Cartoons von Rudi Klein: Zeigen, was dahinter steckt

(c) Katharina F.-Roßboth
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Rudi Klein veröffentlicht neue Hard-Luck-Storys seines abgrundtiefen Gottes. Ein Gespräch über die „Haderer-Schule“ und Lustigsein auf Knopfdruck.

Es gibt philosophische Formeln, die schreien gerade nach ihrer Visualisierung. Etwa jene berühmte von Martin Heidegger, die da „Es ist das Nichts, das nichtet“ lautet. Der Wiener Cartoonist Rudi Klein hat dieses gefährliche Nichts zeichnerisch gebannt. „Der Lochgott“ nennt sich sein Sujet, mit dem er seit 2006 viele obskure Fragen, die Heidegger aufgeworfen hat, bestmöglich für unsere Zeit beantwortet.

„Mir ging es um einen Gott ohne Gestalt, einen, der sämtliche Schwächen mit seinen Gläubigen teilt“, sagt Klein, dessen Büro liebenswertes Chaos abstrahlt. Seinem am 13. April erscheinenden Buch „Der Lochgott: Neue Offenbarungen“ ist eine einleitende Warnung beigegeben: „Das Loch, das ich euch geschenkt habe, kann nicht umgetauscht werden.“ Ist das ein Orakel, das auf die Geworfenheit des Menschen deutet? Oder doch bloß Hinweis auf ein nicht existierendes Rückgaberecht? Auf derlei Fragen lächelt Klein nur vieldeutig. Das Ambivalente ist ihm zweite Natur.

1951 geboren und als Bürgerskind im Arbeiterbezirk Floridsdorf aufgewachsen, pendelte er geistig schon früh zwischen Hoch- und Volkskultur. „Zu Hause gab es nur klassische Musik und Weltliteratur. Dann kam mein Erweckungserlebnis. Vor der Filiale eines Supermarkts wurde die erste Ausgabe des Cartoonhefts ,Felix‘ verteilt. Das Knallbunte hat mich total fasziniert.“ Längst ist dieser kindliche Farbenrausch abgeebbt. Kleins Zeichenstil befleißigt sich einer erfrischenden Knappheit in Strich und Kolorierung. Gern denkt er an die selige Zeit des Schwarz-Weiß-Fernsehens zurück. „Ich bedaure sehr, dass es das nicht mehr gibt. Eine meiner Zeichnungen hieß: ,Versuch, ein Gulasch in Schwarz-Weiß zu zeichnen‘.“ Dieser Mann besitzt ein Herz für Subgenres, nach denen die Welt nicht gerade giert.

Beschmutzte Seele

Die zeichnerische Laufbahn hat er gar nicht angestrebt. Der „Doktor-Rudel“, wie er von anderen Kindern genannt wurde, wusste bloß, dass er kein Arzt wie sein Vater werden wollte. „Er war lebenslang von mir enttäuscht“, erinnert sich Klein nicht ungern. Ein paar Semester lang bekritzelte er Jus-Skripten, dann jobbte er beim ORF. „Als ich dann 40.000 Schilling Schulden hatte, machte ich mich selbstständig.“ Er zeichnete zunächst für Werbeagenturen. Dann für Magazine wie die „Golfrevue“ und Special-Interest-Periodika wie die „Fleischer-“ und die „Arbeiterkammerzeitung“. „Für die AK zeichne ich immer noch“, freut er sich, der vor zehn Jahren noch für 14 Blätter gezeichnet hat. Heute sind es nur noch vier. Es ist wie ein Nachhall auf bessere Zeiten. Obwohl das Illustrieren von politischen Kommentaren, wie es Klein seit Jahrzehnten praktiziert, zu allen Zeiten grenzwertig war. „Das kann einem schon die Seele beschmutzen. Vor allem auch, weil alles zensuriert wird, ohne dass man Zensur dazu sagen darf. Wir leben in einem Land mit zerstörter Humortradition.“

Versteht man sich da wenigstens in der eigenen Kaste? „Es gibt schon Freundschaften. Aber für die meisten Kollegen muss ich mich genieren. Vor allem für jene, die vorauseilende Unterwürfigkeit mit einem Gestus der Aufmüpfigkeit praktizieren. Ich nenne das die Haderer-Schule.“ Die ganz große Karriere à la Sokol und Deix hat er nicht gemacht. Bedauerte er das? „Nein. Auf der Straße erkannt zu werden überlasse ich gern anderen. Wenn man nicht realistisch zeichnet, fällt das Massenpublikum aus. Warum sollte man so zeichnen? Die Fotografie ist schließlich schon erfunden. Mir ging es immer darum zu zeigen, was dahintersteckt.“

Dafür war er bereit, durch ein jahrzehntelanges, innerweltliches Fegefeuer zu gehen. Schließlich wirkt sich das Lustigseinmüssen auf Knopfdruck letztlich doch auf die Psyche aus. „Routine hilft dir da nur begrenzt. Man muss leidensfähig sein“, sagt Klein, der im Übrigen genauso alt ist wie die deutsche Micky Maus. Nennt er Heft eins sein eigen? „Die Nummer eins müsste sich ergeben. Ich habe bloß die Hefte zwei und drei. Sammler war ich nie, eher ein legerer Ansichraffer.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2018)

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