Navigator durch Wiens Statistik: Aus Zahlen Geschichten machen

Thomas Harbich bei den Zahlenspielen in der U-Bahn-Station Karlsplatz.
Thomas Harbich bei den Zahlenspielen in der U-Bahn-Station Karlsplatz.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit seinen täglichen Wien-Fakten präsentiert Thomas Harbich seit 2014 Kurioses, nun macht er das Statistische Handbuch der Stadt erlebbar.

Die Maximalgeschwindigkeit, mit der der Hauptvorhang der Wiener Volksoper hochgezogen werden kann, beträgt 2,0 m/s. Es sind Fakten wie diese, die Thomas Harbich Tag für Tag auf seinem Twitter-Account postet. Und die unter dem Hashtag #WienFakt mittlerweile eine gewisse Fanschar haben. Mehr als 3000 Follower hat der 30-Jährige mittlerweile, daneben hat ihn auch das Fernsehen entdeckt – mit einem wöchentlichen Wien-Fakt ist er auf W24 zu sehen.

Und nun greift auch die Stadt Wien auf Harbichs Expertise zurück: Bei der Präsentation des Statistischen Handbuchs 2017 steuert er zu den Zahlen Material bei, das Zusammenhänge anschaulich darstellen soll. „Es ist eine Doppelconference mit Klemens Himpele“, erzählt Harbich. Der Leiter der für Statistik zuständigen MA 23 liefert die aufbereiteten Daten, die die Stadt im Lauf des Jahres 2017 erhoben hat. Und gemeinsam erzählt man dann eine Geschichte dazu. Diesmal hat man sich für zwei fiktive Kinder entschieden, anhand derer man die einzelnen Zahlen konkret erlebbar machen will. „Das Konzept ist von der Wiege bis zur Bahre, also sämtliche Stellen, an denen man im Lauf seines Lebens mit städtischer Infrastruktur in Berührung kommt.“

Die letzten Tröpferlbäder

Auf diese Weise kommt man unter anderem an den fast drei Millionen Besuchern vorbei, die die städtischen Tröpferlbäder noch vor 50 Jahren hatten – „heute sind es nur mehr 20.000“, erzählt Harbich. Was auch daran liegt, dass es in Wien heute nur mehr ein einziges klassisches Brausebad gibt – das Volksbad Friedrich-Kaiser-Gasse in Ottakring – und fünf Saunabäder. Aber um ein Eck weitergedacht liegt es daran, dass ein Badezimmer mittlerweile schon fast überall zum Standard gehört. „Solche Aspekte, die die nackten Zahlen nicht erklären, kann man in historischen Kontext setzen.“ Und so mehr Information liefern als die nackten statistischen Daten allein.

Das jährlich erscheinende Statistische Handbuch liefert große Mengen an derartigen Daten. Und auch, wenn sich ein so zahlenlastiges Werk nur bedingt gemütlich durchblättern lässt, verbergen sich doch einige spannende Informationen darin. „Überraschend sind zum Beispiel die Landwirtschaftsdaten“, sagt Harbich. Dass etwa in Wien 71,7 Prozent aller Melanzani österreichweit geerntet werden, habe ihn überrascht. „Das sind Aspekte, die gegen das klassische Bild einer Großstadt sprechen.“

Genau solche Kuriositäten sind es, die den Wiener so reizen. Das Statistische Handbuch war auch schon oft die Grundlage für seine Wien-Fakten. Aber oft kommen die Ideen dazu auch auf andere Weise zustande. „Ich gehe immer mit offenen Augen durch die Stadt, lasse das Handy stecken und mich nicht ablenken.“ Und so wird jeder Spaziergang zum Rechercheausflug. Unter anderem geht er seit einiger Zeit sämtliche Strecken öffentlicher Verkehrsmittel ab. Und schaut, was sich dort finden lässt.

Daneben verbringt er viel Zeit in Museen, Ausstellungen und Bibliotheken. „Und sobald neue Bücher über Wien erscheinen, organisiere ich mir die.“ All das ist auch notwendig, damit täglich um 20.30 Uhr ein neuer #WienFakt online gehen kann. Eine Aufgabe, die ihm schon einigermaßen großen Druck bereitet. Denn die naheliegenden Kuriositäten hat er schon abgearbeitet. Und je länger man das macht – begonnen hat er im Oktober 2014 –, desto tiefer muss man bohren.

Zwei bis zweieinhalb Stunden Recherchezeit berechnet er pro Fakt, bei einfachen Zahlengeschichten geht es manchmal auch etwas schneller. „Und dann muss man sich die Zeit nehmen, das auch aufzubereiten.“ Früher auf 140, jetzt auf maximal 280 Zeichen bei Twitter ist ein Fakt begrenzt. „Das ist dann schon eine Herausforderung.“

Alles nur zum Spaß

Es gehört zu Harbichs Leben, es macht Spaß – „aber Geld verdiene ich damit nicht“. Ja, eine kleine Entschädigung für die Fernsehauftritte gebe es schon, und die Präsentation des Jahrbuchs bringe auch etwas ein. „Aber es ist nicht mein Hauptberuf.“

Sein Hauptprojekt derzeit ist nämlich, sein Studium abzuschließen. Und dann? Man wird sehen, vielleicht eine Ausbildung als Fremdenführer, vielleicht auch ein Buch. Material dazu gebe es ja zuhauf. „Es sind so viele Daten halbwegs offen zugänglich da, die aber nicht bemerkt werden.“ Und genau die könnte man ja – spannend aufbereitet – vor den Vorhang holen.

Zur Person

Thomas Harbich (geb. 1987) studierte Geschichte und Geografie auf Lehramt. Bekannt wurde er durch seine täglichen Tweets mit dem Hashtag #WienFakt, in denen er Kurioses über die Stadt verrät. Einmal wöchentlich präsentiert er auch auf dem Stadtsender W24 einen Wien-Fakt.

Präsentation: Am Dienstag um 18.30 Uhr, wird das „Statistische Jahrbuch“ der Stadt Wien bei einer Doppelconférence mit Harbich und Klemens Himpele, Leiter der MA 23 (Statistik), im BIG Hörsaal der Uni Wien (Universitätsring 1, Tiefparterre) präsentiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2018)

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