Herr Ober, ein Foto bitte: Gesichter der Josefstadt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Kambis Mahdavian, persisch-tirolerischer Ober im Café Hummel, hat seine Stammgäste fotografiert – und eine Allergen-App fürs Kaffeehaus erfunden.

Warum er ganz hinten in der Ecke hänge?“, will ein Herr wissen. Sein Bildnis thront über einem der Tische in der Ecke der sogenannten Bibliothek – oder der Feuerhalle, wie sie manche ob der flackernden Flamme auf dem Flachbildfernseher nennen (im Fall eines wichtigen Fußballspiels wird die Bibliothek des Cafés Hummel zur „Sportsbar“). Da hinten sei ein guter Platz, beruhigt Kambis Mahdavian. Für alles Weitere verweise er an die Kuratorin.

Wohlweislich hat Mahdavian die Auswahl, welches Foto seiner Stammgäste wo hängen soll, nicht selbst getroffen, sondern an die Künstlerin Gertraud Presenhuber delegiert. Mögliche Verstimmungen verantwortet er somit nicht selbst. Insgesamt 28 „Gesichter der Josefstadt“ hat der Kellner des Cafés Hummel in den vergangenen zwei Jahren fotografiert; seit gestern hängen sie großformatig im Kaffeehaus.

Er selbst hat sich in den Stunden vor der Vernissage am Montagabend freigenommen, statt der Fliege trägt er schwarze Kapuzenjacke. Man kennt ihn trotzdem, am laufenden Band wird er auf die Bilder angesprochen. Ein Stammgast, ein Installateur mit Hamburg-Kapperl, lädt ihn auf den nächsten Verlängerten ein. Mahdavian nennt ihn wegen seiner weißen Haare und des blauen Overalls liebevoll „Papa Schlumpf“. So ein Titel ist selten, normalerweise ist man hier, echt oder nicht, Herr Doktor oder Frau Professor.

Elsbeth Wessel, in der Josefstadt lebende norwegische Germanistin, hat sich beide Titel an der Universität erworben; aber auch sie „hängt“ im Kaffeehaus, und sie freut sich über ihren Platz: ganz vorn neben Ignaz Kirchner. Den Burgschauspieler hat Mahdavian um sechs Uhr früh fotografiert. „Er ist immer einer der ersten Gäste.“

„Ich will das eine Bild“

Zehn Jahre ist es her, dass Kambis, wie man ihn hier nennt, zu fotografieren begonnen hat. Sein erstes Porträt war der Fritz. Der hatte Lungenkrebs und war „ziemlich schlecht drauf. Das Gesicht der Gesichter“. Auch Fritz ist Teil der Ausstellung – und erfreut sich überdies seines Lebens. Mahdavian interessiert sich für Menschen wie ihn. „Ich will, dass jeder perfekt ausschaut. Und das hat nichts mit Schönheit zu tun.“ Nur mit dem Gefühl, das eine richtige Bild zu finden. Mittlerweile betreibe er das Fotografieren „ziemlich freakig“, hat sich ein eigenes Studio eingerichtet. „Ich übertreib immer alles.“

So wie die Sache mit der Allergenverordnung. Ab Mitte Dezember müssen Allergene in der Gastronomie ausgewiesen werden. „Aber mit einer Legende braucht man ja eine halbe Stunde, bis man die Speisekarte dechiffriert hat.“ Weshalb er, gemeinsam mit einem Kollegen und einem Anwalt, eine App entwickelt hat. Auf einem Tablet können Gäste ihre Allergien anklicken; übrig bleiben alle Speisen, die geeignet sind. Das Café Hummel ist das Pilotprojekt, aber auch der Konkurrenz bietet er die Anwendung an. „Wenn ich eine Idee hab, dann mach ich das.“

Mit dem Hummel fühlt sich Mahdavian seit 30 Jahren verbunden; seit er als schlimmer Schüler des nahen Gymnasiums Albertgasse hier „gestangelt“ hat. Als Kind hatte der Sohn eines Persers und einer Tirolerin abwechselnd im Iran und in Kitzbühel gelebt. Je nach Sicherheitslage, bis es im Iran endgültig zu gefährlich wurde. Mit dem Land und dessen hiesiger Community verbindet ihn heute wenig. Er hegt eine klare Abneigung gegen Abkapselungen aller Art. „Die Leute sollen sich entspannen, sonst wird das nie was.“

AUF EINEN BLICK

Kambis Mahdavian arbeitet seit 1998 im Café Hummel, das in dritter Generation heute von Christina Hummel geführt wird. Seine Fotoausstellung „Gesichter der Josefstadt“ ist ab heute zwei Monate lang zu sehen: Josefstädter Straße 66, www.cumbus.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2014)

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