Barbara Markovic: Von der Clubberin zum Literatur-DJ

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard im Belgrader Club? Barbara Markovic eine in Wien lebende serbische Autorin, Studentin und Kellnerin hat seine Erzählung „Gehen“ auf Reisen geschickt.

Ausgehen, das war früher einmal, sagt sie. Barbara Markovic hat dafür nur noch selten Zeit, viel beschäftigt, wie sie ist, zwischen dem Diplomarbeitschreiben und ihrem Job als Kellnerin. Wien ist nicht Belgrad, und ein bisschen älter sei sie auch geworden, immerhin 28 Jahre.

Markovic, braune Kurzhaarfrisur, graues T-Shirt, Turnschuhe, sitzt im Gumpendorfer Buchhandlungscafé Phil und trinkt eine Melange. In der Bücherwand dahinter wird ab Montag auch ihr Erstlingswerk zu finden sein: „Ausgehen“ heißt es, und da es erst vier Jahre nach seinem Entstehen auf Deutsch erscheint (bei Suhrkamp), ist es in mancher Hinsicht schon ein Rückblick auf – vielleicht könnte man es so nennen – die frühe Jugend der jungen Autorin.

Eigentlich müssten die Buchhändler-Kellner des Phil den schmalen Band gleich neben dem Werk Thomas Bernhards einordnen, auch wenn im Alphabet zwischen B wie Bernhard und M wie Markovic einige andere Buchstaben stehen: Ist doch „Ausgehen“ mehr als nur dem Titel nach der Bernhard'schen Erzählung „Gehen“ verbunden.

In ihrem Buch, das 2006 in serbischer Sprache erschienen ist, hat Markovic ein literarisches Experiment unternommen: Wort für Wort übertrug sie Bernhards Erzählung in den Belgrader Alltag. Appropriation nennen Fachleute dieses Verfahren; Remix nennt es Markovic. Aus dem Gehen wurde Ausgehen, aus den ausgedehnten Spaziergängen von Bernhards Protagonisten die Clubbingbesuche von Milica und Bojana, aus der psychiatrischen Klinik, in die der Spaziergänger Karrer eingeliefert wird, das sinnentleerte Abhängen vor dem Fernseher.

Es gab damals nur Musik und Ausgehen als gesellschaftliches Leben.“ Markovic nimmt einen Schluck Kaffee und erinnert sich an die Situation in Belgrad nach den Nato-Bomben. Slobodan Milosevic wird in Den Haag der Prozess gemacht, Zoran Djindjic 2003 erschossen. Ein Land in einem Vakuum. Krise. Lethargie. Keine Zukunft für die Jungen, keine Möglichkeit auszureisen.

Bei Markovic stecken die Kids all ihre Energien in den Mikrokosmos Club und drehen sich dort im Kreis. Ein Befreiungsschlag? Mitnichten. Überall lauern Szenekonventionen. „Es war eine kleine Gruppe von Leuten, die paradigmatisch für die Geschlossenheit des Landes steht“, sagt Markovic. Bei Bernhards Buch sei ihr die Idee der Übertragung gekommen, weil man die Unzufriedenheit, die es ausdrückt, „überall haben kann“; relativ problemlos ließ sich die rhythmische Anklage ins Serbische übertragen.

Verlassen hat sie Belgrad dann doch, und noch immer scheint sie froh darüber zu sein. Nach Wien kam sie, um „wirklich Deutsch sprechen zu lernen“. Frei zu plaudern, erzählt Markovic, sei ihr lange schwergefallen – trotz des in Belgrad begonnenen Germanistikstudiums, das sie demnächst an der Wiener Universität beenden will. Pläne für danach? Noch keine. Das Buch, ist Markovic gewiss, werde ihr Leben nicht in großem Stil umkrempeln – oder zumindest nichts an den Dingen ändern, mit denen sie als Ausländerin in Österreich konfrontiert ist: die Sache mit dem Visum etwa.

Dennoch scheint der Umzug nach Wien ihr Befreiungsschlag gewesen zu sein. „Wow, diese Menschen sind so nett!“, war ihr erster Gedanke. „In Belgrad sagt niemand ,Danke'.“ Heute, nach drei Jahren, ist sie noch immer gerne hier und denkt nicht daran zurückzugehen. Pauschalurteile über die angebliche Distanziertheit der Wiener mag sie gar nicht. „So etwas ist immer verdächtig.“

Thomas Bernhard hat Markovic nach dem Belgrader Remix wieder zur Seite gelegt. Es könnte sein, dass sie ihn für künftige Lesungen wieder hervorkramen muss, immerhin werden nun die Bernhard-Kenner ihre Interpretation zu Gesicht bekommen. Macht sie das nicht manchmal nervös? Nein, sagt Markovic. Auf Reaktionen sei sie „gespannt“.

Nur bei einem Gedanken würde ihr ein bisschen „mulmig“: Eine Lesung bei den ehrwürdigen Gmundner Festwochen, die mit dem traditionellen Bernhard-Schwerpunkt. „Aber vermutlich würde ich es tun.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2009)

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