Durchhaltevermögen und Glück: Eine andere Hollywood-Karriere

Lebt und arbeitet seit Jahren in Los Angeles: Ausstellungskuratorin Doris Berger.
Lebt und arbeitet seit Jahren in Los Angeles: Ausstellungskuratorin Doris Berger.(c) Köksal Baltaci
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Die Oberösterreicherin Doris Berger ist seit zwei Jahren Ausstellungskuratorin am Filmmuseum in Los Angeles. Ein langer Weg, der sich gelohnt hat.

"Im Nachhinein“, sagt Doris Berger, „mag es aussehen wie eine geradlinige Laufbahn. Aber es war alles andere als das. Ich habe viele Umwege gebraucht, um an mein Ziel zu kommen. Und Durchhaltevermögen. Glück und harte Arbeit waren natürlich auch dabei.“ Daher habe sie sich, wie sie extra betont, vorgenommen, ihren Werdegang und die Hürden, die sie nehmen musste, niemals zu vergessen. Das „Ziel“, von dem die gebürtige Oberösterreicherin spricht, war im Übrigen keinesfalls konkret – im Sinne eines bestimmtes Postens oder einer speziellen Karriere: „Ich wollte einfach eine Beschäftigung finden, die mit Kunst und Kultur zu tun hat, abwechslungsreiche Projekte beinhaltet, meiner Ausbildung gerecht wird und mich vor neue Herausforderungen stellt.“

Geworden ist es schließlich vor knapp zwei Jahren eine neu geschaffene Stelle als Ausstellungskuratorin am derzeit entstehenden Filmmuseum in Los Angeles, dem Academy Museum of Motion Pictures, das unter der Leitung des italienischen Architekten Renzo Piano gebaut wird. Die Eröffnung ist für 2019 geplant. Auf 5000 Quadratmetern Fläche sollen dort permanente ebenso wie Wechselausstellungen organisiert werden, die sich mit Filmkultur, Filmgeschichte und Filmemachen auseinandersetzen.

„Wechselspiel der Perspektiven“

Berger ist Mitglied des Planungsteams mit Kerry Brougher an der Spitze, das die inhaltliche Ausrichtung bestimmt. Zu ihren Schwerpunkten zählen neben der Filmhistorie und Filmkunst vor allem soziokulturelle Themen – das „Wechselspiel der Perspektiven“, wie sie es nennt. „In den USA herrscht vielerorts ein extremes Schwarzweißdenken vor, das finde ich problematisch“, sagt die 45-Jährige, die in Wien Romanistik und Kunstgeschichte studiert hat. „Besonders in unserem Bereich kommt es auf die unterschiedlichen Blickwinkel an – von innen und außen. Mich interessiert es, Brücken zu bauen zwischen unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen, Kulturen und Zeiten.“

Was beispielsweise auch der Grund dafür gewesen sei, dass sie sich für ihre für 2020 geplante Wechselausstellung über das Schaffen von afroamerikanischen Filmemachern in den USA Unterstützung einer afroamerikanischen Kollegin geholt habe. „Alleine hätte ich mir das als weiße Frau und Europäerin nicht zugetraut, das wäre vermessen“, betont die Kuratorin. „Und ich merke, dass diese Einstellung geschätzt wird, ich habe für dieses Projekt bisher viel Unterstützung erfahren.“ Als Europäerin sei es jedenfalls schwer zu verstehen, warum Menschen mit derselben Religion, Kultur und Lebensweise diskriminiert werden. Berger: „Ich führe den Rassismus gegen Schwarze in den USA auf die mangelhafte Aufarbeitung der Sklaverei zurück.“

Sie selbst hingegen sei als Ausländerin nie mit Ressentiments und Ausgrenzung konfrontiert worden, seit sie 2008 „der Liebe wegen“ nach Los Angeles kam und sich nach und nach mit den Gepflogenheiten, etwa dem beispiellosen Netzwerken, vertraut machte. Ihr Mann, ein bildender Künstler, den sie bereits in Wien kennengelernt hat, wollte wieder in den USA leben und arbeiten, also zog sie mit ihm nach Kalifornien. Es folgten bewegte Jahre. Nach einem Jahr als Stipendiatin am Getty Research Institute in Los Angeles bekam sie eine Stelle als Kuratorin am Skirball Cultural Center, wo sie bis 2015 tätig war. Ihre letzte Ausstellung „Light & Noir: Exiles and Émigrés in Hollywood, 1933−1950“ hat große Erfolge gefeiert und tourt noch immer durch die USA.

„Diese Ausstellung dürfte auch mit ein Grund sein, warum ich meine jetzige Stelle bekomme habe“, sagt sie. „Ich war schon immer fasziniert davon, wie sehr Immigranten – damals hauptsächlich jüdische Auswanderer aus Europa, die vor den Nazis flüchteten – die Goldene Ära des amerikanischen Films in den 1930er- und 1940er-Jahren mitgeprägt haben.“

Bevor es in die USA ging, war Berger Direktorin des Kunstvereins Wolfsburg. Mit anschließenden Lehrtätigkeiten an den Universitäten in Braunschweig, Berlin und Wien. „Das meine ich mit den vielen Umwegen zu meinem jetzigen Beruf, der mir unglaublich viel Spaß macht“, sagt sie. „Ich versuche jedes Jahr auch nach Österreich zu kommen, erst im Sommer war ich wieder dort. Ich liebe Wien.“ Neben ihrer Familie und Freunden, die in Österreich leben, genieße sie vor allem die kulturellen Angebote. Ob sie sich eine Rückkehr vorstellen kann? Besonders wahrscheinlich sei es in absehbarer Zeit nicht. Andererseits hätten ihr die vielen Stationen in der Vergangenheit auch gezeigt, dass man nie etwas ausschließen sollte. „Also gilt auch für mich: You never know.“

ZUR PERSON

Kuratorin. Doris Berger hat Kunstgeschichte und Romanistik an der Universität Wien studiert und an der HBK Braunschweig über ein Filmkunst-Thema promoviert. Sie ist seit zwei Jahren Ausstellungskuratorin am gerade entstehenden Academy Museum of Motion Pictures in Los Angeles, das unter der Schirmherrschaft der Academy of Motion Picture Arts und Sciences (der Oscar-verleihenden Institution) steht. Derzeit arbeitet sie an einer Dauerausstellung mit, die zwei Stockwerke zur internationalen Filmgeschichte präsentieren und mit dem Gebäude 2019 eröffnet wird. Zuvor war Berger unter anderem Kuratorin am Skirball Cultural Center und Stipendiatin am Getty Research Institute in Los Angeles.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2017)

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