Kati Zambito: „Die Rolle gebe ich mir selbst“

Kati Zambito trainiert im Bounce – und hat unlängst ihren ersten Boxkampf absolviert.
Kati Zambito trainiert im Bounce – und hat unlängst ihren ersten Boxkampf absolviert.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Schauspielerin Kati Zambito wollte einen echten Boxkampf. Für den ORF hat sie daraus eine Dokumentation gemacht, in der sie erklärt, warum.

Ihr Vater, erzählt Kati Zambito, sei ein einfacher italienischer Arbeiter gewesen, der gern einmal einen Actionfilm sah. „Rocky“, oder die Filme mit Jackie Chan. Sie selbst habe immer mitgeschaut und danach mit ihrem Vater gerauft wie ein Bub, und als sie später mit 15 den Entschluss fasste, Schauspielerin zu werden, war es mit dem Ziel, irgendwann in einem solchen Film mitzuspielen.
Allein, Actionrollen für Frauen gibt es nicht besonders oft. Anfangs bekam sie die Rollen der Schüchternen, später gab sie die Anwältin, die Sekretärin, „aber nichts, das mit physischer Belastbarkeit zu tun hat“. Also begann sie im Alter von 29 Jahren zu boxen.

Zambito sitzt in einer Sportbar, wegen der klimatisierten Ruhe, nur wenige haben sich an diesem Nachmittag hier hereinverirrt. Die 37-Jährige im weißen Rock spricht leise, mit heller Stimme, und wirkt immer noch ein wenig ungläubig ob der Richtung, die die Dinge in den letzten Monaten genommen haben. Dass sie als Schauspielerin zum ersten Mal Regie geführt hat, dass der Film sie selbst zum Inhalt hat – und dass er am Sonntag in der „Dok-Film“-Schiene läuft. Weil der ORF offenbar der Meinung war, dass es mehr Menschen als nur ihre eigenen Bekannten, für die der Film ursprünglich gedacht war, interessieren könnte, warum eine Frau freiwillig ein blaues Auge oder eine Gehirnerschütterung riskiert. Etwas, das man allenfalls Männern zugesteht. Gesellschaftlich, sagt Zambito, seien Frauen immer noch andere Rollen zugedacht. „Die Rolle der Kämpferin gibt sich nur die Frau selbst.“

„Du wirst dir die Nase brechen“

Und Zambito wollte nicht nur kämpfen, sie wollte einen richtigen Kampf, dachte aber, sie hätte die Chance verpasst. Zu diesem Zeitpunkt war sie 34 Jahre alt, das Höchstalter für einen Amateurkampf. Als im gleichen Jahr die Regeln geändert wurden, wusste sie, dass sie die Chance nützen würde. Im selben Moment änderte sich die Einstellung vieler in ihrem Umfeld. Menschen, die ihr Boxen bisher „cool gefunden“ hatten, wandten sich ab. Sie würde sich doch nur die Nase brechen, hörte sie so oft, dass sie es irgendwann nicht mehr hören konnte. Woraufhin sie beschloss, eine Dokumentation über ihr Vorhaben zu drehen, „um meine Sicht zu zeigen“.

Sie suchte einen Regisseur – der ihr riet, den Film gleich selbst zu drehen. „Er hat mir diese Flausen in den Kopf gesetzt.“ Sie machte sich daran, ein Team zusammenzustellen, doch viele, die sie ansprach, rieten ihr ab, es würde nicht gutgehen – sie selbst als Regisseurin hinter der Kamera und als Protagonistin im Ring. „Aber ich hatte trotzdem diese Sicherheit“, sagt Zambito, „dass ich diesen Weg gehen muss.“

Sie machte Probeaufnahmen, fand in Daniela Praher, die etwa für „Private Revolutions“ ägyptische Frauen begleitete, eine Produzentin. Praher glaubte, die Doku, die Zambito allenfalls für Festivals eingereicht hätte, könnte den ORF interessieren. „Ich fand das sehr witzig“, sagt Zambito. Man traf sich trotzdem, die Zusage kam schnell. Zambito besorgte sich YouTube-Tutorials für Regie und Schnitt, entwickelte ihre eigene Arbeitsmethode: Sie erklärte ihrem Team, worauf sie die Kamera richten würde, „aber wenn etwas Unerwartetes geschah, hatte ich Vertrauen, dass sie selbst entscheiden“. Den Kampf zu bekommen gestaltete sich indes schwierig. Als einzige Frau war sie zur nötigen Prüfung angetreten; bis potenzielle Gegnerinnen folgten, dauerte es. Als der ersehnte Kampf da war, fühlte sie sich „wie in den ,Hunger Games‘: „Einer schmiert dich mit Vaseline ein, einer rubbelt dir die Nase, einer massiert die Hände, einer gibt dir Wasser: wie eine Prinzessin, die man poliert, um sie in den Kampf zu schicken“. Unglaublich stolz sei sie danach gewesen. Irgendwie sei es nicht anders, als auf der Bühne zu stehen. „Es geht darum, gesehen zu werden und Leute zu unterhalten. Nur, dass man bei Fehlern eine kassiert.“

Sie persönlich finde Boxerinnen mit einer schiefen Nase ja charmant. „Ich denke mir: Sie ist eine Rebellin, sie hat sich was getraut.“ Boxen, sagt Zambito, sei für sie eine Sportart, die den Ursprüngen des Menschen nahe sei. „Ich mag das Gefühl, die Kraft aus meinem Körper zu lassen.“ Man kämpfe nicht mit Emotionen, „nur mit Kraft“. Anders freilich beim Publikum. Als eine Art Säuberungsritual sieht es ein Therapeut, den sie im Zuge ihrer Recherchen befragt hat. „Als würde man seine Schmutzwäsche auf einen Esel packen. Man lässt andere die eigene Wut und Aggression austragen.“ Ihre eigene Faszination, überlegt sie, komme wohl anderswo her. „Ich glaube, ich hab einfach zu viel ,Rocky‘ gesehen.“

Zur Person

Kati Zambito (37) wurde als Tochter einer Portugiesin und eines Italieners in Stuttgart geboren und wuchs zum Teil in Portugal auf. 2004 kam sie nach Österreich, um Translationswissenschaft zu studieren. Als Schauspielerin war sie etwa in Karl Markovics „Superwelt“ als Zeugin Jehovas zu sehen. In der Doku „Punch Line. Eine Frau steigt in den Ring“ fungiert sie als Regisseurin und erzählt die Geschichte ihrer Vorbereitung auf ihren ersten Boxkampf. Die These: Boxen habe viel mit dem echten Leben zu tun. Der Film ist am Sonntag, 3. Juli, 23.05 auf ORF2 zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2016)

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