Fotograf Dreissinger: "Im Kaffeehaus sein, das war ich"

(c) Clemens Fabry
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Mit Schwarz-Weiß-Porträts wurde er eine der Größen der heimischen Fotoszene. Beim Wiener Kaffeesiederball am 5. Februar stellt er seine Arbeit aus.

Ich habe daheim keine Kaffeemaschine“, sagt Sepp Dreissinger. Dadurch sei er schon immer dazu gezwungen gewesen, in Kaffeehäuser zu gehen. „Erst war ich Gitarrenspieler, dann Fotograf, und jetzt Bücher- und Filmemacher“, sagt der 69-Jährige. Der gebürtige Vorarlberger hat am Mozarteum Musik studiert, erst mit 27 Jahren haben ihn ein Schwarz-Weiß-Foto in einer Tageszeitung und die Begegnung mit einer Fotografin so fasziniert, dass er beschlossen hat, sich eine gebrauchte Kamera zu kaufen.

Dreissinger hat im Lauf seiner Karriere viele Persönlichkeiten porträtiert, wenige aber so ausführlich wie Thomas Bernhard und Maria Lassnig. Nachdem er Bernhards Buch „Die Ursache“ gelesen habe, „wollte ich ihn sofort kennenlernen. Bernhard hat das ausgesprochen, was mich an Salzburg immer gestört hat“. Deshalb hat Dreissinger Bernhards Haus in Olhsdorf in Oberösterreich unzählige Male vergeblich aufgesucht, bis er den Dichter eines Tages angetroffen hat.

Die beiden verstanden sich von Anfang an, es entstand eine Freundschaft, „so weit Bernhard überhaupt mit jemandem befreundet sein konnte“. In der Folge machte er sich als „Haus und Hoffotograf vom Bernhard“ einen Namen. Bis heute gilt er als der Fotograf mit den berühmtesten Bernhard-Aufnahmen aus den Siebziger- und Achtzigerjahren. Am meisten schätzte Dreissinger den Humor des Schriftstellers: „Mit ihm zu frühstücken war immer ein Erlebnis der besonderen Art. Er konnte stundenlang über einen Satz blödeln, den er gerade in der Zeitung gelesen hatte wie zum Beispiel: ,Peter Handke hat wieder ein neues Buch geschrieben . . .‘“

1983 übersiedelte Dreissinger nach Wien und ging mit seiner Kamera oft in den ersten Bezirk, um Thomas Bernhard im Café Bräunerhof oder Leopold Hawelka in seinem eigenen Café zufällig zu treffen und nachzuschauen, ob sich vielleicht Künstler im Kaffeehaus befinden, mit denen er plaudern und sie anschließend fotografieren konnte.

An die Künstlerszene Anschluss zu finden fiel ihm immer leicht: „Das war ich“, sagt er über seinen damaligen Lebensstil. Die Porträts von Friedrich Gulda, H. C. Artmann und Elfriede Jelinek, später die Bücher über Bernhard, aktuell ein Foto/Text-Buch über Maria Lassnig haben Dreissinger bekannt gemacht. Auf die Frage, warum er so viele Künstler in Kaffeehäusern fotografiert hat, entgegnet er, dass „die Österreicher, im Speziellen die Wiener, von Natur aus Kaffeehausmenschen sind“.

Überhaupt die Künstler ja gesehen, zugleich aber auch in Ruhe gelassen werden. Da die meisten der Künstler Freunde geworden sind, lassen sie sich auch gern von ihm ablichten. „Ich habe anscheinend die Gabe, beim Fotografieren eine entspannte Atmosphäre herzustellen und dann aus der vorhandenen Situation den entscheidenden Augenblick zu erwischen.“

Am wichtigsten war Dreissinger immer, dass die Kunst, welche die Künstler machen, ihm persönlich zusagt. So würde er manche berühmte Zeitgenossen nicht fotografieren: „Die Selbstdarsteller Stermann und Grissemann zum Beispiel würde ich nie fotografieren, sie sind für mich vollkommen humorlos.“ Obwohl es noch Schriftsteller wie etwa Robert Menasse gibt, die in Wien regelmäßig ins Kaffeehaus gehen, so hat sich doch die Kaffeehauskultur geändert: „In der digitalen Welt geht man eigentlich nicht mehr ins Kaffeehaus, um zu kommunizieren. Jetzt habe ich dort fast nie mehr eine Kamera dabei. Mich stört jeder, der in sein Smartphone starrt oder laut telefoniert, die gemütliche Kaffeehauskultur von früher geht leider auch dadurch verloren.“

Exklusive Vernissage

Für die Vernissage am 59. Ball der Wiener Kaffeesieder stellt Dreissinger etwa 25 ausgewählte großformatige Kaffeehausporträts in der Gardehalle I der Hofburg einmalig und exklusiv zur Schau. Ausgestellt werden neben den Klassikern von Bernhard, Tabori, Brandauer und Jelinek auch neuere Porträts von Haneke, Seidl, Palfrader und Schalko. Außerdem ließen sich die Burgschauspieler Birgit Minichmayr und Joachim Meyerhoff und Ildiko Raimondi von der Staatsoper von Dreissinger für diesen Anlass fotografieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2016)

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