für Treue und Sexualität, die von der Liebe nicht abgetrennt wird. Nur, berühmt wurde er wegen seines Bannspruchs über Pille, Kondom & Co. In der Praxis spielte dieses Verbot kaum eine Rolle. Trotzdem: Heute wird Paul VI. von einem weiteren Nachfolger selig gesprochen, von Franziskus.

Jenem Mann, der seiner Kirche einen neuen Kurs gegenüber Geschiedenen, Homosexuellen, ob mit oder ohne Partner, und Ehen ohne Trauschein verordnen will. Zwei Wochen lang hat er deshalb 191 Kardinäle und Bischöfe aus aller Welt plus 62 Experten – unter ihnen doch tatsächlich auch Ehepaare – über die Situation der Familie beraten lassen. Am Samstagnachmittag wurde eine Schlussbotschaft präsentiert. „Christus hat gewollt, dass seine Kirche ein Haus ist, das immer eine offene Tür hat, [...] ohne jemanden auszuschließen“, heißt es darin.

Weitere Synode in einem Jahr. Die veröffentlichte Botschaft ist als Vorgriff auf das Abschlussdokument der Synode zu sehen. Definitive Entscheidungen waren bei dem Treffen allerdings ohnedies nicht vorgesehen. Ziel des von Papst Franziskus einberufenen außerordentlichen Treffens war vielmehr die Vorbereitung des zweiten Teils der Synode zum Thema, der 2015 stattfinden soll.

In der drei Seiten langen Botschaft vom Samstagnachmittag bringen die Bischöfe ihre besondere Solidarität mit Familien in materiellen und anderen existenziellen Notlagen zum Ausdruck. Zugleich sprechen sie voller Bewunderung von den Ehepaaren und Familien, die allen Bedrohungen und Problemen zum Trotz ihre Berufung als christliche Familien leben.

An zwei Stellen geht der Text auf die Ursachen und Konsequenzen von ehelicher Untreue und Scheidungen ein. An einer Stelle heißt es: „Nicht wenige Ehekrisen werden oft überhastet und ohne den Mut zur Geduld, zum gegenseitigen Verzeihen, zur Versöhnung und auch zum Opfer angegangen. Scheitern führt auf diese Weise zu neuen Beziehungen, neuen Paarbildungen, neuen Vereinigungen und neuen Eheschließungen. Dies bringt Familiensituationen hervor, die komplex sind und Christen vor problematische Entscheidungen stellen.“

An anderer Stelle erwähnen die Bischöfe, dass sie bei ihrer Synodenversammlung auch über die „seelsorgerische Begleitung und die Sakramentenzulassung der wieder verheiratet Geschiedenen“ nachgedacht haben. Das Ergebnis der Überlegungen ist allerdings nicht Thema der Botschaft.

Nach der Verabschiedung der Botschaft befassten sich die Bischöfe am Samstag mit der Debatte und Abstimmung über einen ausführlichen Synodenbericht, dessen Veröffentlichung für Anfang der kommenden Woche in Aussicht gestellt wurde. In diesem Bericht werden die Bischöfe wohl auch ihre Haltung zu wieder verheirateten Geschiedenen und zu homosexuellen Paaren zum Ausdruck bringen. Oder eben auch nicht.

Der deutsche Papstvertraute Kardinal Walter Kasper zeigt sich überzeugt davon, dass die Synode einen großen Schritt nach vorn gebracht habe. 2015 werde man die endgültigen Schritte festlegen. So viel Zeit müsse sein, denn „man kann nicht alles in Eile machen“. Das Wichtige sei eine gewisse Offenheit den Problemen gegenüber. Dabei warnte er davor, bestimmte Themen – etwa den Umgang mit Homosexuellen – zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen: „Man darf nicht diskriminieren, wir dürfen nicht verurteilen, man muss Respekt haben. Aber man muss auch nicht gleichstellen.“

Der emeritierte deutsche Kurienkardinal, der von Papst Franziskus als Teilnehmer der Synode benannt wurde, hatte im Februar in dessen Auftrag eine Grundsatzrede zu Ehe und Familienseelsorge gehalten und sich für eine „barmherzige Lösung“ – etwa eine Wiederheirat nach einer Zeit der Reue – ausgesprochen. Dies war allerdings von konservativer Seite heftig kritisiert worden. Kasper wies später darauf hin, dass es bei seinem Vorschlag einer behutsamen Öffnung der katholischen Kirche gegenüber wieder verheirateten Geschiedenen vor allem um eine Zulassung zur Beichte gehe. Von deren Zulassung zur Kommunion habe er gar nicht direkt gesprochen.


Radikale Treue zum Evangelium. Eine positive Einschätzung des Diskussionsverlaufs äußerte auch der australische Kurienkardinal George Pell. Gerade in den Konflikten, wie sie in den Arbeitsgruppen zu den Themen gleichgeschlechtliche Partnerschaft und wieder verheiratete Geschiedene zutage getreten sind, habe sich die Katholizität „im besten Sinn des Wortes“ gezeigt, so Pell: „Es gibt da Diversität – offensichtlich. Aber da ist auch die radikale Treue zum Evangelium und zu Jesus.“ Die Aussagen Pells sind umso erstaunlicher, als er zur Gruppe jener gehörte, die Kritik an einer Veränderung kirchlicher Praxis geäußert hatte. Der Weg ist also noch nicht zu Ende gegangen. Fortsetzung folgt. d.n./KAP

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2014)

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