Anna Marboe: „Dauernd in Teufels Küche“

Anna Marboe sprach in Tansania mit Künstlern über gegenseitige Vorstellungen.
Anna Marboe sprach in Tansania mit Künstlern über gegenseitige Vorstellungen.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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„Jeder rettet einen Afrikaner“: Anna Marboe inszeniert am Reinhardt-Seminar ein Stück, das sich kritisch mit dem Thema Hilfe beschäftigt.

Während Anna Marboe von ihrem Stück berichtet, stimmt sich ihre Truppe schon einmal mit Yoga ein. Und, erinnert sie sich, der Foodora-Lieferant müsse auch noch eingeschult werden. Dass das notwendig ist, hat die Erfahrung gezeigt: Bei einem früheren Stück hatte sie eine Pizza live auf die Bühne bestellt, der Pizzabote war damals einigermaßen verwirrt gewesen. Dinge, an die man als Regisseurin denken muss.

„Jeder rettet einen Afrikaner“ heißt das Stück, dass Marboe gerade als ihr Vordiplomstück im Regie-Studium am Reinhardt-Seminar inszeniert. Sie habe bewusst nach einer Komödie gesucht. „Ich finde, dass der Spaß am Theater oft fehlt.“ Gerade ernste Themen würden zu oft auch ernst erzählt.

Bei der deutschen Autorin Ingrid Lausig ist sie fündig geworden: Sie erzählt von fünf „handlungswilligen Europäern“, die einen Benefizabend gestalten, sie „proben, singen, sammeln für Afrika – für die, denen es schlechter geht als uns“, heißt es im Text zum Stück. „Und sie stolpern in dem Bemühen, Gutes zu tun, immer wieder heillos über die Diskrepanz zwischen Altruismus und Narzissmus, Political Correctness und Political Not Giving a Fuck“. Hilfe für Afrika, sagt Marboe, sei „ein Minenfeld, bei dem man nur alles falsch machen kann“.

Recherche in Tansania

Sie selbst war mit 17 zum ersten Mal auf dem Kontinent. Damals hatte sie gerade die Aufnahmeprüfung fürs Reinhardtseminar geschafft und das Gefühl, davor schnell noch weg zu müssen. So fuhr sie zunächst nach Chile, danach nach Tansania, wo eine Cousine Kontakte zu einem Kunstprojekt in Bagmoyo hat. Genau dorthin ist sie für ihre Inszenierung nun wieder gereist. Stereotype und die klassische Helfer-Opfer-Situation würden es fast unmöglich machen, Afrika als gleichberechtigten Partner zu sehen, sagt die 21-Jährige. „Und es ist ja auch schwierig – aber die Idee war, dass man nicht wieder auf Betroffenheitsveranstaltung macht, sondern dass man Leute unterstützt, die selber handeln.“

Diese Leute sind im konkreten Fall vier Filmemacher vom Bagamoyo Film Kollektiv, die sozialkritische Kurzfilme produzieren und die die Einnahmen aus dem Stück in Wien für ihr nächstes Projekt bekommen. Mit ihnen, erzählt Marboe, hätten sich auch spannende Gespräche ergeben. In Tansania sei der künstlerische Ausdruck oft streng an traditionelle Formen gebunden. Europäische Kunst nehme man da schnell als „crazy“ wahr. „Und sie können alle nicht wirklich davon leben und stellen sich vor, dass es in Europa viel leichter ist.“ Das sei freilich relativ. „Denn natürlich ist es bei uns auch nicht leicht. Aber für uns heißt es, dass wir Angst haben, die Miete nicht zahlen zu können, für sie, dass sie in diesem Monat vielleicht nichts zu essen haben.“

Auch über Stereotype habe man gesprochen. Europäer seien reich und wollten helfen, sei der Tenor gewesen. Das sei just nicht das Bild, das man kreieren wolle, sagt Marboe. Andererseits: Wenn einer der Künstler erzählt, dass er Waise sei und seine Ausbildung nur dank einer Patenschaft aus dem Ausland bekam – was sagt man dann? „Man kommt die ganze Zeit in Teufels Küche – denn das ist ja auch wahr.“

Kritisch sieht Marboe auch das Theater immer wieder. „Was kann es überhaupt?“ habe sie sich anfangs gefragt. „Da spielen linksliberale Leute für ein linksliberales Publikum – und alles bleibt, wie es ist.“ Rückblickend ist sie froh über ihr Studium, begeistert sich gerade für die Theorien des jungen Deutschen Wolfram Lotz über das „unmögliche Theater“. „Meine Faszination ist gerade, dass es keine Regeln gibt. Dass man mit dem Theater vielleicht nicht die Welt verändern kann – aber man kann die Welt, die man sich baut, verändern und alles behaupten.“

Ihr aktuelles Stück erzählt übrigens auch lustvoll vom Scheitern einer Theaterproduktion, wo man Afrika retten will, sich aber wegen Textzeilen anfeindet und sich in einer Käsebrötchenkrise verliert (jemand hat es auf einem Klemmbrett abgelegt). Ein Spiegel der Realität: „Wir streiten immer wegen irgendwas, alle lassen Essen rumliegen – wir spielen auch abseits der Bühne dieses Stück“, lacht Marboe. Daher das Yoga zur gemeinsamen Einstimmung. „Inzwischen sind wir als Gruppe total zusammengewachsen.“

Zur Person

Anna Marboe wurde 1996 als Tochter des damaligen Wiener Kulturstadtrats Peter Marboe und der Juristin Irmgard Marboe geboren. Schon im Schultheater im Schottengymnasium spielte sie mit und führte Regie. Seit 2015 studiert sie Regie am Reinhardt-Seminar. „Jeder rettet einen Afrikaner“ ist noch am 21. und 23. April auf der Alten Studiobühne zu sehen. Die in Tansania geschneiderten Kostüme werden verkauft, alle Erlöse kommen Künstlern dort zugute.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2018)

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