Folkshilfe: „Mit der Quetsch'n Richtung Indie“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die oberösterreichische Folkshilfe bringt am Freitag ihr erstes Album heraus. Und spielt am Samstag samt Ziehharmonika in Wien eines ihrer Straßenkonzerte.

Beim Huber drüben haben's die Katze überfahren. Die Bäuerin hat sich echauffiert“ – und auch sonst ist so einiges passiert, im Lied über das Wegschauen („Wir woan des ned“) und überhaupt im Leben der Folkshilfe. „Folkshilfe mit F“, das haben die drei Oberösterreicher in den vergangenen paar Monaten wohl ein paar tausend Mal so erklären müssen. Und es nun der Einfachheit halber zum Titel ihres Debütalbums gemacht.

Schnell ist es gegangen. Eigentlich hat sich das schräge Trio mit dem Schlagzeug, der Gitarre und der steirischen Ziehharmonika drei Jahre Zeit gegeben, um das, was aus einem Urlaubsgefühl entstanden ist, zu einer richtigen Band mit Platten und Konzerten zu machen. Dann kam die Einladung zur Vorausscheidung für den Song Contest. Die mediale Aufmerksamkeit. Die Schwierigkeit, das, was sie da so machen, in fernsehtaugliche Kurzstatements zu packen. „Popmusik mit anderer Besetzung“ ist seither die Kurzversion. „Quetsch'n, Dialekt und dreistimmig, manchmal Volkslieder“ wäre auch eine Möglichkeit. „Mucke mit Synthesizern, es ist elektronisch und geht auch in Richtung Indie.“

Wurzeln im Urlaub

Aus dem Song Contest wurde nichts; das Interesse blieb. „Eine sehr große Auswahl“ an Plattenfirmen habe sich ihnen angeboten, berichtet Mathias Kaineder, der blonde Sänger und Gitarrist. (Major) Labels aus Österreich, aus (sogar nördlichem) Deutschland. Man habe sich Zeit genommen und sich am Ende für Hage Heins Blankomusik entschieden – und damit den Münchner „Gegenentwurf zum Bild des Musikmanagers“ („Süddeutsche“), der nur betreut, was ihm gefällt, etwa Hubert von Goisern. Mit ihm hat die Folkshilfe jedenfalls die Probleme mit der Kategorisierung gemeinsam. Und die Harmonika.

Dabei hat Florian Ritt, der die Quetsch'n spielt, eigentlich Jazzgitarre und Jazzbass studiert. Die Harmonika hatte jemand anderer mit – damals, als es mit der Folkshilfe begann. Sie „war über Jahre nur eine Idee oder ein Gefühl“, sagt Ritt, und habe ihre Wurzeln im Urlaub: „Ein paar Leute, die gemeinsam auf Urlaub sind und Musik machen, spielen halt auch einmal auf der Straße.“ Wann sie es das erste Mal getan haben, daran können sich die drei nicht mehr genau erinnern. „Wir haben gejammt, Leute haben sich dazugestellt, zugehört, mitgesungen, so hat sich das ergeben.“ Kurzerhand stellten sie einen Hut auf – und hatten das Geld fürs Wochenfrühstück für die 15-köpfige Urlaubertruppe eingenommen.

Später kamen Anfragen für Auftritte, das erste Plakat – und die Notwendigkeit eines Namens. Ein Schild der Volkshilfe inspirierte sie. Auch sie wollten den vorbeieilenden Menschen als Straßenmusiker etwas Gutes tun. „Sie aus dem Alltag rausreißen, ob Investmentbanker oder sonst was, alt oder jung, gesund oder krank.“ Das F zollt der American Folk Music Tribut. Weniger musikalisch als inhaltlich: Durch Erzählungen und „mehr oder weniger seichte Texte, die aber jedem aus der Seele sprechen“. „Seit a poa Tog“ sei zum Beispiel ihre Working Class Hymne, in der es „ums Hackeln geht, wo jeder sudert, jeder unzufrieden ist. Dabei hätt' ma eh alles.“

Folkshilfe, sagt Ritt, das sei auch eine Haltung. „Wir würden bestimmte Dinge nicht sagen oder tun, die andere, die eine Quetsch'n haben, sagen oder tun.“ Zum Beispiel? „Stolz sein auf Dinge, für die man nichts kann. Ausgrenzungen. Da gibt es viele aktuelle Themen. Man merkt, sobald man dreistimmig Dialekt singt und eine Quetsch'n hat, geht es um Heimat. Da fühlt man sich schnell einmal vereinnahmt. Man wird mit Werten überschüttet, die man gar nicht haben will.“

Die Grundstimmung, die sie vermitteln wollen, sei eine lebensbejahende, sagt Kaineder. Gerade hat die Band einen ihrer „Tourlaube“ in Caorle hinter sich, und eine Straßenmusiktour durch Deutschland, Belgien, Holland, Frankreich. Vor dem Straßburger Dom hätten 200 Leute mitgesungen, anderswo alte Leute mit Rollator mitgetanzt. „Schön, dass man in einem Europa ohne Grenzen herumfahren und Musik machen kann.“ Am Samstag in Wien: um 14 h auf dem Stephansplatz.

Auf einen Blick

Die Folkshilfe ist ein Trio aus der Nähe von Linz – Mathias Kaineder (Gitarre, Gesang) und Gabriel Haider (Schlagzeug, Gesang) stammen aus Kirchschlag, Florian Ritt aus Neuzeug. Sie kennen sich aus dem Musikgymnasium bzw. von den gemeinsamen Urlauben, in denen gespielt wurde – und aus denen die Folkshilfe erwachsen ist. Beim Song Contest waren sie unter den sechs Österreich-Finalisten. Soeben erscheint ihr Debütalbum, „mit F“. Am Samstag, spielt die Folkshilfe um 14 Uhr auf dem Wiener Stephansplatz eines ihrer Straßenkonzerte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2015)

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