Mit Walzer zur Staatsbürgerschaft: Ein Tanzlehrer als Vorzeigebürger

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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2012 choreografierte der gebürtige Kurde Ismet Özdek die Opernballeröffnung. Heuer startet er mit seiner zweiten Tanzschule in die Ballsaison.

„Tanzen hat mein Leben verändert“, sagt Ismet Özdek. 1990, im Alter von elf Jahren, zog der gebürtige Kurde mit seiner Mutter und drei Geschwistern nach Österreich. Sie folgten ihrem Vater, der schon zwei Jahre zuvor aus der Türkei ausgewandert war. Einfach hatte es Özdek in seiner Kindheit nicht. In ärmlichen Verhältnissen auf dem Land aufgewachsen, musste er sich in der Türkei schon ab sieben die Schule selbst finanzieren. „Wenn man als Migrant nach Österreich kommt, hat man nicht so viele Chancen. Ich habe durch das Tanzen so einiges erreicht. Und darauf bin ich eigentlich stolz“, erklärt der 35-Jährige.

Tatsächlich kann Özdek auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken. „Den Opernball zu choreografieren war auf jeden Fall der Höhepunkt“, erklärt er. 2012 gestaltete er als jüngster Tanzlehrer in der Geschichte des Traditionsballs die Eröffnungschoreografie. Diesen Februar wird Özdek mit seiner „Privattanzschule“ in der Billrothstraße im 19. Wiener Bezirk seine zweite Tanzschule eröffnen. Seit 2007 unterrichtet der diplomierte Tanzlehrer schon in seiner Erstgründung, Isi-Dance, in Bruck an der Leitha. In seiner Wiener Filiale will er aber ein anderes Konzept fahren: Nie mehr als sechs Paare werden hier pro Kurs betreut. Daher auch der Name Privattanzschule. Wie unter Freunden sollen sich seine Kunden hier fühlen. Dabei hat er seine heutige Leidenschaft nur durch Zufall entdeckt. Mit 16 Jahren habe ihm ein Nachbar geraten, in die Tanzschule zu gehen. Nicht etwa wegen der Mädchen, sondern, um Deutsch zu lernen. Obwohl ihn Tanzen anfangs nicht interessierte, sei der Plan aufgegangen. „Tanzen hat mir Sicherheit in meinem Leben gegeben. Ich bin aus mir herausgekommen und habe angefangen zu sprechen“, erzählt der gelernte Elektroanlagentechniker.

1995, im selben Jahr, in dem er zu tanzen begann, erhielt Özdek auch die österreichische Staatsbürgerschaft. „Man könnte also sagen, die Staatsbürgerschaftsprüfung war bei mir Walzer“, sagt er lachend. Denn Wiener Walzer ist sein Lieblingstanz. Diesen und die mit ihm verbundene österreichische Kultur möchte er anderen weitergeben. Auch die Fortschritte seiner Schüler und ihren Spaß am Tanzen zu beobachten sind Motivation für den Tanzlehrer. „Tanzen bedeutet aber nicht nur, Schritte zu lernen. Es hat auch eine andere Bedeutung: die Nähe zum Partner“, sagt Özdek. „In der Tanzhaltung unbewusst den Partner zu spüren ist für meine Kunden etwas Schönes, und das sehe ich.“

„Mit 70 noch unterrichten“

Doch auch außerhalb der Tanzschule hat der frisch gebackene Familienvater– vor sieben Wochen erst kam sein zweites Kind, ein Sohn, zur Welt – einiges zu tun: Nebenbei ist Özdek als ehrenamtlicher Rettungssanitäter tätig. „Grundsätzlich helfe ich immer, wenn es nötig ist“, sagt er.

Seine Hilfsbereitschaft beweist er auch in seiner Funktion als Integrationsbotschafter von Außenminister Sebastian Kurz. Mit seinen Besuchen in Schulen und auf Veranstaltungen wolle er jugendlichen Migranten mit einer ähnlichen Vergangenheit eine Perspektive bieten: „Mit unseren Geschichten vermitteln wir vielen Schülern ein Bild davon, was sie in Österreich erreichen können.“ Besonders wichtig, um in Österreich akzeptiert zu werden, erachtet Özdek gute Deutschkenntnisse: „Wenn man bei einer Türe hineingeht und wundervoll Deutsch spricht, dann gehen die anderen Türen auch auf“, meint er.

In Zukunft nicht mehr als Tanzlehrer seinen Lebensunterhalt zu verdienen, kann sich Özdek nicht vorstellen: „In der HTL habe ich beschlossen, dass ich mit 70 kein Elektroanlageningenieur sein kann. Aber mit 70 Tanzen unterrichten, das kann ich.“

ZUR PERSON

Ismet Özdek wurde 1979 im anatolischen Teil der Türkei geboren. Mit elf Jahren zog er mit seiner Familie nach Österreich. Hier entwickelte sich auch seine Liebe zum Tanz. Als jüngster Tanzlehrer und erster mit Wurzeln außerhalb Österreichs choreografierte er 2012 die Eröffnung des Opernballs. Am 17.Februar wird Özdek seine zweite Tanzschule, Privattanzschule, in Wien Döbling eröffnen. Schon seit 2007 betreibt er die Tanzschule Isi-Dance in Bruck an der Leitha. Zusätzlich ist er als Integrationsbotschafter für Außenminister Sebastian Kurz tätig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2015)

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