Meryl Streep: „Männer dürfen Fehler machen“

„Wir Frauen haben verinnerlicht, dass wir mit einem ganz anderen Maß gemessen werden als Männer“, sagt Meryl Streep.
„Wir Frauen haben verinnerlicht, dass wir mit einem ganz anderen Maß gemessen werden als Männer“, sagt Meryl Streep.(c) APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS (DANIEL LEAL-OLIVAS)
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In den Kinos ist Meryl Streep derzeit als erste weibliche Verlegerin der „Washington Post“ zu sehen. Wieso sie Zeitungen in der heutigen Zeit für äußerst wichtig hält und warum sie noch nie mit Tom Hanks gedreht hatte, erzählt die Schauspielerin im Interview.

Die dreifache Oscar-Preisträgerin Meryl Streep ist aktuell als Katharine Graham, erste weibliche Verlegerin der „Washington Post“ in den 1970er-Jahren, zu sehen. Auch für diese Rolle wurde Streep als beste Hauptdarstellerin für einen Academy Award nominiert.

Wissen Sie eigentlich, ob Ihr Kollege Tom Hanks für „Die Verlegerin“ womöglich besser bezahlt wurde als Sie?

Meryl Streep: Ich habe gute Nachrichten: Wir bekamen beide das gleiche Honorar. Wobei ich gestehen muss, dass ich das zu Drehbeginn noch nicht wusste. Ich hatte nicht nachgefragt. Tom und ich haben uns beide erst damit beschäftigt, als es zuletzt medial verstärkt darum ging. Aber keine Frage, das Thema ist wichtig.

Apropos wichtige Themen: Warum ist die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere 1971, um die es im Film geht, auch heute noch eine relevante Geschichte?

Es geht, vereinfacht gesagt, um die Wichtigkeit des Journalismus. Zeitungen wie die „New York Times“ oder eben die „Washington Post“ sind heutzutage eine der letzten Bastionen, was die Wahrheit angeht. Echter Journalismus ist dazu da, uns mit Fakten zu versorgen. Und heute ist es bekanntlich wichtiger denn je, sich auf glaubwürdige Quellen verlassen zu können, wenn wir die Mächtigen dieser Welt zur Verantwortung ziehen wollen.

Macht es Ihnen Angst, was in dieser Hinsicht aktuell vor allem in den USA passiert?

Diese Menschen mit den „alternativen Fakten“ versuchen, die Realität so lang zu massieren und zu bearbeiten, bis sie eine Gestalt angenommen hat, die mit unserer eigenen Wahrnehmung kaum noch etwas zu tun hat. Ich halte das für viel gefährlicher als einfach nur Lügen.

Katharine Graham war die erste weibliche Zeitungsverlegerin der USA. Was macht diese Frau für Sie aus?

Graham war es gewohnt, sich auf Männer zu verlassen. Als einzige Frau in einer solchen Position war sie natürlich umgeben von Männern, die ihr Ratschläge gaben. Und an denen orientierte sie sich auch. Ausgerechnet die Entscheidung im Fall der Pentagon-Papiere traf sie aber ganz allein. Ich glaube, unser Film zeigt ganz gut, wie wichtig dieser Moment der Selbstermächtigung sowohl für sie persönlich als auch für Frauen allgemein war.

Diese Zurückhaltung, obwohl sie eigentlich am Ruder saß – konnten Sie sie nachvollziehen?

Auch ich selbst habe, wie so viele Frauen, eine Art eingebaute Vorsicht, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen. Männer und Frauen verhalten sich ja, wie auch Studien bestätigen, unterschiedlich, wenn es darum geht, Risiken einzugehen.

Eine Frage des Naturells?

Nein, wir Frauen haben nur verinnerlicht, dass wir mit einem ganz anderen Maß gemessen werden als Männer. Männer dürfen Fehler machen. Sie dürfen dick auftragen und dann wieder einen Rückzieher machen. Diesen Luxus haben Frauen in der Regel nicht. Auch wenn ich hoffe, dass sich das auf lange Sicht ändert.

Ist „Die Verlegerin“ für Sie auch ein Film über Frauen in Führungspositionen?

Auf jeden Fall. Vor allem über eine Frau in dieser Position im Jahr 1971. Damals saßen keine Frauen an den Tischen, an denen die Entscheidungen getroffen wurden. Außer eben, ihnen gehörten diese Tische. So war es bei Graham: Ihr gehörte der Tisch, das Gebäude, die Zeitung. Und trotzdem wagte es ihr Angestellter, zu ihr zu sagen, sie solle ihn Frieden lassen und sich in gewisse Dinge nicht einmischen. Wäre die Situation umgekehrt gewesen und eine Angestellte hätte das zu ihrem männlichen Boss gesagt, wäre sie vermutlich gefeuert worden. Dass Graham so begegnet wurde und dass sie sich das gefallen ließ, sagt viel über die Situation von Frauen damals aus, selbst in der Chefetage.

Wie kommt es eigentlich, dass Sie vor „Die Verlegerin“ noch nie zusammen mit Tom Hanks gedreht hatten?

Das hat sicherlich damit zu tun, dass ich einfach zu alt bin für ihn (lacht). Im Ernst. Die meisten Männer, mit denen ich vor der Kamera stand, waren 20 Jahre älter als er. Und seine Filmpartnerinnen deutlich jünger als ich. In Hollywood beträgt der Altersunterschied zwischen uns beiden also nicht sieben Jahre, sondern eher 40!

Steckbrief

Meryl Streep wurde am 22. Juni 1949 in New Jersey (USA) geboren. Nach Theaterrollen begann sie Ende der 1970er-Jahre auch eine Filmkarriere.

Zu ihren wichtigsten Filmen zählen u. a. „Kramer gegen Kramer“ (für den sie ihren ersten Oscar als beste Nebendarstellerin erhielt), „Sophies Entscheidung“ und „Die Eiserne Lady“. Streep war bisher 21-mal für einen Oscar nominiert, öfter als jede andere Schauspielerin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2018)

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