Michaela Kastel: „Je abgründiger, desto besser“

Michaela Kastel erzählt in „So dunkel der Wald“ von einer Schicksalsgemeinschaft entführter Kinder.
Michaela Kastel erzählt in „So dunkel der Wald“ von einer Schicksalsgemeinschaft entführter Kinder.(c) Michele Pauty
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Wenn das Ferienhaus der Großeltern im Wald zum Schauplatz wird: Autorin Michaela Kastel hat einen düsteren psychologischen Thriller vorgelegt.

Vermutlich ist es ein ganz normaler Reflex – von einem Buch auch auf seinen Autor zu schließen. Wer „So dunkel der Wald“ gelesen hat und Michaela Kastel trifft, erwartet daher: Irgendwie Düsternis.

Dafür ist Kastel dann erstens erstaunlich fröhlich und zweitens fast ein wenig erstaunt, dass in den Rezensionen zu ihrem Debütroman von Alptraum und Horror die Rede ist. Für sie selbst sei es eher eine Liebesgeschichte. „Da werden ja keine Leichen zerstückelt.“ (Man mag anfügen: Doch, aber der Leser ist dankenswerterweise nicht unmittelbar dabei).

Das Grauen stellt sich jedenfalls auch ganz ohne derartige Details ein, wenn Kastel ihre Leser tief in die oberösterreichischen Wälder entführt, wo ein tatsächlicher Entführer als Mischung aus Josef Fritzl, Wolfgang Přiklopil und Marc Dutroux gleich mehrere Kinder in seiner Gewalt hat.

Einen Verlag zu finden, sei mit diesem Thema zunächst nicht leicht gewesen, erzählt die 30-Jährige, immer wieder sei durchgeklungen, dass Kindesmissbrauch ein zu hartes Thema sei. Dass literarischer Mord okay, Missbrauch aber tabu sei, findet sie merkwürdig. „Es ist eines der ältesten Themen der Welt und passiert dauernd, in diesem Moment.“ Der Emons-Verlag, eigentlich auf Regionalkrimis und Paperback spezialisiert, hat sich jedenfalls voll auf ihre Geschichte eingelassen – und den psychologischen Thriller als Hardcover herausgebracht.

Gedankenexperimente

Mit klassischen Krimis könne sie selbst wenig anfangen, sagt Kastel. „Ich brauche das Psychologische, egal, ob Krimi oder Liebesgeschichte. Am liebsten je abgründiger, desto besser. Da fängt mein Hirn erst richtig an zu arbeiten.“ Es seien Gedankenexperimente, die sie spannend findet. „Welche Auswirkungen haben Situationen, ein gewisses Umfeld auf Figuren? Wie entwickeln sie sich dann? “

Im konkreten Fall sei der Ausgangspunkt die Frage gewesen, was mit einem Menschen geschieht, der sein Leben lang Gewalt und Isolation ausgesetzt ist. „Zu welcher Art von Mensch entwickelt er sich, und wozu ist er fähig?“

Ursprünglich, erzählt sie, hatte sie den Roman gar als Kammerspiel angelegt. Dass sich nun in einem zweiten Erzählstrang eine Polizistin auf die Spur der Verschwundenen begibt, tue dem (bereits hochgelobten) Roman aber gut. „Sonst wäre es vielleicht zu erdrückend.“ Das Haus im Wald, das sie beschreibt, gibt es tatsächlich. Es ist das Zweithaus ihrer Großeltern, ebenfalls an einer Lichtung gelegen, „als Kind war ich im Sommer wochenlang dort“. Und ja, das Haus liege mitten im Nirgendwo, „da kommen nicht einmal Wanderer vorbei“. Nichtsdestotrotz sind ihre Kindheitserinnerungen daran hell und schön: „Es war Abenteuer pur, wir waren im Wald, im Garten, keiner hat an Fernsehen gedacht.“

Dabei, dieses Haus nun mit einer unheimlichen Geschichte zu überlagern, habe sie keine Bedenken gehabt. „Es hat sich einfach perfekt angeboten, man tut sich leichter, etwas zu beschreiben, das man kennt. Nur dann wird es authentisch. Es war, als würde ich das Haus einfach in eine andere Kulisse setzen und mit Figuren füllen.“

Ihre Mutter, stets ihre erste Testleserin, habe das Geschehen jedenfalls für nicht zu schlimm befunden. „Wobei“, sagt Kastel, „sie hat mir als Kind auch Stephen-King-Romane nacherzählt.“ Sie habe lang gestaunt, was ihrer Mutter alles einfällt, erinnert sie sich amüsiert. „Und vielleicht hat mich das ja auch abgehärtet.“ Sie selbst hat zu King später nie Zugang gefunden: „Zu langatmig.“ Überhaupt habe sie lang kaum gelesen. Beim laut Lesen habe sie sich verhaspelt, und in Kinderbüchern hätten ihr die großen Themen gefehlt. Bis sie mit zwölf die Nibelungen für sich entdeckte. „Erst da habe ich gemerkt, dass es Geschichten gibt, die mich packen.“

Geschrieben habe sie indes, „total klischeehaft“, immer schon: Noch bevor sie schreiben konnte, bastelte sie kleine Bücher und diktierte ihrer Mutter den Inhalt. „Der Traum, ein eigenes Buch in Händen zu halten, war also immer schon da.“

Zur Person

Michaela Kastel, geboren 1987, studierte sich eine Weile „quer durch das Angebot der Uni Wien“. Heute schreibt sie und arbeitet in einer Buchhandlung. „So dunkel der Wald“ (Emons Verlag, 304 Seiten, 18,50 Euro) erzählt von einer Schicksalsgemeinschaft entführter Kinder. Am Mittwochabend wird das Buch erstmals in Österreich präsentiert: 18.30 Uhr, „Gustl kocht“, Erdbergstraße 21, 1030 Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2018)

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